Projekt Kassenzone Plaudern wie im Tante-Emma-Laden

Auch Shop-Mitarbeiter berichten oft, dass sie sich an der Kasse wie Psychologen fühlen, weil viele Kunden einsam sind. Ein Projekt in Bayern spürt diesem Effekt hinterher.

Samstag, 13. Mai 2023 - Kleinfläche
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Plaudern wie im Tante-Emma-Laden
Bildquelle: BSTR

Dass ländliche Nahversorgung mehr ist als die reine Versorgung mit Lebensmittel zeigt ein interessantes Projekt in Bayern. Der dortige Gesundheitsminister Klaus Holetschek hat Ende April mit der so genannten „Ratschkasse“ einen „Präventionsschwerpunkt zu den gesundheitlichen Folgen von Einsamkeit“ gestartet. Unter dem Motto „Licht an – Damit Einsamkeit nicht krank macht“ will das bayrische Gesundheitsministerium „ein größeres Bewusstsein für die Problematik schaffen und Hilfsangebote aufzeigen.“

Premiere in Buxheim
Ort des Geschehens ist der Edeka-Supermarkt Abröll-Groiß im schwäbischen Buxheim. An diesem speziellen Kassenplatz sollen sich Kunden beim Bezahlen in aller Ruhe mit den Angestellten oder untereinander unterhalten können. Was im hektischen Einkaufsalltag oft stört, soll hier ausdrücklich erwünscht sein: das freundliche Gespräch an der Supermarktkasse.

Persönliche Worte erwünscht
Die Kunden sollen so mit dem Verkaufspersonal mehr als nur Geld und Quittung austauschen – nämlich auch ein paar persönliche Worte. Bis Juli soll dieser spezielle Kassenplatz vier Tage die Woche jeweils zwei Stunden am Vormittag geöffnet sein. Minister Holetschek erläuterte: „Es gibt viele Menschen, die sich einsam fühlen und denen jemand zum Reden fehlt. Der Supermarkt ist ein Ort der sozialen Begegnung – gerne auch mal länger.“ Der Minister erläuterte weiter: „Zahlreiche Studien haben Einsamkeit als Risikofaktor für körperliche und psychische Krankheiten identifiziert. Dazu gehören etwa Angststörungen, Depressionen sowie Bluthochdruck, Schlaganfall, Diabetes mellitus Typ 2 oder Demenz. Auch deshalb liegt mir das Thema so am Herzen.“ Nach seinem Eindruck zeigen Beispiele aus dem fränkischen Schweinfurt oder aus dem Ausland, dass solche Konzepte sehr gut angenommen würden.

Nach internationalen Vorbildern
Der Minister ergänzte: „ In immer mehr französischen Supermärkten gibt es ‚Blabla-Kassen‘, das sind ‚langsame Kassen‘, bei denen sich niemand beeilen muss und auch einmal Zeit für einen Plausch ist.“ Vorbild waren für die bayerischen Projekte entsprechende Angebote, die es schon seit Jahren im Ausland, beispielsweise in den Niederlanden und der Schweiz, gibt. So wurde 2022 die so genannte Plauderkasse, ein lokales Pilotprojekt in Basel, beispielsweise im Supermarkt Migros Gundelitor und in einer Apotheke, umgesetzt. Dort besteht darüber hinaus die Möglichkeit, bei Bedarf, mit geschulten Freiwilligen bei einem Kaffee oder auf dem Nachhauseweg ein intensives persönliches Gespräch zu führen. Im deutschen Schweinfurt ist Supermarkt-Inhaber Marius Höchner bereits einen Schritt weiter. Er hatte vor fast zwei Monaten eine Smalltalk-Kasse eingerichtet. Dort heißt sie wie in Basel Plauderkasse und die Kunden sollen ein Gefühl „wie einst im Tante-Emma-Laden“ haben. „Die Resonanz ist hervorragend“, sagt der Chef.

Nach dem Ablauf des Pilotzeitraums bis Juli sollen in Buxheim die Supermarkt-Geschäftsführung, Angestellte sowie Kundinnen und Kunden zu dem Projekt befragt werden, um die Erkenntnisse zu sichern. Der Minister fügte hinzu: „Wenn die Ratschkasse erfolgreich war, würde ich mich freuen, wenn die Idee zahlreiche Nachahmer in Bayern findet.“