Twenty47 Smarte Rückkehr zu Convenience

Wer ein Feinkostgeschäft wie das Freiburger „Degusto“ betreibt, der hat normalerweise kaum etwas mit C-Retail zu tun. Anders bei Peter Ganghof, der auch smarte Visionen für diese Branche umsetzt.

Montag, 09. Dezember 2024 - Smart Stores
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Smarte Rückkehr zu Convenience
Bildquelle: Twenty47 / Peter Ganghof

Wer ein Feinkostgeschäft wie das Freiburger „Degusto“ betreibt, der hat normalerweise kaum etwas mit C-Retail zu tun. Anders bei Peter Ganghof, der auch smarte Visionen für diese Branche umsetzt.

Der Unternehmer Peter Ganghof konnte in seinem Berufsleben viel Erfahrung in Lebensmittel-Industrie und Handel sammeln, beispielsweise beim Backwarenhersteller Aryzta und beim Händler Edeka. Auch die Convenience-Branche ist ihm sehr vertraut, war er doch , bevor er in die Selbstständigkeit ging, Vice President Foodservice und Director Frische Convenience bei Lekkerland. Die Tatsache, dass er jetzt in seiner Heimatstadt Freiburg einen eher traditionellen Feinkostladen betreibt, hält in aber nicht davon ab, weiterhin konzeptionell und ganz praktisch an modernen, zukunftsorientierten Convenience-Formaten wie Smart-Stores und Micro-Markets zu arbeiten. Aus ersten Erfahrungen mit Vending-Angeboten im Hauptbahnhof Freiburg sind inzwischen Konzepte gewachsen, die bereits als alternatives Convenience-Angebot an Tankstellen im Einsatz sind. CS sprach mit Peter Ganghof darüber, wie sich alles entwickelt hat und welche Perspektiven sich aus seiner Sicht ergeben.

Convenience Shop: Herr Ganghof , Sie sind nach dem Ende Ihres Engagements als Gastro-Chef bei Lekkerland in Ihre Heimat Freiburg zurückgegangen, um dort als Feinkost-Händler aktiv zu werden. Wie kam es dazu?
Peter Ganghof: Diese Entscheidung fiel mir sehr schwer, weil es mir in der 
Rewe Gruppe und bei Lekkerland sehr gut gefallen hat und wir erfolgreich waren. Es geschah rein aus familiären Gründen. Mein 14 jähriger Sohn brauchte mich in Freiburg und nicht nur am Wochenende. Das Pendeln zwischen Freiburg und Köln konnte ich auf die Dauer nicht weiterführen. Da ich gutes Essen und Trinken liebe, war es ein Herzensprojekt einen bestehenden Feinkosthandel zu übernehmen und handelsgastronomisch weiterzuentwickeln.

CS: Neben dieser Aktivität sind Sie aber auch sehr schnell im Bereich Micro-Markets und Smart-Stores aktiv geworden. Wie kamen Sie persönlich zu der Überzeugung, dass in
diesem Bereich der Smart-Stores ein bedeutendes Stück 
Zukunft des Handels stecken könnte?
Ganghof: Mir ist schnell klar geworden, dass sich der Konsument und die Rahmenbedingungen im Handel sehr schnell ändern. Die Pandemie hat diese Veränderungen noch stark beschleunigt. Mitarbeitersuche und -Qualifikation, Kostensteigerungen, convenientes Einkaufen zu jeder Tages- und Nacht- Zeit, spezielle Sortimente – Food for now und Food for later –, mit Fokus auf regionalen Anbietern und Produzenten. Daraus entstand die Idee einen automatisierten Marktplatz als Convenience Store, 24 / 7 verfügbar zu machen.

CS: Mit welchen Unternehmen und Aktivitäten sind Sie in
diesem Bereich aktiv?
Ganghof: Wir haben die Twenty47 GmbH gegründet und unter dem Motto „ Shop Regiosmart“ sofort ein Real Labor im Freiburger Hauptbahnhof gestartet, noch während der Pandemie. Wir haben jetzt fast drei Jahre lang alle
Automaten-Typen, Soft- und Hardware-Anbieter und sehr viele verschiedene Sortimente getestet und es einfach ausprobiert.

Mittlerweile stehen über 30 Automaten im Bahnhof und wir lernen jeden Tag dazu. Es geht um regionale Erzeuger und Produzenten, Sortimente, die jeder jeden Tag sucht und schnell erwerben möchte. Die Gesellschafterstruktur hat sich mit der Zeit erweitert, mittlerweile haben wir Automaten-Hersteller, System – und Software-Anbieter in der Gesellschaft und somit Zugriff auf
exklusive Hard- und Software und immer neue Entwicklungen.

