Convenience Shop: In der Pandemie haben viele Unternehmen ihre Positionierung kritisch hinterfragt. Sie auch?
Roger Vogt: Natürlich haben wir uns gefragt, ob es überhaupt noch richtig ist, sich auf Hochfrequenzlagen zu spezialisieren und vor allem auf den Außer-Haus-Konsum der Menschen zu setzen. Wir sind zu dem Ergebnis gelangt, dass das, was wir tun, auch künftig richtig ist. Wir sind überzeugt, dass dieses Geschäft zur alten Stärke zurückfinden und der Außer-Haus-Konsum attraktiv bleiben wird. Dabei ist uns aber nicht entgangen, dass sich durch die Pandemie ein gewisses Kundenverhalten deutlich schneller entwickelt hat.
CS: Sie meinen die Nutzung digitaler Techniken?
Roger Vogt: Ja, es geht vor allem um die Digitalisierung. Es hat einen Boost im Online-Shopping gegeben. Diesen hatten wir bereits antizipiert. Deshalb verfolgen wir jetzt unsere Digitalisierungsstrategie mit noch mehr Konsequenz. So haben wir unsere internen Kompetenzen während der Krise weiter ausgebaut und das Digital Team beträchtlich vergrößert.
CS: An welchen Stellschrauben haben Sie gedreht?
Roger Vogt: Unter anderem wollen wir das Einkaufen im stationären Handel flexibler gestalten. So stehen die Themen Self-Checkout und Automated Stores ganz oben auf der Agenda. Im Kern geht es darum, unseren Kunden, denen wir das ‚kleine Glück unterwegs‘ bringen wollen, noch mehr Convenience im Kundenerlebnis zu bieten und den Geschäftsbetrieb zu verbessern.
CS: Glauben Sie, dass Ihre Kunden dies erwarten?
Roger Vogt: Es gibt nach unseren Erkenntnissen ein klares Bedürfnis der Kunden nach mehr Autonomie beim Einkaufen. Wir begegnen diesem mit unserem kassenlosen Avec Box Konzept, in dem Zutritt, Einkauf und Bezahlung über die Avec App erfolgen. Kürzlich haben wir damit auch den Schritt nach Deutschland gemacht. In Ahrensburg bei Hamburg hat die Deutschen Bahn einen 24/7 Service Store eröffnet, zu dem wir die auf der Avec Box basierende Technologie geliefert haben. Andererseits testen wir in der Schweiz an zwei Standorten Hybrid Stores. Das heißt: In einem normalen Avec Convenience Store arbeitet den Tag hindurch Personal und in der Nacht wird auf autonomen Betrieb umgeschaltet. Darüber hinaus forcieren wir das herkömmliche Automatengeschäft. Wir wollen Automaten dort einsetzen, wo ein kompletter Hybrid-Shop keinen Sinn macht. In Deutschland wird im Rahmen der Digitalisierung künftig auch das Thema Loyalty eine große Rolle spielen, das wir in der Schweiz bereits erfolgreich umsetzen. Man kann durchaus sagen, dass wir in den vergangenen anderthalb Jahren ein Feuerwerk an digitalen Convenience-Lösungen gezündet haben, um hier sehr schnell viel zu lernen, zu verstehen und voranzukommen.
CS: Das Feuerwerk an Lösungen gibt es hier auch in den Shops. Haben Sie bei Ihren Aktivitäten in Deutschland komplett auf Offensive geschaltet?
Roger Vogt: Diese Entwicklung ist schon von längerer Hand geplant. Wir glauben, dass es in Deutschland für uns im Retail-Geschäft noch ein großes Potenzial gibt. Natürlich mussten wir uns nach dem Corona-Schock, wie alle anderen im Markt auch, erst einmal organisieren. Dann war uns aber sehr schnell klar, dass wir unsere besondere Stärke, und die liegt vor allem im Convenience-Geschäft, weiterhin spielen wollen.
