Tabakwaren-Produktrichtlinie Schön war gestern - „Demokratische Willkür”

Endlich liegen sie vor – Studien zu den möglichen volkswirtschaftlichen Folgen der geplanten Tabakprodukt-Richtlinie (TPD). Eine weitere hat untersucht, ob bzw. in welcher Weise bildliche Warnhinweise Raucher wirklich abschrecken.

Dienstag, 02. Juli 2013 - Tabak
Ulrike Pütthoff
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Christian Biermann, Shop-Inhaber in Magdeburg

Reemtsma wollte es auch nicht bei einer subjektiven Einschätzung belassen. Das am stärksten regulierte Produkt sei die Zigarette. Doch die Hamburger ärgert viel mehr die „demokritische Willkür“, wie es Marcus T.R. Schmidt, General Manager für Deutschland und die Schweiz, formuliert. Die vorgesehenen Piktogramme seien ein Schlag ins Gesicht. Ob Raucher das auch so empfinden, war schlussendlich die zentrale Fragestellung einer Studie, die der Konzern bei Prof. Dr. Henrik Sattler vom Institut für Marketing und Medien der Universität Hamburg in Auftrag gab.

Unter den rund 3.000 Probanden wurden keine Imagewerte, sondern primär Markenwerte abgefragt, nachdem ihnen Zigarettenpackungen mit den Schockbildern vorgelegt wurden. Das Ergebnis spricht für sich: Die Wiedererkennung der Marke hatte sich um 48 Prozent drastisch verringert. Nur knapp 16 Prozent erkannten ihre Brand wieder. Überproportional betroffen waren vor allem weniger bekannte Marken.

Die Einschränkungen durch den vorliegenden EU-Entwurf seien fast so hoch wie bei Plain Packaging. Außerdem konnte die verbesserte Aufklärung über Gesundheitsrisiken durch die bildlichen Warnhinweise nicht nachgewiesen werden. Sie machten den Zigarettenkonsum sozial nicht unattraktiver, denn die Mehrheit der Konsumenten (mehr als zwei Drittel) fühlt sich dadurch nicht besser aufgeklärt. Wenn überhaupt, sind die Effekte auf die Gesamtnachfrage marginal.

Der Preis dafür wären unter anderem wettbewerbspolitische Konsequenzen zu Gunsten starker Brands. Sie verbuchten Markenwertgewinne, während Schwächere Verluste hinnehmen müssten, die sich laut Reemtsma-Studie häufig in dreistelliger Euro-Millionenhöhe bewegen würden.

Nun ist die Politik gefordert. Bis Mitte Juli müssen Änderungsanträge zum im Dezember 2012 vorgestellten Entwurf der Tabakprodukt-Richtlinie beim EU-Parlament vorliegen. Presseberichten zufolge kann sich die Bundesregierung mit einem Menthol-Verbot anfreunden. Was die Slim-Zigarette betrifft, will sie noch weitere Untersuchungen anstellen. Und hinsichtlich der Schockbilder schwankt sie noch, wartet auf einen Nachweis aus EU-Kreisen, dass die Piktogramme wirklich Sinn machen.

„In der politischen Abwägung sind die ökonomischen Kosten zu beachten“, sagt der Deutsche Zigarettenverband. Auch er beruft sich auf eine von ihm in Auftrag gegebene Studie. Danach reduziere sich der Beitrag der Tabakwirtschaft zur deutschen Wirtschaftsleistung um circa 2 Mrd. Euro. Das wäre dann der Fall, wenn der Zigarettenkonsum um ca. 10 Prozent zurückgeht. Dem Staat entgingen dann Steuereinnahmen in Höhe von 1,8 Mrd. Euro.

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