Interview Total Umsetzen, was machbar ist

„Wir müssen die alten Konzepte überdenken und überarbeiten“, sagt Carsten Nolof, Leiter Marketing, Shop, Food, Services bei Total. Bei der Ideenfindung geht er kritisch ans Werk. Neues probieren, ja. Einfach mal so machen ist nicht. Konzepte müssen realisierbar sein, und Nolof will genau wissen, ob, am besten auch wie viel, unterm Strich hängen bleibt.

Mittwoch, 18. Februar 2015 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Umsetzen, was machbar ist

Herr Nolof, welche berufliche Qualifikation sollte ein Tankstellen-Betreiber mitbringen?

Wir brauchen heute den modernen Kaufmann, denn das Tankstellengeschäft hat sich verändert, und wir befinden uns mitten im Generationenwechsel. Im Schnitt halten sich die Kunden drei Minuten an der Tankstelle auf, davon max. 70 Sekunden im Shop. In dieser Zeit muss es gelingen, Tank-Kunden auch als Shop-Kunden zu gewinnen. Das bedarf kaufmännischen Geschicks. Betreiber müssen nicht nur etwas vom Sortiment und Backshop verstehen, sondern sich auch mit Mengen, Margen und Kassensystemen, Bestellfunktionen, Warenwirtschaft usw. auskennen. Mindestens aber sollten sie bereit sein, sich damit auseinanderzusetzen. Wir brauchen Leute, die open minded sind, idealerweise auch Impulse setzen können. Das Tankstellengeschäft verändert sich.

Total Deutschland hatte die Kreativszene aufgefordert, innovative Ideen für eine Station zu entwickeln. Waren realisierbare Ansätze dabei?

Das Ergebnis hat uns in punkto Weiterdenken viel gebracht. In ferner Zukunft werden wir, ausgehend von den eingereichten Ideen, auch mal eine Station bauen. Doch vorerst ist zu klären, welche Elemente für unsere Strategie Sinn machen und wie sie technisch umzusetzen sind. Aus diesen Bausteinen erarbeiten wir uns unser eigenes Konzept. Wir prüfen also kritisch, bevor wir etwas integrieren. Niemandem ist damit geholfen, wenn wir in Schönheit sterben. Am Ende muss hinter jeder Idee Umsatz stehen.

Blockieren Sie damit nicht gute Ideen?

Ich vertrete schon den Standpunkt „einfach mal machen“, warne aber vor blindem Aktionismus. Wir müssen sorgsam prüfen, vorausschauen und detailliert planen, damit wir keine Investitionen in den Wind schreiben müssen.

Vor einem Jahr haben Sie gesagt „Wir wissen genau, was wir leisten können“. Sie erteilen also damit potenziellen Partnern für das Shop-Geschäft keinen Freibrief für eine Zusammenarbeit?

In dem Spannungsfeld Eigenständigkeit, also selbst machen oder Verantwortung und Kontrolle abgeben, bewegen wir uns grundsätzlich. Unsere französischen Kollegen in der Pariser Zentrale würden es begrüßen, wenn wir ihren starken Partnern auch in Deutschland für interessante Projekte die Türen öffnen. Wir prüfen das sorgfältig und entscheiden dann, ob Tests gemacht werden. Der französische Ansatz wäre etwa, Carglass als Mieter für einige nutzbare Hallen zu gewinnen. Flächendeckend ist das nicht machbar, das ist allen klar, da ein Teil der Tankstellen möglicherweise in unmittelbarer Nachbarschaft bereits eine Carglass-Filiale hat. Dann ist es doch besser, wir suchen selbst gute Ideen für die Vermarktung von Flächen vor Ort und verschwenden nicht unsere Energie für gute Standorte, wenn sich lokal eine sinnvolle Nutzung ergeben wird.

Wir müssen uns immer wieder fragen, wie weit wir in der Lage sind, eine große Idee wirklich auszurollen. Zum Beispiel, ob wir die Logistik stemmen können, personell wie technisch, wie weit unser Budget das trägt und ob nicht vielleicht sogar andere Projekte Vorrang haben sollten. Gegenwärtig sind wir soweit, dass wir den Bereich Foodservice auf- und ausbauen können. Dazu sind wir eine sehr erfolgreiche Kooperation mit Lavazza eingegangen, mit dem Ergebnis, dass wir nach rund eineinhalb Jahren über 10 Prozent im Kaffeegeschäft dazugewonnen haben.


