Süßwaren Vorbereitung auf das „neue Normal“

Die Corona-Krise hat auch die Süßwarenanbieter getroffen. Nach massiven Maßnahmen im Rahmen des Krisenmanagements richtet sich die Branche jetzt
auf das „New Normal“ aus. Auch wenn vieles anders sein wird als bisher, so sieht man doch auch neue Chancen.

Donnerstag, 30. Juli 2020 - Süßwaren & Salzige Snacks
Bruno Reiferscheid
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„Wir haben in diesen extremen Zeiten von den kurzen Entscheidungswegen und dem Pragmatismus eines Familienunternehmens profitiert. Innerhalb von 48 Stunden haben wir zum Beispiel organisiert, dass 70 Prozent unserer Verwaltungsmitarbeitenden von zu Hause arbeiten konnten“, erinnert sich Andreas Patz, Geschäftsführer Vertrieb und Strategie DACH bei Haribo, mit Sitz in Grafschaft bei Bonn, an den Corona-Ausbruch im vergangenen März. Schnell waren neue Kommunikationswege beschritten . Warenströme blieben in dieser Zeit „verhältnismäßig unbeeinflusst“, und die Lieferfähigkeit war garantiert. Allerdings benötigt der Güterverkehr laut Unternehmen für die Versorgung über Grenzen hinweg seitdem etwas mehr Zeit als üblich.

Für global agierende Unternehmen wie Mars Wrigley kommt noch erschwerend hinzu, dass sich die Pandemie in verschiedenen Ländern zeitweilig in unterschiedlichen Phasen befindet. „Um die Produktion in unseren Fabriken sicherzustellen, haben wir die ohnehin hohen Sicherheitsstandards weitererhöht und gleichzeitig unsere Kapazitäten maximiert. Wir haben zudem einige Produkt-Launches verschoben, um den Fokus auf die Produktion unserer Kernprodukte zu legen und Lieferungen für Partner sicherzustellen“, so Gunnar Frettlöhr, Director Sales Mars Wrigley Deutschland. „Seit Mitte Mai ist unser Außendienst wieder bei unseren Kunden unterwegs.“

Urlaub und Freizeitabbau
Bei Nestlé in Frankfurt am Main konnte die Produktion an allen Werksstandorten aufrechterhalten werden. Man habe den Mitarbeitern verstärkt die Möglichkeit des externen Arbeitens angeboten. Schichten konnten getauscht und Arbeitszeiten verlegt werden, erklärt Ulf Pittner, verantwortlich für den Vertrieb im Süßwarensegment bei Nestlé Deutschland.

Ähnliches Bild bei Manner in Wien: Über 150 Mitarbeiter arbeiteten von einem Tag auf den anderen von zu Hause. Die größte Herausforderung lag und liegt bei der Entkopplung der Schichten, um bei einem positiven Coronafall innerhalb der Belegschaft nicht die gesamte Produktion schließen zu müssen, erklärt Alfred Schrott, Vorstand für Marketing und Vertrieb bei Manner. Das Unternehmen mit Einzelhandelsaktivitäten erlitt aufgrund der zeitweisen Schließung der Manner-Shops einen Umsatzeinbruch, der über andere Kanäle nicht abgefedert werden konnte.

Zu den Ursachen für Umsatzrückgänge in den Convenience-Formaten des Handels gehören aktuell immer noch die Corona-bedingten Kontaktbeschränkungen und der Einfluss der Pandemie auf die Mobilität via Auto, Bahn und Flugzeug. „Gebäckmischungen für Konferenzen, Impulspackungen für Snack-Automaten, Tankstellen und Kioske oder Dessertpackungen für Hotellerie und Gastronomie sowie Einzelpackungen für den Bahn- und Luftverkehr wurden in den zurückliegenden Wochen und Monaten in geringeren Mengen nachgefragt“, so die Bilanz von Klaus A. Häusler, Leitung Key Account Management bei Bahlsen in Hannover.
Ähnlich die Beobachtung bei Manner: In der Virus-Krise entfalle vielfach der Impulskauf bei den süßen Convenience-Produkten. Der Konsument kaufe gerade in diesem Bereich überlegter, geplanter und nach Möglichkeit alle Produkte, die auf seinem Einkaufszettel stehen, in nur einem Geschäft. Andererseits: „Was wir bereits sehen, ist ein Zuwachs bei Online-Bestellungen. Bislang hat sich der Umsatz im Manner-Onlineshop um rund40 Prozent erhöht“, so Manner-Manager Alfred Schrott. Grundsätzlich zeigt man sich beim österreichischen Waffelhersteller optimistisch. Denn: Konsumenten wollen sich trotz oder gerade wegen der etwas freudlosen Zeit auch zu Hause kleine Glücksmomente gönnen.

Dagegen gibt es die Spekulation beim Schoko-Lieferanten Ritter, dass dabei Kioske „ums Eck“ und andere Nahversorger Gewinner der Krise werden könnten. „Viele Menschen bündeln aktuell ihre wöchentlichen Einkäufe.

