Während sich die deutsche Convenience-Branche in den vergangenen Monaten fragte, wann der internationale Convenience Riese 7-Eleven seine Ankündigung wahr macht und nach Deutschland kommt, schafft das globale Spiel von Mergers & Acquisitions vielleicht bald eine ganz neue Ausgangslage: Der kanadische Konzern Alimentation Couche Tard (ACT) hat ein Übernahme-Angebot für den Mutterkonzern von 7-Eleven, Seven & I Holdings, abgegeben.
Alimentation Couche Tard (ACT) machte jüngst mit der Übernahme der Total-Tankstellen und der Einführung von Circle K-Shops in Deutschland, den Niederlanden und Österreich von sich Reden. ACT ist bisher in 31 Ländern aktiv. Nun hat der Konzern ein 29 Milliarden Dollar schweres Übernahme-Angebot für den Mutterkonzern von 7-Eleven, Seven & I Holdings, in Japan abgegeben. Damit könnte ein globaler Top-Handelskonzern entstehen, der seinen dann etwa 135 Milliarden Dollar Umsatz schwerpunktmäßig mit Convenience Stores in aller Welt macht.
Großes Aufsehen
Die Nachricht schlug in den weltweiten Handelsmedien hohe Wellen. Nachdem sich hier zu Lande viele Marktbeobachter durch die Übernahme der Total-Tankstellen durch den internationalen Convenience Händler ACT, erstmals mit dessen Aktivitäten auseinandergesetzt haben, könnte die Relevanz des Unternehmens mit dem angestrebten 7-Eleven-Deal ganz neue Dimensionen erreichen. Das gilt natürlich auch für das kanadische Unternehmen selbst, bei dem dann zu den bisherigen 17.000 Shops in 31 Ländern auch noch die etwa 85.000 C-Stores von 7-Eleven in 20 Ländern hinzu kämen. Die Absichtserklärung von 7-Eleven aus dem vergangenen Jahr, man wolle die Zahl der Shops bis zum Jahr 2030 auf weltweit 100.000 erhöhen – in diese Strategie sind wohl auch die Erklärungen in Sachen Markteintritt in Deutschland einzuordnen – könnte sich sozusagen auf einen Schlag erfüllen.
Nicht ganz überraschend
So völlig überraschend kommt die Entwicklung, dass ACT Interesse an der Seven & I-Holding hat, laut internationalen Fachleuten, dann wohl doch nicht. Denn bereits 2020 soll ein solches Übernahmeangebot bereits gemacht worden sein. Die Tatsache, dass Seven &I nach eigenen Angaben jetzt ein Komitee mit der Frage beschäftigt, ob diese ganz besondere Übernahme auch Vorteile für das Unternehmen bieten könnte, spiegelt sich in den internationalen Handelsmedien nieder. Es vermittelt vermeintlich den Eindruck, dass die Entscheidung für den Verkauf jetzt plausibler sein könnte. Schließlich waren frühere Angebote wohl von der Konzernleitung relativ schnell abschlägig beschieden worden. Doch das muss nicht so sein, sondern könnte auch mit der veränderten Rechtslage in Japan zu tun haben. So hatte das japanische Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) im August 2023 eine neue Richtlinie für Unternehmensübernahmen veröffentlich, die für faire Regeln bei Merger & Acquisition-Transaktionen sorgen soll. „Der Zweck der Leitlinien besteht darin, Grundsätze und bewährte Verfahren vorzustellen, die in der gesamten Wirtschaft geteilt werden sollten, um faire Regeln für M&A-Transaktionen zu entwickeln, wobei der Schwerpunkt darauf liegt, wie sich Parteien im Zusammenhang mit der Übernahme der Unternehmenskontrolle über ein börsennotiertes Unternehmen verhalten sollten“, sagte METI 2023 dazu. Diesen Ansprüchen muss die Seven &I Holding gerecht werden.
Druck auf Seven &I in Japan
Die Tatsache, dass ein solches Angebot jetzt interessanter sein könnte, wird von den Börsen-Analysten natürlich auch auf den jüngsten Börsencrash zurückgeführt. Darüber hinaus wurde aber in den vergangenen drei Jahren ebenfalls immer wieder darüber berichtet, dass es starken Druck von Seiten großer Anteilseigner auf die Konzernleitung gab, das Unternehmen zu restrukturieren. Und auch im eigentlichen Geschäft der Convenience Stores gab es offenbar Probleme. So sollen die C-Stores, die auch in Japan im Sortiment stark auf die bekannten Industriemarken setzen, beispielsweise unter den Druck von wachsenden Eigenmarken-Strategien anderer Handelsunternehmen gekommen sein. Auch bei Fertigmahlzeiten, mit denen die 7-Eleven Stores in Asien besonderen Erfolg hatten und die in der Vergangenheit wohl ein zentrales strategisches Instrument des Handelskonzerns bei der überaus erfolgreichen Expansion in Asien waren, gibt es inzwischen mehr Konkurrenz. Nicht nur in den C-Stores andere Unternehmen, sondern auch in Supermärkten sowie einer Vielzahl von Gastronomie-Ketten, werden die Meals inzwischen verstärkt und mit Erfolg angeboten.