CS: Dieses Geschäft hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten und Herausforderungen. Wie schwierig waren die ersten Schritte in diesem Markt, was sind die wichtigsten Learnings für Sie und welche Rückschläge gab es?
Ganghof: Rückschläge gab es einige und es wird sicherlich weitere geben. Gute Ideen wie beispielsweise Salat- und Pizza-Automaten haben nicht funktioniert. Bäcker-, Metzger- und Sushi-Automaten dagegen von Anfang an sehr gut. Auch das Geschäftsmodell, das Pricing und die Lieferketten haben wir mehrfach anpassen und optimieren müssen. Mittlerweile haben wir eigene Pizza- und Smart-Bistro oder Smart-Kantinen-Automaten entwickeln lassen.

CS: In diesem Geschäft wird sehr viel über Technik, Logistik etc. gesprochen. Das wirklich geeignete Sortiment ist derzeit viel weniger ein Thema. Macht das aus Ihrer Sicht Sinn und welche Erkenntnisse bezüglich der Sortimente konnten Sie bisher gewinnen?
Ganghof: Wir haben schnell bemerkt das eine effiziente Supply Chain einer der wichtigsten Komponenten in unserem Konzept ist. Unsere Automaten- und System-Partner Stüwer und Twenty4U verbinden die Automaten direkt mit unserem Lieferanten für die Kernprodukte, Best in Food. Durch die
extreme Flexibilität in der Logistik von Best in Food gehören feste Liefertage und große Stopp-Größen jetzt der Vergangenheit an. Der Automat bestellt selbstständig per Schnittstelle bei Best in Food, wenn er befüllt werden muss. Und am nächsten Tag ist die Ware bereits vor Ort. So entstehen keine Out-of-Stock-Situationen und es gibt keine großen Aufwände für Warenwirtschaft und Lagerhaltung. Zudem fungiert Best in Food als Category Manager, das sich an den aktuellen Markttrends orientiert und gibt immer wieder Vorschläge zur Sortimentsoptimierung. So stellen wir als Systemgeber sicher, dass immer auch alle aktuellen Trendprodukte schnellstmöglich, für uns und unsere Franchisenehmer zur Verfügung stehen. Auch die regionalen Anbieter sind per Telemetrie immer über die Füllstände ihrer Automaten informiert und liefern bei Bedarf ihre Produkte dann direkt an den Standort, ohne den Umweg über das Best in Food Zentrallager zu nehmen.

CS: Woran kann oder sollte sich das Pricing von Produkten in solchen Smart-Stores orientieren?
Ganghof: Wir haben aktuell neun Twenty47 Market‘s in Bahnhöfen, Tankstellen und auf dem Land. Wir machen jeweils eine Standortanalyse und passen das Pricing den Rahmenbedingungen vor Ort an. Pauschal gesagt liegen wir unterhalb von Raststätten, beziehungsweise Tankstellen und oberhalb der Preise eines Supermarkts.

CS: Sie sehen sich sicherlich auch viele andere Konzepte an. Welche Fehler werden aus Ihrer Sicht derzeit in dieser Branche gemacht, wenn es darum geht, dauerhaft praxistaugliche Konzepte zu etablieren?
Ganghof: Es wird seit Jahren sehr viel ausprobiert und investiert. Ich persönlich glaube an das Einkaufserlebnis, an Impulskäufe und an einen Schaufensterbummel. Das ist unser Anspruch bei Twenty47 Market. Ich beobachte die Roboter-Lösungen und die Self-Check-out-Lösungen und bin sehr gespannt, wie sich der Konsument auf Dauer entscheidet.

Das Wichtigste ist, dass der Konsument einfach und schnell an die Artikel kommt, die er braucht – zu jeder Tageszeit – und sich zu dem ein oder anderen Produkt verführen lässt. Natürlich darf man die Investition nicht unterschätzen. Wir liegen für einen Markt mit etwa 500 Artikeln im unteren Drittel der Investitionskosten im Vergleich zu den anderen Konzepten.

CS: Sind Smart-Stores aus Ihrer Sicht künftig eher ein Ansatz für ländliche Nahversorgung oder auch ein wichtiger Anlaufpunkt für städtische Impulskäufe?
Ganghof: Wir haben aktuell drei Twenty47 Market‘s in ländlichen Gebieten als kleinere Modelle mit sechs, acht und zehn Automaten. Wir sehen, dass wir
deutlich weniger Frequenz haben, allerdings ist der Durchschnitts Bon viel höher. Wir sind insgesamt sehr zufrieden mit der Entwicklung auf dem Land. Es benötigt daher noch mehr Zeit, die richtigen Standorte und gut vernetzte Partner zu identifizieren.

