Aral & Rewe Der Deal

Es ist die Top-Meldung der vergangenen Wochen: Die Mineralölgesellschaft Aral wird an bis zu 1.000 Tankstellen zusammen mit der Rewe das To go-Konzept umsetzen.

Donnerstag, 31. März 2016 - Tankstelle
Hans-Jürgen Krone
Artikelbild Der Deal
Bildquelle: Carsten Hoppen, Shutterstock, Stefan Mugrauer, Aral

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Nun ist es also soweit: Nach monatelangem Rätselraten über eine intensive Kooperation zwischen Aral und Rewe verkündeten die Partner Anfang März, dass das Konzept Rewe to go künftig an den etwa 1.000 unternehmenseigenen Shops der Aral umgesetzt werden soll. Knapp zwei Jahre nach dem Beginn der Testphase an zehn Aral-Stationen unterzeichneten der Tankstellen-Marktführer und Rewe, einer der führenden Lebensmitteleinzelhändler, jetzt einen langfristig angelegten Kooperationsvertrag. Im Zentrum der Vereinbarung stehe die Einführung des innovativen Convenience-Formates, so die offizielle Meldung.

Bis hierhin war es ein langer Weg, der im Grunde 1995 so richtig beschritten wurde. In jenem Jahr, das schon damals das „Convenience-Jahr für Deutschland“ genannt wurde, gründete der Lebensmittel Praxis-Verlag auf der Kompetenz-Grundlage seines führenden Fachmagazins Lebensmittel Praxis das Magazin Convenience Shop und brachte dann im Rahmen seines Anuga-Forums im selben Jahr überraschende 700 Besucher zusammen, die sich über das Thema informieren wollten. Dort zeigten sich Handelsmanager bereits sicher, dass dieses Konzept Zukunft hat. Allerdings sah man den Lebensmittel-Einzelhandel zunächst mehr in der Rolle des Einkäufers und Warenbeschaffers.

Die Spar startete aber schon im Jahr darauf den Test des eigenen Convenience-Konzeptes Spar Express. Der damalige Spar-Chef Helmut Dotterweich erwartet frühzeitig einen „langen aber intensiven Entwicklungsprozess der Convenience-Konzepte“. Und so kam es dann auch: Während die Shop-Betreiber in den kommenden beiden Jahrzehnten klar unter Beweis stellten, dass sich auch in Deutschland C-Stores zu dauerhaften, ernst zu nehmenden Handelsformaten entwickeln können, blieben die Unternehmen des Lebensmittel-Einzelhandels diesbezüglich eher zurückhaltend.

Neben Zweifeln über die Einträglichkeit des Geschäftes war es auch das immer wieder mal durch die Gazetten geisternde Gespenst des Tankwarts mit den ölverschmierten Händen, der jetzt auch Lebensmittel verkauft. Es schien überhaupt nicht zu Marken und Image des Food-Geschäftes zu passen. Dieses Problem, ein typischer Mythos, der mit der Realität in den vergangenen 20 Jahren nichts zu tun hatte, dürfte mit intensiven Kooperation zwischen der Handelsgröße und dem Marktführer im Tankstellengeschäft endgültig passé sein.

Im Grunde ist diese Vereinbarung so etwas wie ein Reifezeugnis für das Convenience-Geschäft an Tankstellen, wenn Rewe-Vorstand Lionel Souque verkündet: „Wir freuen uns auf die langfristige strategische Zusammenarbeit mit einem starken Partner wie Aral. Mit unserer Kernkompetenz als Lebensmittelgroßhändler und Konzeptgeber des Vertriebskonzepts Rewe to go werden wir dazu beitragen, das Shopgeschäft an Aral Tankstellen nachhaltig zu stärken.“


Aber es steckt noch etwas anderes dahinter, nämlich der heftig tobende Wettbewerb im Lebensmittel-Einzelhandel. Das ungewöhnlich öffentliche Ringen der beiden Handelsunternehmen Rewe und Edeka um die Übernahme der Tengelmann-Läden, die Bedenken des Bundeskartellamtes und schließlich der Ärger um die Minister-Erlaubnis für Edeka, diese Läden unter strengen Auflagen übernehmen zu dürfen, zeigte sehr deutlich die Polarisierung, die in den vergangenen Jahren in diesem Metier stattgefunden hat. Offenbar will keines der beiden Unternehmen der anderen Marke auch nur eine handbreit Vorteil lassen, getrieben natürlich vom gnadenlosen Wettbewerb der Discounter hier zu Lande. 

In dieser Situation künftig an 1.000 zusätzlichen Standorten die Rewe-Flagge zeigen zu können, ist in diesem Kampf ein Vorteil, der die Edeka voraussichtlich nicht ruhen lassen wird. Schließlich sind dies nicht irgendwelche Standorte. Der ehemalige Aral-Manager Frank Wolf prägte vor Jahren den Ausdruck „Oasen der mobilen Gesellschaft“ für die Tankstellen. Wer beispielsweise nachts durch deutsche Städte fährt, der wird feststellen, dass da wirklich etwas dran ist. Und auch jenseits aller romantisierenden Ideale kann man beobachten, dass die Stationen sicherlich eine besondere Rolle bei der Versorgung dieser überaus mobilen Gesellschaft spielen. Dass Rewe künftig auf diese Art und Weise deutlich mehr Aufmerksamkeit bekommen und sich das Handelsunternehmen damit eine herausgehobene Bedeutung für die mobilen Kunden erarbeiten könnte, die dann auf ihr Kerngeschäft zurückstrahlen würde, liegt nahe: Kundenbindung über alle Bedarfssituationen hinweg.

