Frankreich Auf die Dörfer gehen

In Frankreich will die Handels-Kette Comptoire de Campagne mit kleinen Shops dafür sorgen, dass Nahversorgung auch auf den Dörfern in der Provinz wieder gewährleistet ist.

Montag, 10. Mai 2021 - International
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Auf die Dörfer gehen
Bildquelle: Comptoires de Campagne

Wie es in Frankreich um das Thema Nahversorgung in ländlichen Gebieten wirklich steht, hat vor einiger Zeit eine Studie des französischen Nationalinstituts für Statistik und Wirtschaftsstudien, die in diesen Wochen und Monaten immer wieder zitiert wird, schlaglichtartig beleuchtet. Ihr zu Folge, müssen inzwischen immerhin etwa 30 Prozent der Franzosen mehrere Kilometer mit ihrem Auto fahren, um ihre täglichen Einkäufe zu erledigen. Dieses Themas nahm sich 2014 die Marketingspezialistin Virginie Hils an. Sie beteiligte sich vor Jahren an einem Ideenwettbewerb in Lyon und gründete schließlich eine Kette von Nahversorgern unter den Namen Comptoir de Campagne. Zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Sylviane Barce sammelte sie dafür 4,5 Millionen Euro bei Investoren ein.

2021 soll es noch schneller vorangehen
Bisher sind auf dieser Grundlage elf eigene Läden in ländlichen Gemeinden eröffnet worden. Um den Prozess voranzutreiben werden ab 2021 nicht mehr nur eigene Läden des Unternehmens eröffnet. In einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung, NZZ, berichteten die beiden Unternehmerinnen, dass ihr Unternehmen mit rund 40 Angestellten, viele davon in Teilzeit, künftig schneller wachsen und über den Großraum Lyon hinaus Fuß fassen soll. Um dies zu erreichen, wollen sie neue Läden im Franchise-System durch Einzelunternehmer betreiben lassen. Dabei gehen die Ziele der Unternehmerinnen weit darüber hinaus, einfach nur kleine Lebensmittel-Shops zu eröffnen. „Um dieser Herausforderung zu begegnen, haben wir uns ein neues physisches und vernetztes Geschäftsmodell mit mehreren Diensten vorgestellt“, sagt das Unternehmen in seiner Präsentation. Dabei gehe es darum, neben Produkten wie Tabakwaren- und Impulswaren vor allem lokale Erzeugnisse anzubieten. Dabei sind bekannte Produkte und Hersteller nicht ausgeschlossen, sollen aber wohl nur etwa fünf bis zehn Prozent des Sortiments ausmachen.

Dienstleistungen und Vermietungen
Ergänzt wird das Angebot durch lokale Dienstleistungen wie Post, Lotto oder Fahrkartenverkauf. Hier werden von beteiligten Anbietern auch Gebühren für die Präsenz in den ländlichen Shops bezahlt. Dazu können Reinigung, Schuhreparaturen, Internet-Zugang und vieles mehr kommen. Ergänzt wird das Multi-Service-Angebot von Comptoir de Campagne durch besondere Services, wie die Vermietung von Räumlichkeiten für Gesundheitsberufe. Angeschlossen werden kann auch ein Online-Shop und ein Lieferservice. Die Läden in bestimmten Gebieten arbeiten zwar autark, aber sie organisieren sich darüber hinaus, um ihre Lieferungen, Mittel und Ressourcen zu vereinheitlichen. Zusammenschlüsse gibt es beispielsweise im Gebiet Vals du Dauphiné, zwischen La Tour du Pin und Chambéry, Beaujolais und dem Süden von Burg sowie in Belleville-sur-Saône. „Jedes der Cluster hat seine eigene kurze Lieferkette für lokale Produkte“, sagt das Unternehmen dazu. Doch trotz aller unternehmerischer Initiative reicht es dem Vernehmen nach wohl nicht aus, die Shops an ihren ländlichen Standorten dem freien Spiel der Kräfte zu überlassen. Manche Gemeinde muss sich finanziell, mit Manpower für Renovierungen, aber auch mit Mietstundungen, oder anderen Maßnahmen beteiligen, ist zu hören. Die Unternehmerinnen haben sich der Gemeinnützigkeit und der demokratischen Organisation verpflichtet. Damit haben sie die Grundvoraussetzungen dafür geschaffen, auch Zugang zu öffentlichen Finanzierungsquellen zu bekommen.

Breite finanzielle Unterstützung
Um die Eröffnung von neun eigenen und Franchise-basierten Geschäften im Jahr 2021 und zwölf im Jahr 2022 zu unterstützen, konnte Comptoir de Campagne am 12. Oktober 2020 eine Spendenaktion in Höhe von 3,4 Millionen Euro abschließen, darunter war auch Geld von Banken und Versicherungen. Auf der Crowdfunding-Plattform Lita kamen außerdem fast 700.000 Euro von 280 Spendern zusammen, wird berichtet. Laut NZZ konnte Comptoir de Campagne 2019 einen Umsatz von etwas mehr als einer Million Euro erzielen. Die Unternehmerinnen hätten sich vorgenommen, bis spätestens 2023 die Zahl der Läden zu verdreifachen und damit dann auch schwarze Zahlen zu schreiben.