Probleme mit Franchise-Nehmern
Hinzu kamen in den vergangenen Jahren auch immer wieder Probleme mit den Franchise-Nehmern. So berichtete im Jahr 2022 die New York Times über die so genannte „David-and-Goliath Kampagne“ des japanischen Franchise-Nehmers Mitoshi Matsumoto, der sich stellvertretend für tausende von Kollegen aus wirtschaftlichen Gründen geweigert hatte, seinen Shop weiterhin rund um die Uhr zu öffnen. Matsomuto unterlag zwar 2022 vor Gericht. Aber auch wenn dies nur ein scheinbar kleiner Akt der Rebellion gewesen sei, so berichtet die New York Times weiter, sei damit erstmals das Innenleben einer Branche enthüllt worden, die lange Zeit als Musterbeispiel für Effizienz gefeiert wurde. Dass dies wohl nicht ganz der Fall ist, hatte bereits zuvor ein 2020 veröffentlichter Bericht der japanischen Fair-Trade-Kommission über die Geschäftspraktiken der Branche aufgezeigt. Dieser warnte vor Machtmissbrauch der C-Store-Handelsunternehmen gegenüber ihren Franchisenehmer.
Solche Probleme bei 7-Eleven bleiben natürlich, unabhängig davon, wer der Besitzer ist, bestehen und zeigen noch einmal deutlich, dass das Übernahmeangebot in Richtung des Marktführers 7-Eleven durch ACT sicherlich als mutiger Schritt bezeichnet werden kann. Schließlich wird ACT ja eher nicht vorhaben, wie es bei vielen Capital-Investment-Unternehmen das Ziel ist, den Konzern zur zerstückeln und in Tranchen weiterzuverkaufen, sondern will die Stores vermutlich weltweit als erfolgreicher Convenience-Retailer weiterhin betreiben.
Auswirkungen auf Expansionspläne
Niemand kann derzeit wirklich sagen, welche Auswirkungen die Übernahme von Seven &I auf die Expansionspläne des Konzerns in Europa und Deutschland hätte. Natürlich hat ACT mit seinem jüngsten Engagement hier zu Lande ein klares Votum für das Geschäft in Mitteleuropa abgegeben. Ob allerdings die Fülle an Aufgaben, vor denen ACT im Falle einer Übernahme von 7-Eleven stünde, nicht im Gegenteil dafür sorgen könnte, dass die Expansion, beispielsweise in Europa, erst einmal in den Hintergrund gerückt würde, darüber lässt sich derzeit nur spekulieren. Aus Sicht der internationalen Analysten jedenfalls steht bei ACT die neue Positionierung in Asien strategisch im Vordergrund. Und ob 7-Eleven dann seine allgemeine Roadmap in Richtung 100.000 Stores im Jahr 2030 überhaupt weiter folgen würde, kann derzeit niemand mit Gewissheit sagen, weil das wohl unter den neuen Shareholdern neu entschieden werden müsste.
Herausforderung Nachhaltigkeit
Bleibt die im Rahmen dieser Nachhaltigkeits-Ausgabe von CS relevante Frage, ob der neue Convenience-Großkonzern auch in Sachen Nachhaltigkeit in der Lage wäre, die globale Convenience-Branche quasi anzuführen. Dass das zu erwarten ist, kann man daran ablesen, dass sich Seven &I bereits bis 2050 und ACT bis 2030 zu entsprechenden Maßnahmen verpflichtet haben.
So hat die Seven &I Holding im Rahmen ihres Sustainibility Data Book, erklärt, dass verschiedene Umweltprobleme und soziale Probleme für den Konzern in den Vordergrund gerückt seien. „Lösungen für diese Probleme sind dringend erforderlich“, betont das Unternehmen. Konkret soll es beispielsweise um die Reduzierung des ökologischen Fußabdrucks im gesamten Filialnetz und der gesamten Lieferkette gehen. „Wir stimmen überein, daran zu arbeiten, die gesunde globale Umwelt für künftige Generationen zu bewahren“, so das Versprechen.
Auch ACT hat in seinem Nachhaltigkeits-Report 2024 die wichtigsten Felder „mit besonders hoher gesellschaftlicher Wirkung in den Umweltauswirkungen unserer Geschäftstätigkeit“ dokumentiert. Konkret geht es dabei um die Bereiche Fuels, Energy, Verpackungen und Waste Management. Darüber hinaus stehen Arbeitsplatz- Sicherheit sowie Diversität und Inklusion im Fokus. Dazu kommen weitere Themen wie Trinkwasserschutz, Tierwohl und vieles mehr. Auf die künftigen Nachhaltigkeits-Berichte eines global agierenden Handelskonzerns mit Schwerpunkt in der Convenience-Branche darf man sicherlich gespannt sein.