Als treibende Kraft beim Thema Nachhaltigkeit sieht auch das global agierende Beratungsunternehmen Price Waterhouse und Coopers (PWC) die Verbraucher: „Vor allem aber sind es die Verbraucher, die den Wandel zur Nachhaltigkeit im Handel und der Konsumgüterindustrie vorantreiben.“ Auch beim Online-Shopping habe im Übrigen das Bewusstsein und Interesse der Verbraucher an Nachhaltigkeit und Fair Trade in den vergangenen fünf Jahren deutlich zugenommen. Für Konsumenten würden zudem die Auswirkungen des eigenen Konsums auf das Produktionsland immer transparenter.
Zu dieser Transparenz gehört natürlich, dass bei es den Tankstellen-Shops in der Öffentlichkeit, trotz aller ausführlichen Programme und Zielsetzungen der großen Konzerne, Zweifel an der Gradlinigkeit der nachhaltigen Entwicklung gibt. Beispiel dafür ist eine große Story im Manager Magazin mit der Überschrift „Profit statt Purpose – Big Oil übt die Rolle rückwärts“. Darin heißt es, die Ölindustrie gehe derzeit in Sachen Umwelt eher rückwärts. „Die US-Ölriesen Exxon und Chevron pumpen Milliarden Dollar in neue Ölförderprojekte, als hätte es die Klimakrise und den Aufbau nachhaltiger Energien nie gegeben“, schreibt das Manager Magazin und ergänzt, dass diese damit die europäische Konkurrenz um Shell, BP und Total unter Druck setzen, „ihre ohnehin bescheidenen Klimaschutzziele“ wieder einzudampfen. Während Shell-CEO Wael Sawan die Ölförderung 2023 wieder hochgefahren habe und 2024 rund 25 Milliarden Euro in die Öl- und Gasförderung investieren wolle, halte BP, zumindest offiziell, noch an dem Ziel fest, bis zum Jahr 2050 klimaneutral zu werden, beschreibt das Manager Magazin aus seiner Sicht die Entwicklung.
Investitionen in Umweltschutz
Ob sich eine negative Entwicklung, weg von den positiven Ziele, wirklich bestätigt, muss wohl abgewartet werden. BP selbst, mit Aral Marktführer in Deutschland, gab kürzlich bekannt, dass man beispielsweise seine weltweiten Investitionen in kohlenstoffärmere Convenience-Stores und Stromhandelsunternehmen von drei Prozent im Jahr 2019 auf 23 Prozent im Jahr 2023 erhöht habe. Darüber hinaus konzentriere das Unternehmen seine Strategie auf Wasserstoff, indem es
Investitionsentscheidungen für grüne Wasserstoffprojekte in seinen Raffinerien in Castellón, Spanien, und Lingen, Deutschland, treffe. Allerdings hat man auch grünes Licht für eine sechste Raffinerie im Golf von Mexiko, Kaskida, gegeben, um die Erschließung neuer Öl- und Gasvorkommen voranzutreiben.
Eine weitere vermeintliche umweltgerechtere Alternative beim Kraftstoff, über die derzeit viel gesprochen wird, ist HVO (Hydrotreated Vegetable Oils), ein Biokraftstoff aus Abfällen und alten Pflanzenölen. „Unser Pilotprojekt bestätigt uns darin, unser Kraftstoffportfolio in Richtung CO2-ärmerer Kraftstoffe weiterzuentwickeln. Die positive Resonanz zeigt die grundsätzliche Bereitschaft unserer Kundinnen und Kunden, das erweiterte Angebot zu nutzen. Die gewonnenen Erkenntnisse möchten wir nun in größerem Rahmen vertiefen. Damit wollen wir den nächsten wichtigen Schritt auf unserem Weg machen, zur Verkehrswende nicht nur mit dem Ausbau der Ladeinfrastruktur, sondern auch mit CO2-ärmeren Kraftstoffen beizutragen“, sagte Achim Bothe, Vorstandsvorsitzender der Aral AG, Anfang des Jahres zu den entsprechenden Aktivitäten seines Unternehmens.
Dass HVO100 inzwischen in Deutschland für den freien Verkauf zugelassen wurde, findet beispielsweise die Umweltorganisation Greenpeace gar nicht gut: „Das Verbrennen fossiler Rohstoffe im Verkehr muss enden“, sagt die Organisation rigoros. „Stattdessen auf so genannte Alternativen aus Rest- und Abfallstoffen zu setzen, sei eine ressourcenverschwendende Sackgasse. Daran werde auch der Hype um HVO100 nichts ändern. Die nachhaltig verfügbaren Rohstoffmengen seien äußerst begrenzt, abfall- und reststoffbasierte Kraftstoffe seien „höchstens eine Nischenlösung zum Ersatz fossiler Kraftstoffe“. Laut Angaben des Vereins eFuels Now gab es im Juli 2024 in Deutschland bereits 230 Stationen die HVO100 verkaufen und europaweit 3.950. HVP Blends, mit einem Anteil von bis zu 50 Prozent an den Kraftstoffen, verkaufen europaweit bereits 8.000 Stationen. Aber auch weltweit werden stark wachsende Zahlen von Stationen erwartet, die HVO100 anbieten.
