Snackification „Die Shops können den Wandel mit gestalten“

Bei der anspruchsvollen Aufgabe, die Snackification gesünder und nachhaltiger zu entwickeln, sind viele Faktoren zu bedenken.

Samstag, 24. Mai 2025, 09:28 Uhr
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Bildquelle: Food Ideas

Mit ihrem Unternehmen Food Ideas hilft Patrizia Stitz Unternehmen dabei, potenzielle Chancen und neue Geschäftsfelder zu identifizieren sowie strategische Handlungsempfehlungen für sie, ihre Zielgruppen, ihre Marken, Sortimente und Produkte zu formulieren. Sie ist seit über 20 Jahren in der Food und Beverage Branche tätig und begleitet Unternehmen im Hinblick auf Food Strategien und Food Innovation sowie bei neuen Konzepten. Seit einiger Zeit hat sie sich auch dem Wandel der Gastro-Angebote in C-Shops in Richtung gesunder Ernährung verschrieben und gestaltet ihn aktiv mit.

Convenience Shop: Früher war das Snack-Angebot in Shops eher „quick and dirty“. Wie ist Ihre Einschätzung der aktuellen Situation? 
Patrizia Stitz: Convenience Shops haben verstanden, dass sich die Bedürfnisse der Kunden und Kundinnen verändert haben, besonders die jüngeren Generationen suchen nach Produkten und Snacks, die weit mehr können, als nur „satt“ machen. Gesundheit und Wohlbefinden sind dabei neben Abwechslung und Vielfalt die Haupttreiber im Kontext Ernährung. Heißt konkret: Unterwegs kommt es zunehmend darauf an, sich ausgewogen und geschmackvoll zu ernähren. Das macht sich zunehmend und natürlich je nach Standortlage auch in den Sortimenten der Tankstellen bemerkbar. Auch wenn Klassiker wie die Bockwurst, der Leberkäse und die Frikadelle nach wie vor zu den beliebtesten Snack-Umsatztreibern gehören. Aber auch diese Klassiker lassen sich modernisieren und gleichzeitig durch Alternativen für mehr Vielfalt zeitgemäßer gestalten. Wir können diesen Wandel mitgestalten.

CS: Muss man sich, wenn man hier eine Änderung vorhat, vor allem die Kundenzielgruppen und den Standort ansehen, oder gibt es auch so
etwas wie eine Standard-Formel? 
Ein moderner und zeitgemäßer Foodservice-Anbieter sollte seine aktuelle Kundschaft und die Bedürfnisse sehr gut kennen und darauf entsprechend reagieren. Gerade in der aktuellen Zeit, die stark geprägt ist von Verunsicherung und Angst. Verbraucher leben daher immer mehr im Spannungsfeld von Sparangst und Eskapismus. Eine Herausforderung, die aber auch viele Chancen birgt. Neben diesem Spannungsfeld ist die Beobachtung und Mitgestaltung von Trends essenziell. Kombiniert man dieses Wissen um Trends und gesellschaftliche Treiber mit den individuellen Stärken und lokalen Standort-Gegebenheiten an den Stationen, hat man schon eine gute Formel für Fortschritt. Ergänzend dazu ist eine gute Balance zwischen
Bewährtem und Neuem empfehlenswert. Wichtig ist, dass man offen bleibt und regelmäßige Impulse im Sortiment bietet, ohne die Kundschaft zu überfordern.

CS: Welche Verbrauchergruppen sind für den nachhaltigen und gesunderen Konsum im To-go-
Geschäft besonders offen?
Das Wohlbefinden - die gesunde Ernährung - ist für alle Generationen der Wert Nummer eins in Bezug auf die Ernährung. So sagen 41 Prozent in der Innova-Studie ‚Now & Next in Generational Differences in Europevon‘ von 2014. Somit avanciert Gesundheit zu einem Thema, das abseits von Geschlechtern und Generationen eine zunehmende Relevanz hat. Es gibt kleine Unterschiede zwischen den Geschlechtern und Generationen in Bezug auf die Ausprägungen dieser Bewegung, aber es ist sicherlich kein rein weibliches Thema. Erwähnen sollte man aber, dass besonders jüngere Generationen die Treiber von gesunder, proteinreicher und pflanzlicher Ernährung sind. Am Ende ist
allerdings nicht nur Gesundheit, sondern das Zusammenspiel der drei entscheidenden Facetten: Gesundheitsvorteile, Geschmack und Erschwinglichkeit wichtig. Gerade diese sicherheitsgebenden Aspekte sind wichtiger denn je und starke Marken profitieren jetzt umso mehr von ihren klaren und für die Kundschaft vertrauten Markenerlebnissen.