Planen Sie ähnliche Vorhaben in anderen Segmenten?

Der Markt ist stark in Bewegung. Auch wenn wir mit dem Shop-Geschäft zufrieden sind, sind die einzelnen Kategorien doch starken Schwankungen unterworfen. Wir haben Segmente, die zwar auf Marktniveau liegen, aber unter Druck stehen, zum Beispiel Zeitschriften, Lebensmittel und Schmierstoffe. Gute Zuwachsraten verbuchen wir dagegen bei Getränken, im Foodservice und bei Süßwaren. Hier ist das Shop-Aktionswesen der Treiber. Diese Kooperationen mit Partnerunternehmen heben uns vom Markt ab.

Liegt in Aktionen die Zukunft?

Bedingt. Man braucht eine gute Relation zum Stammgeschäft. Wenn wir den gesamten Shop veraktionieren, drücken wir das Preisniveau. Also sprechen wir besser von Hinguckeraktionen auf definierten Flächen, mit denen die jeweilige Marke am POS und umgekehrt die Marke Total Deutschland gestützt wird. Also Aktionen ja, wenn sie die Umsätze nach oben bringen und unterm Strich eine gute Marge bleibt. Sie sollten einen Bruttoverdienst generieren, der beide Seiten zufrieden stellt. In dem Zusammenhang wird auch die Kannibalisierung immer wieder thematisiert, das heißt, den Absatz anderer Artikel der Kategorie immer im Auge zu behalten.

Denken Sie auch an Sortimentstraffung?

Wir müssen sehr genau beobachten, was an der Tankstelle läuft und was nicht. Es ist ein wahrzunehmender Trend, ein schmaleres Angebot an Wasser, Softgetränken usw. anzubieten. Wir müssen uns fragen, ob wir die Breite in allen Gebindeeinheiten benötigen und welche ganz konkrete Sortimentstiefe in allen Kategorien wir brauchen.

Schließen Sie damit nicht die B- oder C- bzw. Nischenmarken aus?

Nein. Wir machen das eine, ohne das andere zu vernachlässigen. Regionale Marken und damit auch B- und C-Marken sind neben den Standards in einer Kategorie wichtig. Welche das sein werden, gibt uns der jeweilige Standort bzw. das Umfeld vor.

Wer entscheidet darüber?

Das ist eine gemeinschaftliche Entschei- dung. Einmal orientieren wir uns an Planogrammen, die sich im Markt bewährt haben. Der Anstoß kann und darf auch vom Partner ausgehen, der sich am besten an unseren Vertrieb wendet. Dieser sucht für regionale Produkte dann die optimalen Flächen in der Kategorie. Spannender ist doch die Frage, wie stark man sich auf die Fokusprodukte konzentriert.

Würden Sie dazu einen Partner bzw. einen Category Captain ins Boot holen?

Das wird die Zukunft zeigen. So weit sind wir noch nicht.


Total Tankstellen haben bei Tabakwaren einen Umsatzanteil von 65 Prozent. Werden Sie den nach Umsetzung der neuen Tabakprodukt-Richtlinie künftig halten können?

Schwieriges Thema. Zuerst muss der politische Rahmen definiert sein, und dann muss die Industrie Antworten darauf finden. Ich bin überzeugt, ihr wird etwas einfallen, wie die Richtlinie einvernehmlich umzusetzen ist. Die Unternehmen haben gute Ideen.

Sie setzen auf den Foodservice. Aber wie steht es um den SB-Bereich?

Den werden wir nicht vernachlässigen. Die Frage ist nur, was wollen wir auf der SB-Strecke machen, und wie funktioniert SB heute bei unseren Mitbewerbern, etwa den Filial-Ketten wie Backwerk, Back Factory oder auch dem LEH? Diese machen „grab and go“ gut und dazu noch relativ günstig. Aber das ist nicht unser Konzept, weil wir nicht nur Trockenbackwaren haben, sondern auch belegte und warme Snacks. Das klappt in SB nicht. Und dann gibt es den Bereich à la minute, in dem warme oder auch kalte Speisen vorbereitet und frisch serviert werden. Insofern kann ich mir gut hybride Systeme vorstellen. Ein reines SB-Konzept an Standorten zu etablieren, wo es keine unmittelbaren Wettbewerber gibt: Einfach mal testen. Ein großer Wettbewerber will Mitte des Jahres den SB-Test mit einer großen Handelsorganisation abschließen. Ich bin gespannt, ob sie dann in den Rollout gehen.