Die Konsumenten sind weniger unterwegs und ihr Kaufverhalten ist aktuell ein anderes. Es wird im Supermarkt gezielt eingekauft“, kommentiert Haribo-Sprecher Andreas Patz. Davon würden besonders die Klassiker unter den Süßwarenprodukten profitieren, so dass trotz oder gerade wegen der Corona-Lage die Perspektiven nicht schlecht sind. „Denn die Konsumenten kaufen in solch herausfordernden Zeiten neben den Grundnahrungsmitteln auch gerne etwas zum Naschen ein.“

Veränderte Perspektiven
Klar ist dabei, dass die durch die Corona-Krise verursachten Veränderungen im Einkaufs- und Alltagsverhalten auch Einflüsse bis auf Produktkategorie-Ebene haben. Beispiele: Kaugummis. Bei Mars Wrigley erlebt man hier aktuell ein verhaltenes bis zurückgehendes Kaufverhalten. „Durch Restriktionen und Homeoffice verbringen die Menschen die überwiegende Zeit zu Hause. Damit wird zum Beispiel Kaugummi weniger als schnelle Erfrischung On-the-go oder während des Autofahrens gekauft“, erklärte Mars Wrigley-Manager Gunnar Frettlöhr. Stattdessen sei Kaugummi eine Snacking-Alternative bei den digitalen Zeiten im Homeoffice oder beim Online Gaming. Zudem kann Kaugummi dazu beitragen, dass der Mundraum nicht austrocknet – beim Tragen von Mund- und Nasenmasken.

Doch die Branche denkt bereits an „die Zeit danach“, in der wohl manches nicht mehr so sein wird, wie zuvor, aber sich auch neue Perspektiven zeigen. Viele Unternehmen arbeiten an ihren Strategien. „Wir haben eine interne abteilungsübergreifende Taskforce gebildet, die sich mit den Auswirkungen, aber auch mit den Chancen der Krise beschäftigt“, heißt es etwa bei Mars Wrigley. Man werde das Portfolio entsprechend der veränderten Konsumbedürfnisse aufbauen und die Kategorie wieder zum Wachsen bringen. „Zudem beschäftigen wir uns intensiv mit der Weiterentwicklung der Kassenzone und sehen zum Beispiel Self-Scan-Kassen als Trend, der nicht nur Social Distancing erleichtert, sondern auch Wartezeiten sowie das Anfassen von Band oder Trennern vermeidet.“

Momente für Genuss
Auch wenn sich der Alltag verändert habe, so hätten die Menschen nach wie vor die besonderen Momente für den Genuss im Blick. Sei es als kleine Belohnung oder Erfrischung zwischendurch, während der Pause beim Home-Schooling, beim Online Gaming, oder für den Familien Netflix-Nachmittag. Starke Marken mit guten Produkten würden zudem, trotz einer eventuell steigenden Preissensibilität der Verbraucher, weiterhin punkten können, so die Einschätzung bei Nestlé. „Wir gehen außerdem davon aus, dass der Konsum zu Hause steigen wird“, formuliert Ulf Pittner vom Nestlé-Vertrieb.

Das neue Normal
In Zeiten des anstehenden „New Normal“ würden auch eine ausgewogene Ernährung und nachhaltiges unternehmerisches Handeln der Hersteller aus Sicht der Konsumenten einen noch höheren Stellenwert einnehmen. Dabei gelte es zu berücksichtigen, dass die Verbraucher mit nachhaltigen Verpackungen bei Lebensmitteln den Aspekt der Sicherheit verbinden.

Das „neue Normal“ wird allerdings nicht so unbeschwert sein wie das Einkaufen vor Corona, prognostiziert man bei Ritter. „Die Menschen werden sich auch weiterhin gut überlegen, welcher Gang zum Supermarkt tatsächlich notwendig ist“, analysiert Malte Dammann, Geschäftsführer Vermarktung. Im Gegensatz zum klassischen Point of Sale bietet dieses Szenario allerdings anderen Vertriebskanälen die Chance, mehr in den Vordergrund zu rücken. Profiteure könnten der Online-Handel sowie lokale Lieferdienste sein.

Wichtiges Thema für Ritter: Der „Urlaub daheim“, den noch mehr Deutsche als sonst im Sommer 2020 im eigenen Land verbringen. Man wolle gezielt die damit verbundenen Distributions-Potenziale in den Feriengebieten nutzen. Zudem sei die Marke Ritter Sport ein „ikonisches Original“ im Markt.

Ein Stabilitätsfaktor inmitten der Krise ist zudem der Relax-Aspekt von Süßwaren. Denn Snacking, so Heike Hauerken, Unternehmenssprecherin Mondeléz International, gebe ein Stück Normalität zurück und ermögliche eine kleine Auszeit. Oder wie es Haribo-Experte Andreas Patz formuliert: „Genascht wird immer.“