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Das im rustikalen Vintage-Look gehaltene Fries des Eet & Gereis im niederländischen Katwijk aan Zee wirkt zwischen dem sachlichen Auftritt eines Autohauses, einer Waschstraße und der Shell-Tankstelle etwas deplatziert. Auch im Shop-Innern stößt der Besucher auf die nächste Besonderheit, auf einen Hähnchen-Grill – das Herzstück. Freek van Beek hat dafür eine plausible Erklärung: „Einer intensive Standort-Analyse lieferte uns Erkenntnisse über umliegende Einkaufsquellen, Tankkunden sowie potenziellen Zielgruppen im Einzugsgebiet. Und dazu zählten sowohl Familien, wie Senioren und verschiedene ethnische Gruppen. Geflügel wird hier also von vielen Verbrauchern akzeptiert.“
Stetiger Wandel ist Bestandteil des Tests
Weil für den Director Einkauf & Category Management von Lekkerland Niederland der Konsument das Maß aller Dinge ist und ein länderspezifisches Verhalten auszumachen ist, wurde das im Frühjahr vorgestellte Frischwerk von Lekkerland Deutschland nicht 1:1 ins Nachbarland transferiert. Van Beek und sein Team haben eine niederländische Konzeptversion entwickelt, um zu testen, was Tankstellen-Shops noch attraktiver und relevanter für Konsumenten macht. An einer Eigentümer-Station, die von Shell die Kraftstoffe bezieht, ist das Konzept bereits umgesetzt. Der CM-Manager ist froh, einen Betreiber gefunden zu haben, der aus eigener Überzeugung eng mit dem Planungs- und Entwicklungsteam kooperiert. Denn es handelt sich um einen Lab-Store, in dem noch getestet wird.
Das Warenangebot, die Preise, das Design und die Promotions sowie die Kommunikation mit dem Verbraucher stehen unter ständiger Beobachtung. Die Verkaufszahlen zum Beispiel werden sogar bis auf die Stundenleistungen heruntergebrochen. „Wir drehen immer wieder an den Stellschrauben, mal in die eine, mal in die andere Richtung, um das Optimum herauszuholen.“ Ziel sei es, mit den gewonnenen Erkenntnissen künftig auch andere Kunden von Lekkerland zu unterstützen.. Darüber hinaus kommt auch den Shop-Mitarbeitern eine wichtige Schlüsselrolle zu. Sie verräumen nicht länger nur Getränke, sondern sind jetzt auch für die Zubereitung der Frischeprodukte bzw. den Foodservice verantwortlich. Der hat übrigens nur den Anfangsmonaten bereits um 600 Prozent zuleget.
Den Ausschlag für eine Neuentwicklung hat der Tankstellen-Markt in den Niederlanden gegeben. Von den dort 4.000 Stationen haben gerade einmal 2.000 einen Shop. Aber meist werde erst in die 250, die an Autobahnen liegen, investiert. In allen anderen stehe das Geschäft mit Riegeln, Getränken, Eis usw. unter Druck. Den Shop-Betreiber fehle einfach die Zeit und das Know-how zur Optimierung, glaubt van Beek. Darum habe Lekkerland Handlungsbedarf gesehen, vor allem vor dem Hintergrund, dass mit Kraftstoffen keine Steigerung mehr möglich sei. „Unser Ziel ist, weg vom Motorenöl hin zum Olivenöl“, schmunzelt van Beek.
Verkaufsschlager Grillhähnchen
Konzipiert wurde der Shop für die Kunden, die To-go-Produkte suchen, eine Rast einlegen und jene, die sich Ware mit nach Hause nehmen wollen. Da seien Grill-Hähnchen für alle Belange ein interessantes Produkte. Sie werden auch als Mealdeal mit Kartoffel, Gemüse und Salat angeboten und hätten sich trotz aller Skepsis der Branche innerhalb der ersten viereinhalb Monate zu einem Verkaufsschlager entwickelt.