CS: Aus Ihrem Engagement ist ja offenbar recht schnell das Vorhaben entstanden, Smart-Store-Konzepte systematisch weiter zu verbreiten. Mit welchen Konzept-Partner arbeiten Sie daran und welche Partner steuern Sie für die Betreibung solcher Shops an?
Ganghof: Durch meine Zeit bei Edeka und Rewe / Lekkerland kenne ich die Franchiselandschaft und die Bedürfnisse der einzelnen Partner. Aktuell betreiben wir noch zwei Shops selber. Ein XL- und ein S-Modell. Sieben Standorte werden bereits von Franchisenehmern betrieben. Das Modell funktioniert sehr gut und wir sind in Gesprächen zu weiteren Standorten und mit möglichen Franchisenehmern.

Wir geben unser Wissen, die richtige Technik und Supply Chain unseren Partnern weiter. Aber immer nach einer Standortanalyse.
Unsere Vorgehensweise ist, zuerst den Standort zu analysieren und die Zielgruppe zu definieren. Dann kommt das Sortiment für diese Zielgruppe. Danach die richtigen Automaten für das Sortiment und die optimale Ladenbau-Planung. Am Ende können wir eine Umsatz- und Ertrags-Annahme erstellen und so unserem Partner seinen Return on Investment errechnen. Wir unterstützen auch bei Finanzierungen und Leasing-Angeboten.

CS: Welche Rolle könnten aus Ihrer Sicht Tankstellen künftig bei der Weiterverbreitung solcher Smart-Store-Konzepte hier zu Lande spielen?
Ganghof: Eine große Rolle. Für die Tankstelle ist Twenty47 die perfekte 
Ergänzung. Vor dem Hintergrund immer größer werdender Personalknappheit und der Mindestlohndiskussion macht es an vielen Tankstellen Sinn, auf Automation zu setzten. Das zeigen auch klar die Ergebnisse unserer Tankstellen-Standorte bei unserem Partner PM Pfennings. Hier sprechen die Zahlen einfach für sich. Die Sortimente in der Tankstelle sind bekannt und gelebt. Zusätzlich kommen regionale Anbieter und automatisierte Dienstleistungen. Neben der Autopflege können Kunden dann zum Beispiel einen Urlaub bei unserem Avatar buchen, während sie warten oder digitale Produkte erwerben, wie zum Beispiel Telefonkarten oder Gutscheine. Wir freuen uns mit den PM-Tankstellen den ersten Partner gefunden zu haben. Gemeinsam planen wir weitere Standorte und arbeiten an vollautomatischen Tankstellen.

CS: Was sind die nächsten Schritte für die Smart-Stores und Micro-Markets? Mit welchen Partner wollen Sie arbeiten?
Ganghof: Nachdem wir jetzt das Konzept und die USPs herausgearbeitet und getestet haben, werden wir in den Vertrieb gehen. Wir suchen Masterfranchisenehmer, Franchisenehmer, Projektentwickler und Flächen in ganz Deutschland. Zudem sind wir in Kontakt mit Partnern in der Schweiz, 
Österreich und den Niederlanden, um das Konzept auch in anderen Ländern bekannt zu machen.

CS: Wir haben darüber gesprochen, dass Sie auch Ihr
 Freiburger Feinkost-Konzept Degusto für geeignet halten, als System weiterzuverbreiten. Gibt es für diese Entwicklung bei Ihnen schon konkrete Pläne?
Ganghof: Zunächst freut mich sehr, dass das mediterrane Degusto Konzept in Freiburg gut angenommen wird. Das Interesse an einer Multiplikation überrascht uns ein bisschen. Aber der Bedarf nach einem Premium-Konzept in Hochfrequenz-Lagen kann ich nachvollziehen. Sicher wird es ein Degusto nicht in jeder Stadt geben können. Aber dort, wo die Kaufkraft da ist und der Kunde einfach hochwertiger genießen möchte, passt es hervorragend: Frühstück, Kaffee, Kuchen, Feinkost, Panini, Pinsa und Wein.

CS: Ist so ein eher traditionelles Modell wirklich so einfach weiterzuverbreiten und skalierbar?
Ganghof: Von Anfang an habe ich das Konzept modular aufgebaut. Da kann ich eben nicht aus meiner Haut. Je nach Standort, den wir dafür anpeilen, kann das Degusto Konzept deshalb seinen Schwerpunkt anpassen, um das optimale Ergebnis in diesem Umfeld zu erzielen. Konkret heißt das beispielsweise: im S- und M-Modell arbeiten wir ohne Küche und Abluft. Erst im L und XL-Modell kochen und grillen wir. Aus meiner Sicht ist das Konzept perfekt für Bahnhöfe, Flughäfen und Innenstadtlagen.