CS: In Deutschland war Valora konzeptionell bisher zurückhaltender als in der Schweiz. Wie sind Ihre Planungen jetzt?
Roger Vogt: Alles, was wir in der Schweiz erfolgreich umsetzen, wollen wir auf unsere deutschen Geschäfte übertragen. Dazu gibt es einen Fahrplan. Mit dem 24/7 Service Store, den wir mit der Deutschen Bahn eröffnet haben, wurde die Grundlage für die nächsten Schritte gelegt. Weitere Konzepte in diese Richtung werden folgen. Das genaue Wann und Wo werden wir zum gegebenen Zeitpunkt zusammen mit unseren Partnern kommunizieren.
CS: Sie sind jetzt in Deutschland auch an Tankstellen aktiv. Wollen Sie sich dort dauerhaft engagieren?
Roger Vogt: Valora betreibt seit rund 20 Jahren in der Schweiz Tankstellen-Shops und zwar mit dem Convenience-Format Avec. Durch eine neue Zusammenarbeit werden wir ab Anfang 2022 in der Schweiz rund 100 Tankstellen-Shops in unserem Portfolio haben. Diese Kompetenz übertragen wir auch nach Deutschland. Hier sind wir im Retail-Bereich mit K Kiosk seit Dezember 2020 beziehungsweise seit April 2021 an zwei Tankstellen präsent, bei Oktan und Oil, wo wir viel ausprobieren. Wir sind hier Mieter und Betreiber der Shops und wickeln auch das Kraftstoff-Business als Agenturgeschäft ab.
CS: Was ist der Schwerpunkt bei K Kiosk und wie unterscheidet sich das Format von anderen Konzepten?
Roger Vogt: Grundsätzlich entsprechen Innenausstattung und Ladenlayout unserem Schweizer Format Avec. Markenauftritt und auch der Schalter stammen von unserem modernisierten K Kiosk Konzept. Das Angebot entspricht einem klassischen Tankstellen-Shop. Ebenso zahlt unser Kaffeekonzept, das wir bei K Kiosk sehr groß und kompetent spielen, auf die Frische ein. Die Marke K Kiosk haben wir gewählt, weil sie in Deutschland eine größere Marktdurchdringung hat als Avec.
CS: K Kiosk ist also die strategische Marke dafür?
Roger Vogt: Im Grundsatz ja. Wir sind aber auch bereit, einen anderen Weg zu gehen und das Geschäft mit dem Branding von Partnern zu betreiben. Das Entscheidende ist doch, dass wir die Kompetenz haben. Natürlich suchen wir in Deutschland weitere Partnerschaften, um im Tankstellen-Geschäft weiter Fuß zu fassen.
CS: Zusammen mit Ditsch und Back Werk ist es also ein modulares Gesamtkonzept?
Roger Vogt: Ja, die Valora Gruppe bietet mit ihren Retail- und Food-Service-Formaten ein breites Foodvenience-Angebot mit auf die jeweilige Verkaufsfläche zugeschnittenen Konzepten. Diese lassen sich auch kombinieren. Mit Back Werk beispielsweise planen wir mit so genannten Clip-ins. Im September geht in Hamburg ein brandneuer U-Store mit einem solchen Clip-in an den Start, der ein auf das Format zugeschnittenes Frische-Angebot hat.
CS: Werden Sie in Deutschland Aktivitäten in Innenstadtlagen forcieren, jenseits des Travel Retails?
Roger Vogt: In Deutschland ist die Valora Gruppe mit dem Food-Service-Format Back Werk schon stark in Innenstädten vertreten. Hingegen wollen wir mit unseren Retail-Formaten kein Quartierversorger sein. Dort haben die Kunden und Kundinnen ganz andere Ansprüche an das Sortiment und an das Pricing. Allerdings eröffnen wir in der Schweiz im Spätherbst eine neue Avec Box in der Nähe von Winterthur, die eine Art Nahversorgungs-Charakter haben kann. Dort werden wir sehen, wie das ankommt.