E-Zigarette Raucher werden Dampfer

Sie stand und steht im Kreuzfeuer der Kritik und trotzdem tritt die E-Zigarette ihren Siegeszug an. Ob sie nur ein Hype oder wirklich ein erstzunehmendes Konkurrenzprodukt zum Klassiker ist, sollte für Shop-Betreiber keine primäre Rolle spielen. Verbraucher haben auf jeden Fall Informationsbedarf.

Mittwoch, 14. Mai 2014 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Raucher werden Dampfer

Ihre rauchige Stimme und ihr schnodderiger Ton sind ihr Markenzeichen: Im TV wurde die Film- und Theater-Schauspielerin Mechthild Großmann als die rauchende Staatsanwältin Wilhelmine Klemm bekannt. Im jüngsten Tatort musste sie sich allerdings dem strengen Rauchverbot in Nordrhein-Westfalen beugen. Kurzer Hand dampfte die TV-Staatsanwältin, die sich nicht nur als passionierte Raucherin im provinziellen Münster immer wieder Feinde macht, eine E-Zigarette. Sie machte es rund 2 Mio. Deutschen gleich, die zum batteriebetriebenen Metallröhrchen, in dem eine Nikotin-Flüssigkeit verdampft, greifen, um rauchen zu können, ohne anzuecken.

Während Regierungen noch heftig um Tabuzonen für klassischen Tabakgenuss diskutierten, hatte dieses Nischenprodukt schon das Interesse der Konsumenten auf sich gezogen. Dem Newcomer prophezeit man rosige Zeiten. Euromonitor International geht von Wachstumsraten aus, die sich im dreistelligen Bereich bewegen. 100 und mehr Prozent plus sind nicht auszuschließen. Allerdings von nahezu Null kommend, denn den weltweiten Umsatz mit E-Zigaretten prognostiziert das Statistik-Unternehmen für dieses Jahr mit 3,6 Mrd. Euro im Vergleich zum rund 436 Mrd. Euro schweren Tabakmarkt.

Dabei steht die E-Zigarette immer noch unter Beschuss, und im Mittelpunkt die Frage nach der Schädlichkeit. Sobald Nikotin im Spiel ist, ist es für die einen ein mit Risiken belastetes Produkt, das auf langfristig auftretende Nebenwirkungen noch nicht untersucht werden konnte. Sie befürchten auch, dass damit Jugendlichen der Schritt von der E-Zigarette, einem vermeintlich gesundheitlich unbedenklichen Produkt, zum klassischen Tabakkonsum und damit zur Abhängigkeit zu leicht gemacht werde.

Die Befürworter teilen diese Bedenken nicht: In der Elektro-Kippe verdampfe (man spricht nicht von Rauchen, sondern von verdampfen) eine nikotinhaltige Flüssigkeit, aber es werde kein Tabak verbrannt und kein Teer aufgenommen. Gesundheitsexperten bescheinigen ihr auf jeden Fall ein geringeres Risiko als den Tabakwaren, Alkoholika sowie fetthaltigen und zuckerhaltigen Lebensmitteln. Sie ist damit wahrscheinlich eine gesündere Alternative für alle, die es schwer haben, sich das Rauchen abzugewöhnen.

Fotos: Fotolia, iStockphoto, Christian Belz


Die steigende Beliebtheit ruft natürlich Kritiker auf den Plan. Sie wollen unter anderem auch den Markt, ähnlich wie die Tabakwaren, reguliert wissen. Das geht hin bis zu Verkaufsverboten und der Frage, ob E-Zigaretten unter das Nichtraucherschutzgesetz fallen, was die Gerichte nun zu klären haben. Noch bewegt sich die E-Zigarette in einer juristischen Grauzone. Etwas mehr Klarheit herrscht mittlerweile bei der Frage der Einstufung. Weil Nikotin im Spiel ist, könnten die Liquids, die dem Wasserdampf die Geschmacksnote verleihen, eine pharmakologische Substanz und damit apothekenpflichtig sein. Auch der Corpus selbst fällt in die Kategorie medizinischer Produkte, da er einem Inhaliergerät ähnlich ist. Entschieden ist mittlerweile, dass E-Zigaretten nicht automatisch unter das Arzneimittelrecht fallen, sondern als Tabakwaren gelten, da sie keine prophylaktische oder therapeutische Zweckbestimmung haben. Also wurde in der neuen Tabakproduktrichtlinie jetzt festg elegt, dass die Liquids nicht mehr als 20 mg/ml Nikotinkonzentrat enthalten dürfen. Was darüber hinausgeht, muss über Apotheken verkauft werden.

