Tabakindustrie Immer im Umbruch

Am Tabak scheiden sich die Geister, und auch auf politischer Ebene sorgt das Thema für Zündstoff. Die Interessen des Gesundheitsministeriums und die des Wirtschaftsministeriums driften weit auseinander.

Mittwoch, 13. November 2013 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Immer im Umbruch

 

Im Zuge all der Diskussionen um Beschränkungen und Regulierungen rund um den Tabakverkauf, haben die Hersteller in den vergangenen 18 Jahren viel getan, Regulierungen und Vorschriften marktkonform umzusetzen und dabei die Verbraucherbedürfnisse zu befriedigen. Nicht alle Aktivitäten stießen dabei auf Gegenliebe bei den Shop-Betreibern. Kern des Anstoßes waren oft die ausufernden Sortimente. Pro Sorte gibt es längst nicht mehr nur die Originalpackung, sondern durchaus drei verschiedene Größen, wobei die gesetzlich vorgeschriebene Mindestanzahl pro Packung seit 2009 auf 19 Stück festgeschrieben ist. Dazu gesellten sich immer mehr Neueinführungen der Volumentabake, Value for Money-Marken, also die günstigeren Zweitmarken, und aktuell die Ergänzungen um die Zusatzstofffreien. In der Folge sind die C-Store-Betreiber gefordert, die Tabakwaren-Präsentation den Sortimentsveränderungen anzupassen und bekommen dabei Unterstützung von der Industrie. Einen aktuellen Querschnitt dessen, was sich innerhalb dieser Warengruppe bewegt, liefert alljährlich die Inter-tabac, die Fachmesse für Tabakwaren und Rauchbedarf. Zentrales Thema dort waren in diesem Jahr wieder die Innovationen (siehe Kasten Seite 36 und 37). Auf dem Branchentreff sorgte vor allem auch die anstehende Abstimmung des EU-Parlaments zur Tabakprodukt-Richtlinie für Gesprächsstoff. Hersteller, Verbände und Interessenvertretungen bezogen noch einmal Position, bevor in Brüssel abgestimmt wurde. Nun stehen seit einem Monat die neuen Rahmenbedingungen fest. Sie müssen noch in nationales Recht umgesetzt werden, wofür eine Frist von zwei Jahren vorgesehen ist. Die wesentlichen Eckdaten sind:

  • An die Stelle der verbalen Warnhinweise müssen künftig 65 Prozent der Packungsflächen vorne und hinten mit Schockbildern und Warnhinweisen bedruckt werden. Der Entwurf der EU-Kommission sah sogar eine Fläche von 75 Prozent vor.
  • Auf das Verbot der Deskriptoren wie light und medium folgt nun das für besonders gefährlich eingestufte Substanzen bei den Zusatzstoffen. Unter anderem sollen Mentholzigaretten vom Markt genommen werden. Dem Vernehmen nach haben die Hersteller aber acht Jahre nach Inkrafttreten der Richtlinie dafür Zeit.
  • Innerhalb von drei Jahren sollen Aromastoffe wie Kakao, Vanille oder Kirsch nicht mehr beigemengt werden dürfen.
  • Mildernde Umstände auch für die Slimzigarette. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission sollten sie ganz verboten werden. Künftig müssen sie lediglich in einer anderen Aufmachung, dürfen also nicht mehr in der schmalen Verpackung, angeboten werden.
  • Außerdem ist eine Rückverfolgbarkeit geplant, deren Ausmaß für Hersteller und Händler bisher noch nicht absehbar ist. Die so genannte Track & Trace-Regelung ist insofern unpraktikabel, als die Industrie auf Lager produziert und zum Zeitpunkt der Herstellung noch nicht nachzuvollziehen ist, an welchen Einzelhändler ein bestimmtes Produkt geliefert wird. Aber genau diese Angaben sollen künftig auf der Ware sein - eine Herkulesaufgabe.

Zwar sind noch weitere Details zu klären, doch bis Mitte Dezember könnten sich EU-Kommission, -Rat und -Parlament auf die neue TPD geeinigt haben. Bekanntlich hatten Hersteller und ihre Betriebsräte, Handel, Verbände usw. schon im Vorfeld des EU-Beschlusses auf die Risiken der neuen Tabakrichtlinie hingewiesen. Drago Azinovic, Präsident der EU-Region von Philip Morris International Inc. (PMI), ergriff am Tag X, dem 8. Oktober, noch einmal das Wort: „Die heutige Abstimmung im Europäischen Parlament hat zu einer marginalen Verbesserung in einigen Bereichen geführt; es wurde aber weiterhin versäumt, die Ansichten von Millionen von EU-Bürgern, einschließlich unserer Mitarbeiter, Einzelhändler, Tabakanbauer und den erwachsenen Verbrauchern, zu berücksichtigen, die von den Regulierungsmaßnahmen betroffen sein werden. Es bleibt dabei, dass Mitglieder des Europäischen Parlamentes dafür gestimmt haben, ein ganzes Segment des legalen Marktes zu verbieten, obwohl dies zu einer unvermeidlichen Zunahme des illegalen Handels führen wird. Sie haben es versäumt, einen praktikablen Regulierungsrahmen für Produkte mit reduziertem Gesundheitsrisiko zu definieren, und setzen weiterhin auf übergroße grafische Warnhinweise und Packungsstandardisierung – obwohl die Risiken des Rauchens bereits allgemein bekannt sind – und ohne Rücksicht auf die Eigentumsrechte, die die EU-Charta schützt.“ Und auch den Markenverband ließ der Beschluss nicht kalt. Christian Köhler, Hauptgeschäftsführer des Markenverbandes meinte: „Mit seiner Entscheidung für drastische Kommunikationseinschränkungen von Marken und der Bevormundung von Verbrauchern folgt das EU-Parlament einem vermeintlichem EU-Zeitgeist. Aber die Bürger in Europa wollen Eigenverantwortung und Eigenentscheidung. Es wird Zeit, dass die EU und das Parlament dies respektieren.“ Aus Sicht des Markenverbandes sei Verbraucher- und Gesundheitsschutz ein wichtiges und gesamt-gesellschaftliches Ziel. Aber er warnt auch eindringlich vor einer unkontrollierten Ausweitung der Bevormundung des Verbrauchers.