Nachhaltigkeit ist gut für Convenience
Doch trotz der vielen Widersprüche ist man auch beim US Convenience-Verband NACS wohl der Auffassung, dass Aktivitäten in Sachen umweltgerechter Kraftstoffe, sich dennoch positiv auf das Convenience-Geschäft auswirken können. So ist es wohl auch zu erklären, dass man bereits 2023 das mittelständische deutsche Mineralölunternehmen Willer als Mitglied der eFuels GmbH zusammen mit dem eFuels Forum mit dem NACS European Convenience Retail Sustainibility Award auszeichnete.
Was bei Nachhaltigkeitsmaßnahmen für C-Stores insgesamt am wichtigsten ist, fasst das Nachhaltigkeits-„Playbook“ der NACS zusammen, das die drei Punkte Energieverbrauch, Wasserverbrauch und erneuerbare Energien als Arbeitsfelder nennt. Das Playbook fasst die Strategien für eigene Nachhaltigkeitsaktivitäten, die sich aber auch wirtschaftlich auszahlen sollen, in sechs Punkten zusammen:
- Untersuche, was in Deinem Geschäft bereits gemacht wird.
- Schau Dir an, was andere Unternehmen machen. Setze Prioritäten und Ziele.
- Messe den Fortschritt.
- Teile Deine Story mit Mitarbeitern und eventuell auch mit Kunden.
- Wiederhole den Prozess.
Im Shop selbst und bei den Produkten empfiehlt das Playbook auch, auf Verpackung, aber auch Herkunft und Qualität zu achten. Genutzt werden könnte auch die ständig steigende Zahl von Nachhaltigkeitsgeschichten der Hersteller. Dazu kommen Themen wie Plant Base etc. „Jedes Unternehmen befindet sich auf einer anderen Ebene seiner Nachhaltigkeitsreise, und wir ermutigen Einzelhändler, dieses Playbook als Leitfaden zu verwenden, um die für ihr Unternehmen heute relevantesten Bereiche voranzutreiben und zu überlegen, wie andere Bereiche ihr Unternehmen in Zukunft verändern könnten“, sagt die NACS.
Soziale Aspekte von Nachhaltigkeit
Dass Tankstellen und ihre Shops auch soziale Funktionen erfüllen, die zum Thema Nachhaltigkeit gehören, davon ist offensichtlich auch das renommierte Zukunftsinstitut überzeugt, das Ende 2023 unter der Überschrift „Die Tankstelle der Zukunft“ vier Szenarien entwickelte und schrieb: „Die Tankstelle wird zum erweiterten Straßenraum, in dem sich Vergangenheit und Zukunft – Verbrenner und innovative Antriebstechnologien – treffen. Trotz dieser leidvollen Symbiose werden Tankstellen 2.0 noch lange gebraucht. Der Übergang zur vollständigen Elektrifizierung wird eine lange Phase vielfältiger Antriebe sein.“ Investiert werde bei Tankstellen aber eben nicht nur ins Technische, sondern ins Soziale und Kulturelle, in das Ambiente, zeigte sich das Zukunftsinstitut überzeugt und sagte: „So entstehen Kulturräume, die die Stadt atmen lassen. Und darüber hinaus sollen Tankstellen mit ihre Shops „eine wichtige Funktion der Daseinsvorsorge, nicht nur in der Stadt, sondern auch auf dem Land“ übernehmen – und würden gerade deswegen gefördert und gebraucht. „Kiosk-Tankstellen lösen sich sehr schnell von ihrer Tradition und spezialisieren sich auf soziale und kommunikative Angebote. Gern darf hier auch noch getankt werden, aber wohl eher, um dem Pachtvertrag Genüge zu leisten, als damit Geschäfte zu machen. Mitten in der Stadt, wo Tanken keine große Rolle mehr spielt, fungieren Kioskbetreibende als Gemischtwarenhändler – und übernehmen damit eine wichtige soziale Funktion im Stadtteil“, konkretisierte das Zukunftsinstitut diesen Ansatz. Das so genannte „Tankstelle-goes-Kiosk-Konzept“ könne vieles sein: „Trinkhalle, Späti, Bistro oder Drive-in, ausgestattet mit Waschanlage oder Bankomat, möglicherweise auch mit Mietwagenangebot. Eine wichtige Rolle würden Post- und Kurierdienste spielen, der Kiosk werde zum Zwischen- und Abhollager für Pakete aller Art. So bleibe die soziale Funktion der Tankstelle erhalten, während Dieselfahrzeuge und Benziner hier noch immer ihren Kraftstoff fänden. „Kiosk-Tankstellen sind Orte und Anbieter, die bereits im Quartier verwurzelt und in ihrer Angebotsvielfalt einzigartig sind“, sagt das Zukunftsinstitut abschließend.