Beobachter der Branche zweifeln kaum daran, dass die Edeka bei dieser Entwicklung nicht tatenlos zusehen wird. Natürlich kann sie, die im Jahr 2005 die Spar Handelsgesellschaft übernahm, auf die Pionierrolle von Spar Express und das erfolgreiche Engagement bei der Mineralölgesellschaft Jet und an Bahnhöfen in Zusammenarbeit mit der SSP verweisen.

Im Ringen der Marken, künftig auch um Marktanteile und Aufmerksamkeit der Verbraucher im Convenience-Geschäft, bringt das die Edeka allerdings kaum weiter. Dazu kommt, dass Spar als Name von Läden des Lebensmittel-Einzelhandels in Deutschland weitestgehend verschwunden ist, was die Anziehungskraft gerade bei jungen Leuten auf breiter Front natürlich deutlich schmälern könnte, auch wenn die aktuellen Konzepte nach Aussage der Partner gut funktionieren. In dieser Situation steigt der Druck auf die Hamburger Handelsorganisation, künftig auch mit der eigenen Marke im Convenience-Geschäft Flagge zu zeigen. Dieser Schritt würde angesichts der aktuellen Entwicklung kaum überraschen. Allerdings darf die Ausgangslage nicht darüber hinwegtäuschen, dass das intensive Engagement der deutschen Handelsunternehmen jetzt erst vor seiner Bewährungsprobe steht. Dass Lekkerland CEO Michael Hoffmann im Rahmen der Jahrestagung Handel und Wandel in Tankstellen und Convenienc e Shops sagt, „so etwas muss dann auch erstmal funktionieren“, ist angesichts seiner Interessenlage naheliegend, aber deshalb nicht weniger wahr. Kein anderes Unternehmen im Markt verfügt über so viel Erfahrung damit, wie kompliziert die Weiterentwicklung und Rentabilisierung von C-Stores aller Art ist, wie der führende Convenience-Großhändler.


Die vielfältigen Herausforderungen in den Bereichen Logistik, Sortiments-Kompetenz und Dienstleistung sind an dieser Stelle immer wieder beschrieben worden. Dennoch ist sich Lekkerland der Gefahr, die auch für ihn von einem intensiven Engagement der großen Einzelhändler im eigenen Geschäft ausgeht, sicherlich bewusst. Hoffmanns trotzige Stellungnahme zu Verkündung des Aral-Rewe-Deals: „Aus unserer Sicht wird ein fließender Übergang bis Herbst 2017 nicht möglich sein“ bezieht sich auf die Ankündigung, dass die Belieferung der Aral eigenen Stationen, die heute Lekkerlands Sache ist, über einen längeren Zeitraum auf Rewe übergehen soll. Das weitere Lekkerland-Statement: „Aus diesem Grund werden Lekkerland und Aral nicht nur wie vertraglich vereinbart bis September 2017 zusammenarbeiten, sondern über die Vertragslaufzeit hinaus verhandeln“, beweist die Kampfbereitschaft der Frechener. Es geht wohl auch darum, welche Rolle der Großhändler und Log istiker künftig generell in diesem Bereich des Convenience-Marktes spielen wird.

Zu erwarten, dass der strategische Aufbruch von Rewe und Co. in Richtung Convenience nur von kurzer Dauer sein könnte, hieße auch, den international eindeutigen Trend zu ignorieren: In aller Welt, und das ist durchaus wörtlich zu nehmen, stellen Mineralölgesellschaften ihre Shops zumindest testweise auf entsprechende Formate des Lebensmittel-Einzelhandels um. Und international agierende Unternehmen wie Tesco und Carrefour treiben das ursprünglich von ihnen ebenfalls eher als lästig und nicht sehr ernst zu nehmend eingestufte Convenience-Geschäft konsequent weiter voran, weil die Kunden es offensichtlich wollen. Dennoch fällt es keinem der großen Player wirklich leicht, auf diesem Feld erfolgreich zu agieren, schließlich hatten viele von ihnen die eigenen Kleinflächen im großen Stil als nicht mehr zeitgemäß gesehen und entsprechend behandelt. Ein Kampf mit ungewissem Ausgang wird das Convenience-Geschäft für die Lebensmittel-Einzelhändler deshalb auc h hier zu Lande auf jeden Fall.

Jenseits aller strategischen Interessen muss auch Geld verdient werden. Wie schwierig das ist, wissen die deutschen Unternehmen aus langjähriger Erfahrung mit ihren eigenen Kleinflächen. Die Rewe wird sich deutlich stärker mit Themen auseinandersetzen müssen, die man im großen Stil nicht so ohne weiteres im Griff hat. Dazu gehören neben der Logistik besondere Sortiments-Schwerpunkte wie Tabakwaren und Electronic Value ebenso wie das gesamte Impulsgeschäft, das sich vom Business des LEH doch deutlich unterscheidet.

Dazu kommt die notwendige Gastro-Kompetenz, die im Convenience-Geschäft immer wichtiger wird und die im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel jetzt gerade erst langsam den Stellenwert bekommt, den sie in internationalen Märkten längst hat. Hier ist die Edeka mit ihrer Foodservice-Unit recht gut aufgestellt. Wenn der Paukenschlag der Verkündung des Aral-Rewe-Deals, der in der Bemerkung von Patrick Wendeler, Vorstandsvorsitzender von Aral, gipfelte „die Zeit ist reif für die nächste große Evolution im Shop-Geschäft“, langsam verklingt, dann wird wieder sehr deutlich werden, dass das Convenience-Geschäft 2016 erneut vor einem „langen aber intensiven Entwicklungsprozess“, steht.

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