CS: Sie haben das Thema ja schon mit einer Mineralölgesellschaft durchexerziert. Wie sind Sie dabei vorgegangen? 
Das Thema Gesundheit & Pflanzlichkeit durfte ich bereits mit mehreren Mineralölgesellschaften individuell durchdenken, denn es tangiert alle. Ein echter Pionier im Bereich vegane Snacks in Tankstellen ist Team Energie. Gemeinsam haben wir ein eigenes, ganzheitliches Konzept „100%Pflanzlich!“ entwickelt (siehe Seite 4). Im Vorfeld haben wir uns detailliert den umliegenden Markt, auch in der Systemgastronomie, angeschaut. Wir sind tiefer in Kundenbedürfnisse und standortspezifische Aspekte eingestiegen und haben, basierend auf unseren Learnings, dieses ganzheitliche Konzept mit einem passenden Produktsortiment entwickelt. FFS und Lekkerland waren als wertvolle Partner beteiligt.

CS: Welche Fragen sollten sich veränderungsbereite Betreiber stellen?
Dreh- und Angelpunkt sind die Kundinnen und Kunden mit ihren Bedürfnisse und gleichzeitig das eigene Unternehmen, für das man steht, beziehungsweise die jeweilige individuelle Tankstelle oder der jeweilige Convenience Store inklusive spezifischer Lage. Entscheidende Fragen sind somit folgende:

  • Wer sind meine jetzigen Kunden und wer mögliche zukünftige Kundinnen und was benötigen Sie?
  • Wie können wir eine Antwort darauf geben beziehungsweise eine Lösung in Bezug auf unser F &B-Sortiment entwickeln? 
  • Was bedienen wir bereits und was fehlt noch in unserem Angebot?

So schafft man es ganzheitlich und gleichzeitig auf seine eigenen unternehmerischen Bedürfnisse konzentriert zu denken, ohne einfach nur Trends zu adaptieren. Zudem verringert man die Gefahr des blinden Aktionismus, durch den einzelne Aktionen schnell verpuffen.

CS: Welche gesünderen Alternativen haben gute Chancen, in C-Stores bei der Verbraucherschaft positiv angenommen zu werden? 
Natürlich sind Empfehlungen hier immer standortspezifisch zu bewerten, aber sicherlich gibt es mehrere Optionen und nicht die eine richtige Wahl. Ein Weg ist es, bei beliebten und gelernten Bestandsprodukten anzusetzen und diese zeitgemäß zu modernisieren. Ein gutes Beispiel dafür ist die erfolgreiche Lancierung des nachhaltigen Leberkäses von Circle K. Generell ist es empfehlenswert, sein Snack-Angebot vielseitiger und abwechslungsreicher zu gestalten und neben fleischlastigen Varianten zunehmend ergänzende vegetarische Angebote anzubieten. Dabei kann Gemüse auch neue Impulse schaffen. Im Shop-Bereich können gesündere Impulse im Getränke- und Snackbereich, besonders beim wachsenden Segment der „gesünderen“ Riegel & Co., den Wunsch nach mehr Gesundheit bedienen. Wenn das Gefühl, das man im Bistro hinterlässt nicht zum Gesamteindruck passt, entsteht kein harmonisches und glaubwürdiges Gesamtbild und im schlechtesten Fall sogar ein Störgefühl bei den Kundinnen uns Kunden. Deshalb empfehle ich immer ganzheitlich zu denken und Schritt für Schritt in die Umsetzung zu gehen.

CS: Sollten Aspekte, wie beispielsweise Bio, nachhaltiger Anbau etc. ebenfalls dabei bedacht werden? 
Das Thema Gesundheit ist multidimensional zu betrachten, dazu gehört auch die Gesundheit des Planeten und der Tiere. Daher sollte man Aspekte wie „Bio“ und nachhaltigen Anbau nicht unbeachtet lassen. Langfristig werden diese Themen zu selbstverständlichen Hygienefaktoren werden. Aktuell muss jeder für sich prüfen, was strategisch passt und glaubwürdig sowie machbar umgesetzt werden kann. Das Interesse an einem umweltfreundlicheren und gesünderen Konsum steigt und darauf benötigen alle Player Schritt für Schritt eine eigene Antwort, um langfristig zu überzeugen und auch zu begeistern.