Lebensmittel Praxis: Herr Galvin, Die Menschen sind so verunsichert wie lange nicht mehr. Auf einmal steht selbst der Frieden in Westeuropa infrage. Welche Auswirkungen hat das auf das Verbraucherverhalten?
John Galvin: Es lassen sich auch positive Aspekte sehen: Die Europäer sind enger zusammengerückt und wollen mehr investieren. Vergleicht man die aktuelle Lage mit der in der Zeit des Kriegsausbruchs oder während der Covid-Pandemie, sind die Rahmenbedingungen heute deutlich besser. Historisch gesehen gab es immer Tiefpunkte, aus denen wir wieder herausgekommen sind. Das sind gute Voraussetzungen für eine künftige Verbesserung der Verbraucherstimmung.
LP: Verdrängt die Angst um die Wirtschaft und den Frieden das Thema Nachhaltigkeit?
Nicht für uns. Wir halten an unseren Nachhaltigkeitszielen fest, auch wenn das Thema in der Gesellschaft zeitweise weniger präsent ist. Die globale Erwärmung ist eine Realität. Unsere Stakeholder und Konsumenten erwarten von uns, dass wir sie ernst nehmen.
LP: Welche konkreten Ziele haben Sie sich für die Dekarbonisierung gesetzt?
Unsere Aufgabe als Lieferant und Produzent ist es, jedes Jahr weniger CO2 zu produzieren, um langfristig auf Null zu kommen. Unser Ziel ist es, bis 2030 eine Reduktion um 30 Prozent zu erreichen. Dafür haben wir einen klaren Fahrplan: Wir investieren in die Werke, erhöhen den Rezyklatanteil bei unseren Verpackungen und arbeiten eng mit unseren Lieferanten zusammen, beispielsweise um deren Produktion auf Grünstrom umzustellen. Dieser Plan steht seit fünf Jahren, und unsere Fortschritte können in den jährlichen Nachhaltigkeitsberichten nachgelesen werden.
LP: Wie hoch ist die Mehrwegquote Ihres Unternehmens aktuell?
Sie lag zuletzt bei etwa 37 Prozent. Wir investieren allein in diesem Jahr 42 Millionen Euro in unseren Mehrwegflaschen- und Kisten-Pool.
LP: Der Anteil war mal höher. Ist das nicht ein Rückschritt?
Nein, denn wir konzentrieren uns auf Dekarbonisierung, nicht auf die alte Debatte über das Für und Wider von Einweg oder Mehrweg. CO2-Reduzierung ist die Herausforderung von heute, und wir investieren erheblich in diese Richtung. Ein Beispiel für das Potenzial ist die Dose: Früher wog eine Coca-Cola-Dose 100 Gramm, heute sind es nur noch 9,9 Gramm, mit Deckel 11,8 Gramm. Der Anteil von recyceltem Material in unseren Dosen liegt mittlerweile bei 60 Prozent. Zwar ist die CO2-Belastung bei der Produktion der Dose recht hoch, vor allem wegen der benötigten Hitze, aber wir arbeiten mit unseren Lieferanten daran, auch diesen Prozess zu dekarbonisieren. Sobald das gelungen ist, wird die Dose eine der besten Verpackungen sein.
LP: Coca-Cola hat strategisch bislang bewusst auf die regionale Abfüllung gesetzt. Ändert sich das?
Wir sehen in der lokalen Produktion einen großen Vorteil: Die Nähe zum Markt ist wichtig, kurze Transportwege machen unsere Produktion nachhaltiger. Trotzdem müssen die Rahmenbedingungen stimmen. In der Lebensmittelbranche zeigt sich längst, dass immer mehr Produkte importiert werden. Der Preisdruck vom Konsumenten über den Handel ist enorm. Und die Produktion ist hier zu Lande für viele Unternehmen einfach nicht effizient genug.
LP: Wäre es günstiger, Getränke für den deutschen Markt im Ausland abzufüllen?
Heute sicherlich noch nicht, unsere Nähe zu den Kunden ist immer noch einer unserer wichtigen Wettbewerbsvorteile. Deshalb investieren wir auch langfristig. Das Risiko ist allerdings vorhanden, wenn die Kosten und die Komplexität weiter steigen. Die Politik muss auch deshalb deutlich aktiver werden.