Im Eet & Gerei (übersetzt: Essen & andere Sachen) stoßen zwei Welten aufeinander. Da ist einerseits das geordnete Foodservice- und klassische Impulsangebot, wo die gleiche Übersichtlichkeit herrscht, wie in anderen Shops auch. Andererseits fällt davor die „Unordnung“ auf den drei Verkaufsinseln auf. Van Beek spricht vom organisierten Chaos. „Das haben wir bewusst gewählt, um jene Kunden, die Zeit haben, zum Stöbern und Suchen zu ermuntern.“ Zu finden sind auf den stufenartigen Aufbauten verschiedenste Arten Süßigkeiten, Getränke, salzige Knabberartikel usw. Einige sind in Weidenkörben präsentiert, andere in Holzkisten wiederum andere in riesigen Bonbongläsern oder genieteten Schubkästen. Motorenöl, Putzmittel und anderes Autozubehör hat unter einem Holztisch mit Süßigkeiten und Utensilien für den Kaffee Platz gefunden.
Weniger ist mehr
Mutig gingen die Planer auch die Impulsartikel an. Nicht vor, sondern neben der Kasse packten sie in zwei Wandregale unten die gekühlten Getränke und oben die Riegel, Kaugummis und Co. Für diese A-Sortimente herrscht strenge Ordnung. In beiden Warengruppen wurde die Artikelzahl reduziert, mit unterschiedlichem Erfolg. Bei den Getränken stieg der Umsatz ein wenig, bei den Süßwaren ging er marginal zurück, der Stücknutzen aber erhöhte sich.
Zwei Vorgaben sind in niederländischen Shops zu berücksichtigen: Grundsätzlich ist es verboten, alkoholische Getränke zu führen. Stattdessen verkauft der Eet & Gerei erfolgreich alkoholfreie Weine und Biere. Und bei den Tabakwaren lautet die Vorschrift, dass sie nach 21 Uhr nur noch hinter einer Glasscheibe angeboten werden dürfen. Da sie aber an diesem Standort mit 65 Prozent Umsatzanteil immer schon die größte Warengruppe war, ist auch nicht zu erwarten, dass sich die (ehemals) letzte Verkaufsstunde noch rechnet. Entsprechend wurden unter anderem die Öffnungszeiten angepasst. Mehr zur Tabakwaren-präsentation Seite 26.
Van Beek hat sich auch des Themas Promotion angenommen. Zum Beispiel hatte man mit einer Broschüre die Anwohner auf Eet & Gerei vorbereitet bzw. eingestimmt. In Kürze wird der Kunde die Ware auch über die Web-Seite vorbestellen können, etwa das Hähnchen zum Abendbrot oder ein besonderes Sandwich. Van Beek schließt sogar eine Zustellung in Zukunft nicht aus, nicht nur in Haushalte, sondern auch in Büros etc.
Eine Besonderheit, die es Wert ist kommuniziert zu werden, sind die Geschenkartikel, die es in der Form in einem klassischen Shop nicht gibt. Das sind etwa Holzbrettchen, Geschirr, Tee-/ Kaffee-Präsentboxen, Kochbücher oder kleines Spielzeug. Ein Experiment, und sicherlich ein mutiges, weil niemand solche Geschenke in einem Tankstellen-Shop erwartet.
Im Gegensatz dazu, ist die Zahl der Zeitungen-/Zeitschriften-Auswahl verschwindend gering. Nur regionalen Presseerzeugnissen wurde Platz eingeräumt. Und auch ein Nahversorger-Angebot ist in Katwijk mit verschiedenen Supermärkten in der Nähe nicht nötig. „Das hängt natürlich vom Standort ab. Vielleicht sollten wir es in unserem nächsten Lab-Store einfach einmal ausprobieren.“
Eet & Gerei kennt keine Standards. Der Lab-Store ist derzeit zu allen Seiten hin offen. „Hinter jeder Warengruppe steckt eine eigene Philosophie. Und wir beobachten jede Produktkategorie“, erklärt Freek van Beek. Dabei werden erfolgreiche und weniger erfolgreiche Artikel herausgefiltert und analysiert. „Das ist die Voraussetzung für ein profitables Geschäft und erfordert Durchhaltevermögen. „Die Ergebnisse der ersten Monate seien vielversprechend. Auch das positive Feedback der Konsumenten bestätige den ungewöhnlichen Konzept-Ansatz.