Aktuell macht die starke Nachfrage die Metallröhrchen so populär. Experten schätzen, dass im Schnitt aus jedem zehnten Raucher ein Dampfer werden könnte. Bei aller Euphorie für die E-Zigarette, werden die passionierten Raucher aber nicht schlagartig umschwenken, so die Erfahrung von Fachhändlern. Viele Raucher nutzten die Verdampfer zum Entwöhnen, andere wiederum, weil sie keine Rauchbelästigungen verursachen wollen. Branchenkenner glauben allerdings, dass die anfänglichen Probierkäufe den Boom ausgelöst haben. Der Verkauf der Verdampfer gehe zurück. Die gute Nachfrage bei den Liquids werde von jenen ausgelöst, die bei der Elektronischen geblieben und nicht zur Originären zurückgekehrt sind.

Händler und Hersteller stehen aktuell vor der Frage, ob die E-Zigarette ihren Siegeszug weiter fortsetzen wird, oder ob sie nur in Mode ist und in wenigen Jahren wieder vom Markt verschwindet. Befürchtungen, dass sie das Kerngeschäft belasten könnte, sind nachvollziehbar. Aber es gibt Entwarnung jener Händlern, die bereits E-Zigaretten im Angebot haben. Sie fahren zweigleisig, auch wenn ein Drittel dieser Produkte online gekauft wird. Ihnen kommt zugute, dass es sich um ein erklärungsbedürftiges Produkt handelt, bei dem Beratung gefordert ist. Lekkerland jedenfalls beabsichtigt, ab Mai mit der E-Zigarette zu starten. Der Fachgroßhändler hat sich in jenen Ländern umgeschaut, wo die E-Zigarette gut verkauft wird, und keine Kannibalisierungseffekt, aber gute Wachstumschancen festgestellt.

Zudem sollen die Margen im Vergleich zu den originären Tabakwaren recht lukrativ sein, manche sprechen von 20 bis 30 Prozent. Das könnte sich aber schnell relativieren, nämlich spätestens dann, wenn der Fiskus nach neuen Finanzquellen sucht und bei den E-Zigaretten nicht halt macht. Derzeit unterliegt sie nur dem üblichen Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent.

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Auch namhafte Tabakwarenkonzerne springen auf den Zug auf bzw. beschäftigen sich mit dem Thema. Das sind zum Beispiel der Reemtsma-Mutterkonzern Imperial Tobacco, Japan Tobacco International (JTI), Philip Morris, British American Tobacco (BAT) und Heinz von Landywyck, die dieses Jahr den Startschuss geben wollen. Deutschland haben sie als Absatzland allerdings noch nicht im Fokus. Sie nehmen erst einmal das Ausland ins Visier.

Möglicher Wermutstropfen bei aller Euphorie: Die Regulierungsbestrebungen werden vor der E-Zigarette nicht halt machen. Raucher werden dann der Illusion beraubt, im weitreichenden Rauchverbot eine Zigarette genießen zu können. Manche Beobachter sehen das gelassen. Wird die E-Zigarette den klassischen Tabakwaren gleichgestellt, gebe es keine Irritationen, und die TV-Staatsanwältin Wilhelmine Klemm würde mit ihrer Leidenschaft in Münster nicht mehr anecken.

Facts

Die E-Zigarette ist ein elektronisches Produkt und bedarf einiger Erklärungen:

  • Im Wesentlichen besteht sie aus drei Teilen: einem Mundstück mit Liquid-Depot, einem Verdampfer und einem Mini-Akku. Zieht man am Mundstück, wird Wärme erzeugt und die Flüssigkeit im Depot verdampft.
  • Es gibt die nachfüllbare E-Zigarette sowie das Einwegprodukt.
  • Die Liquids sind so zusagen die Geschmacksträger, ihnen werden Nikotin und/oder Aromen wie Menthol und Vanille zugesetzt.
  • Ein Preisvergleich zu herkömmlichen Zigaretten ist schwierig. Die Refill-Zigarette kostet je nach Modell und Hersteller zwischen 50 und 120 Euro. Bei dauerhaftem Gebrauch kommen die Kosten für den Akku dazu. In der Summe soll das Mehrweg-Cap-System laut Lekkerland aber wesentlich günstiger sein. Es ergebe sich ein ungefährer Einzelzigarettenpreis von 10 Cent gegenüber 30 Cent bei einer normalen Tabakzigarette.
  • Für ein Einwegmodell sind zwischen 10 und 20 Euro anzusetzen. Es soll etwa bis zu einem Drittel günstiger sein, als die gleiche Menge klassischer Zigaretten.
  • Liquids werden ungefähr für 7 Euro angeboten.
  • Zum Verbrauch gibt es unterschiedliche Angaben. Ein Depot entspricht etwa dem Verbrauch von fünf bis sieben Schachteln Zigaretten, beim Einwegmodell sind es zwei Packungen.

Fotos: Fotolia, iStockphoto, Christian Belz

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Bild öffnen Immer mehr Deutsche greifen zur E-Zigarette.
Bild öffnen Liquids geben dem Dampf Geschmack.
Bild öffnen Raucher nutzen die elektronischen Verdampfer zum Entwöhnen.
Bild öffnen Das Einwegprodukt nutzen viele Rauchern als Einstiegsmodell zum E-Dampfen.