Tabakwaren Ruhe vor dem Sturm

Am 9. September 2013 ist es soweit: Dann berät das Europäische Parlament über den jüngsten Entwurf zur Tabakproduktrichtlinie (TPD) und stimmt ab. Damit ist festgeschrieben, wie die EU in den kommenden zehn Jahren den Tabakbereich reguliert.

Donnerstag, 05. September 2013 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Ruhe vor dem Sturm

Was noch? fragt Philip Morris in seiner Online-Aktion gegen die Überregulierung durch die geplante Tabakprodukt-Richtlinie und flankiert damit die bisherigen Aktivitäten des Branchenbündnisses „Entscheiden Sie selbst“. Wer also noch Protest gegen Bevormundung und Produktverbote einlegen will, hat noch wenige Tage Zeit, denn am 9. September findet die entscheidende Sitzung des Europäischen Parlaments statt. Denn kommt die Richtlinie wie geplant, heißt das, in Zukunft prangen auf den Verpackungen übergroße Schockbilder, und ganze Produktgruppen, wie Menthol– und Slimzigaretten, werden komplett verboten.

Im Rahmen der Philip Morris-Initiative haben auch Verbraucher die Möglichkeit, sich zu informieren und ihre Haltung deutschen Europaabgeordneten mitzuteilen. Immerhin wurden u.a. mit solchen Aktionen bereits Teilsiege errungen: Nach dem EU-Ministerrat hat auch der Umwelt- und Gesundheitsausschuss des Europaparlaments im Juli 2013 ein Verbot von rauchlosem Tabak abgelehnt. Damit wird wohl der Schnupftabak wie Pfeifentabak und Zigarren/Zigarillos behandelt werden. Das lässt Patrick Engels, geschäftsführender Gesellschafter Pöschl Tabak und Marktführer der Schnupftabake, zwar aufatmen. Jedoch dürfen auf Packung sowie im Markennamen keine Hinweise auf die Geschmacksrichtung wie Kirsch, Aprikose usw. mehr verwendet werden. Das wäre ein Verbot durch die Hintertür, denn wie soll man die Artikel unterscheiden können?

Valide Vorschriften für Handel und Hersteller gibt es noch nicht. Convenience Shop fragte bei Verbänden, Händlern und Institutionen nach, wie sie sich auf die neue TPD vorbereiten. Viele tappen noch im Dunklen. So hat der Bundesverband des Tabakwaren-Einzelhandels (BTWE) noch keine Antworten auf Fragen zur Zukunft des Handels. Konkret äußerte sich dagegen Carsten Zenner, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Tabakwarengroßhändler und Automatenaufsteller e.V. (BDTA). Für seine Mitglieder sei die Umsetzung belastend und stelle die Wirtschaftlichkeit der Automaten in Frage, vor allem, nachdem der Handel erst vor wenigen Jahren in dreistelliger Millionenhöhe in das Altersverifikationssystem investiert habe. Ein Aus sieht Zenner derzeit aber nicht. Im Wettbewerb zu anderen Vertriebskanälen habe sich nicht die Position der Automaten gestärkt, es gebe auch keine sicherere Abgabe für Tabakwaren, da alle Vorgaben nach dem Jugendschutzgesetz eingehalten werden.

Mit Spannung erwartet Aral die EU-Entscheidung: Die Bochumer geben zu: „Der Verkauf von Tabakwaren birgt immer wieder Überraschungen.“ Mit 54 Prozent Umsatzanteil am Shop-Geschäft sind sie die mit Abstand größte Warengruppe, an die nicht annähernd die Anteile des Foodservices und der Erfrischungsgetränke mit jeweils 12 Prozent ran kommen. „Tabakwaren werden aber für uns immer wichtiger“, sagt der Leiter Tankstellen- und Shopgeschäft, Rainer Kraus. Man habe sogar an 600 Tankstellen Regalböden ausgeweitet.


So werden auch die Ladenbauer künftig vor neuen Herausforderungen stehen. POS Tuning, der Lieferant für Vorschubsysteme, geht zwar davon aus, dass die Shops erst einmal gleich bleiben werden. Doch sollten einheitliche Verpackungsformate Pflicht werden, dann müssten Shops umgebaut werden, sagt Geschäftsführer und Vertriebsleiter Christoph Moser. Neue Orientierungssysteme würden benötigt, um die fehlenden Informationen auf der Verpackung zu kompensieren. Auch wenn ein generelles Präsentationsverbot wie in England für Deutschland vorerst nicht geplant sei, werden sich heute viele Shopbetreiber schon mit den Gedanken eines „Dark Markets“ auseinandersetzen und die Sortimente umplatzieren müssen.

Darüber hätten die geplanten Schockbilder massiven Einfluß auf den Erstkontakt des Shoppers beim Betreten des Ladens. Außerdem würde die heutige Platzierung nach Category Management-Grundsätzen deutlich schwieriger, da die Identifikation der Marke erschwert ist. In vielen Ländern, in die POS Tuning seine Systeme liefert, sind großflächige Schockbilder schon Standard. Durch geschickte Anordnung der Packs ergeben sich aber Möglichkeiten, das Gesamtbild attraktiver erscheinen zu lassen und die Orientierung für Kunden und Betreiber zu verbessern. Die deutlich eingeschränkte Markenkommunikation ist natürlich auch für POS Tuning dann eine Herausforderung. Hierbei spielt letztendlich auch eine gelernte Präsentation eine Rolle: Wenn eine Marke heute aus dem Gesamtangebot durch eine spezielle Präsentation hervorsticht (disruption) hat der Shopper dies gelernt und wird bei Beibehaltung dieser Präsentation die gleiche Marke schnell identifizieren, auch wenn das Label schlechter zu erkennen ist.

Den Worst-Case vor Augen hält sich der Handel mit Strategien und Maßnahmen noch bedeckt. Nicht selten wurde im Rahmen der Convenience Shop-Umfrage auf die Industrie verwiesen. Für sie steht aktuell die weltweit größte Fachmesse für Tabakwaren und Raucherbedarf, die Inter-tabac, im Fokus. Vom 20. bis 22. September trifft sich die Branche wieder in dem Dortmunder Westfalenhallen. Mehr als 380 Aussteller aus rund 45 Ländern präsentieren dann in vier Messehallen Trends und innovative Produkte rund um Tabakwaren und Raucherbedarf. Die Highlights stellt Ihnen Convenience Shop in der nächsten Ausgabe vor.

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