Tabakwaren Juristisches Karten-Spiel

Der Gesetzgeber war von Produktkarten im Tabakwarenregal nicht begeistert. Kurzerhand schrieb er die Tabakproduktrichtlinie etwas um. Das sorgt derzeit für noch mehr Klärungsbedarf.

Donnerstag, 14. September 2017 - Tabak
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Juristisches Karten-Spiel
Bildquelle: Convenience Shop

Das Thema Produktkarten ist offensichtlich heikel. Convenience Shop wollte etwas mehr Klarheit in die Sache bringen. Aber die Tabakwaren-Herstellern, die diese Orientierungshilfen für Händler entwickelt und verbreitet haben, wollen sich nicht dazu äußern, ob sie weiterhin genutzt werden dürfen.

Weil die Vorsteckkärtchen die Schockbilder und Warnhinweise in den Regalen verdecken, hat die Bundesregierung im Mai diesen Jahres eiligst die zweite Verordnung der Änderung der Tabakproduktrichtlinie beschlossen. Sie besagt, dass die Horrorbilder auch „beim Anbieten zum Verkauf“ sichtbar sein müssen, also wenn sie in den Regalen stehen. Nun steht die Frage im Raum, ob das rechtskonform ist. Schließlich handele es sich bei der TPD2 um eine Produkt- und nicht um eine Warenpräsentations-Richtlinie, argumentiert die Branche. Das zu klären, bedürfe jetzt einer richterlichen Entscheidung, meint unter anderem Jan Mücke, Geschäftsführer des Deutschen Zigarettenverbandes.

Der Tabakwaren-Konzern JTI hat für seine Kunden in Abstimmung mit den Verbänden die juristischen Fakten sowie eine Einschätzung der Rechtslage zusammengefasst. Demnach sind aus seiner Sicht die Karten zulässig, weil der Ergänzung zur TPD2 von Mai die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. Außerdem gelte weiterhin, dass „mit dem Begriff des Verdeckens nur dem Tabakerzeugnis unmittelbar anhaftende Gegenstände erfasst werden. Das Verbot betreffe jedoch nicht die Produktkarten oder den Verkauf in Automaten. JTI bezieht zwar klar Position, verweist aber gleichzeitig auf die endgültige Klärung.

Die Hersteller-Empfehlungen können also nur eine Rückendeckung ohne Risikobindung sein. Es liegt derzeit im Ermessen des Shop-Betreibers, ob er die Vorsteckschilder nutzt. Im ungünstigen Fall wird ihm das als Ordnungswidrigkeit ausgelegt und es droht ihm eine Abmahnung oder sogar Klage.

Automaten sind betroffen

Die Diskussion um verdeckte Schockbilder geht an den Zigarettenautomaten nicht vorbei. Die Fotos müssen laut Gesetz schon beim „Inverkehrbringen der Ware“ sichtbar sein. Das ist bisher nicht der Fall. Die Bundesländer beraten sich aber bereits, ob Automaten mit zusätzlichen Aufklebern versehen werden sollten, um alle gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Laut dem Bundesverbands Deutscher Tabakwaren-Großhändler und Automatenaufsteller (BDTA) sind davon rund 330.000 Automaten betroffen, über die rund 2,2 Mrd. Euro Umsatz abgewickelt wird.

Vor diesem Hintergrund ist unverständlich, was Isabella von der Decken, Tabakreferentin der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, im Januar über Medienberichte verbreitete, nämlich dass sich die Automatenhersteller etwas einfallen lassen oder die Automaten abbauen müssten, damit sie das Gesetz erfüllen.

Aktuell liefert die TPD2 jedenfalls noch keine Informationen dazu, wie Warnhinweise auf Ausgabegeräten zu gestalten sind. Für Automatenhersteller wie Harting Systems eine Herausforderung, sagt deren Geschäftsführer Peter Weichert: „Im Sinne einer konstruktiven Arbeit am Markt möchten wir aber ein Zeichen der freiwilligen Kooperationsbereitschaft setzen. Diese Vorgehensweise ist eng mit dem Verband BDTA abgestimmt, um eine für die Branche gemeinsam getragene Vorgehensweise anzubieten.“

Im neuen Konzept-Store von Lekkerland Niederlande, im Eet & Gerei (siehe auch Seite 14 ff), wurde ein Zigarettenautomate im Eingangsbereich aufgestellt, der den gesetzlichen Vorgaben gerecht wird. Erst bei der Altersprüfung durch EC-, Kredit-Karte oder ähnliches, gibt die ansonsten graue Scheibe die Sicht auf die Verpackungen frei. Somit sind die Schockbilder und Warnhinweise beim Anbieten zum Verkauf sichtbar sind. Dann wählt der Kunde nach dem üblichen Prozedere seine Zigarettenmarke.

Weil in den Niederlanden nach 21 Uhr Tabakwaren nur noch hinter einer Glasscheibe angeboten werden dürfen, hat Lekkerland im Zuge der Umbaumaßnahmen im Eet & Gerei eine revolutionäre Lösung umgesetzt: Tabakwaren sind jetzt nicht mehr sichtbar, sondern unter dem Kassentresen in extra angefertigten Schubladen versteckt. Die Artikelzahl ist die gleiche geblieben und erstaunlicherweise der Umsatz auch, womit Lekkerland Niederlande den Beweis angetreten hat, dass sich zumindest an diesem Standort Zigaretten und Co. auch ohne Präsentation verkaufen lassen.

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