Was versprechen Sie sich von der Kategorie E-Loading?

Das ist ein Riesenthema und längst aus der Nische raus. Mit E-Loading haben wir 2013 mehrere 100 Prozent plus gemacht. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass aus E-Loading in fünf Jahren Downloading wird. Und das funktioniert anders. Die Karte ist künftig nur Mittel zum Zweck. Derzeit haben wir ein Regalbord, wo wir nahezu alles anbieten, von Prepaid-, über digitale Musikdienste bis hin zu Gutscheinkarten. Morgen werden die dort zur Visualisierung noch hängen, aber langfristig wird das kippen. Dann sind Downloads über Icon und QR-Code angesagt. Vorübergehend werden wir aber zweigleisig unterwegs sein: E-Loading mit Aufladung an einem Terminal wird mehr und mehr durch Downloads mit einem Code ersetzt. Der Geschenkgutschein wird aber sicher in der jetzigen Form noch lange exisiteren.

Wann kommt bei Ihnen die elektronische Geldbörse?

Schon sehr bald. Ab Mitte des Jahres kann in vielen Total Tankstellen mit dem Smartphone bezahlt werden. Grundlage ist ein Kooperationsvertrag mit Yapital. Das eGeld-Institut und wir sind gegenwärtig dabei, diese Funktion in unsere neue Total-App zu integrieren.

Wie relevant ist diese Zahlungsart für einen Tankstellen-Betreiber?

Mobiles Bezahlen ist heute nichts Besonderes mehr. Wir wollen damit dem Markt zeigen, dass wir das Thema Digitalisierung nicht verschlafen. Natürlich wird es irgendwann mal eine Bezahlfunktion geben bzw. geben müssen, die sich über alle setzt und das Processing übernimmt, das dann auch Yapital erlaubt. Es laufen bereits Tests an 20 Objekten, diese Möglichkeit an der Waschanlage anzubringen.


Bonjour: Der Name der Tankstellen-Shops verrät die französischen Wurzeln von Total Deutschland. Seit 2011 werden alle Neubauten und Übernahmen nach dem Design-Konzept T-Air (eine Kunstname aus dem französischen Wort für Erde „Terre“ und Luft „Air“) ausgerichtet. Das Côté Sud-Konzept wurde vor mehr als zehn Jahren aus Frankreich adaptiert und steht für das mediterrane Flair der Shops sowie für die Optimierung von Strukturen und Sortimenten. Happy Sud ist die aktuelle Weiterentwicklung zu helleren und moderneren Farbgebungen. Senkrechte, farbige Streifen sollen das Gesamtbild des Shops auflockern, Kassenzonen und Bistro-Tische leuchten in einem Sonnengelb. Dank seiner modularen Bauweise ist Happy Sud der Verkaufsfläche anzupassen, und die Schwerpunkt-Kategorien können in den Fokus gerückt werden. Café Bonjour steht für die frischeorientierten Backshops bei Total.

Facts >>> Erst seit 2003 steht die Kugel in drei Farben für TOTAL Tankstellen. Sie symbolisiert die Rückkehr zur alleinigen Marke Total, denn der französische Mutterkonzern war 2000 aus der Fusion von Total, Petrofina sowie Elf Aquitaine hervorgegangen. Die Farben des Logos spiegeln die fusionierten Unternehmen wieder. Sitz der Deutschland-Zentrale ist der so genannte Tour Total in Berlin im neuen Stadtquartier am Hauptbahnhof, ganz in der nähe des Regierungsviertels. Von dort aus wird das viertgrößte Tankstellennetz in Deutschland auf weiteres Wachstum getrimmt. Der Marktanteil stieg von 2012 auf 2013 um einen Prozentpunkt auf 8,3 Prozent, Ziel ist es, in drei Jahren die 10 Prozent-Marke zu erreichen. Vor allem in Bayern will der Mineralölkonzern weiße Flächen schließen.