Wenn in Deutschland Tankstellen in größerer Zahl verkauft werden sollen, wie jetzt bei Jet, ist das nicht ganz einfach. Denn die Marktführer dürfen diese Stationen aus Gründen des Wettbewerbsrechts nicht einfach schlucken. Und da sich das Geschäft derzeit noch lohnt, lässt sich trefflich über potenzielle Käufer spekulieren. Dabei gerät jetzt auch Convenience-Riese 7-Eleven, der jüngst Interesse am Standort Deutschland signalisiert hatte, in die Optik.
Mit Spannung wartet die Branche derzeit darauf, welcher bekannte oder neue Markt-Player sich die erfolgreichen Jet-Stationen einverleibt.
Mit Phillips 66, früher Conoco Phillips, will sich offenbar nach Total Energies ein weiterer großer Tankstellen-Player vom deutschen Markt verabschieden. Für große Aufmerksamkeit sorgte ein kurzer Satz im Quartalsbericht des Unternehmens: „Wir haben kürzlich einen Prozess zum Verkauf unseres Einzelhandelsmarketinggeschäfts in Deutschland und Österreich eingeleitet, im Einklang mit unserem Plan, nicht zum Kerngeschäft gehörende Vermögenswerte zu veräußern.“
Situation differenziert betrachten
Während das in der Öffentlichkeit und der Publikumspresse sehr schnell als Hinweis darauf gewertet wird, dass das Tankstellen-Geschäft angesichts der angestrebten Mobilitätswende an Attraktivität verloren hat, weiß die Branche selber, dass dies viel differenzierter zu betrachten ist. Denn bisher haben gute Tankstellen trotz allem hier zu Lande immer noch ihre Käufer gefunden. Fakt ist allerdings offenbar auch, dass das Tankstellen-Geschäft von den unterschiedlichen durch die Mineralölgesellschaften betriebenen Geschäftsbereichen der am wenigsten rentable ist. Die Mobilitätswende kann deshalb vielleicht zusätzlich dafür sorgen, dass das Geschäftsfeld Tankstelle für die Mineralölgesellschaften deutlich schwieriger wird. Während die Konzerne über Jahrzehnte den Mix der unterschiedlichen Modelle für sinnvoll hielten, sehen das Finanzinvestoren ganz anders. Es verwundert daher nicht das die internationale Presse fast geschlossen davon ausgeht, dass die Initiative für diesen Verkauf von dem bei Philips 66 eingestiegenen Finanz-Investor Elliot Management ausging. Der hatte bereits in der Convenience-Branche, nämlich bei dem großen US-Player Marathon, in dessen Portfolio sich etwa 14.000 Speedway-Tankstellen befanden, dies schon einmal vorexerziert. Bei diesem hatte er im Jahr 2019 die Aktivitäten in die drei unterschiedliche Teilbereiche gegliedert: Retail (Tankstellen), Midstream (Förderung etc.) und Raffinerie. Das führte schließlich dazu, dass der offenbar unrentabelste Bereich, den man bei den Tankstellen verortete, schließlich verkauft wurde, und zwar für 21 Milliarden US-Dollar. Dagegen sind die Jet-Tankstellen in Deutschland, für die das Handelsblatt einen Verkaufswert von etwa drei Milliarden Euro erwartet, fast ein Schnäppchen.
Es wird nichts verschenkt
Klar ist jedenfalls, dass hier nichts verschenkt wird, weil es das Geschäft nicht mehr gibt, oder es sich auflöst. Es sieht eher danach aus, dass sich die Betreiberschaft von Tankstellen hier zu Lande neu aufstellt – weg von den Mineralöl- und hin in Richtung Convenience-Konzerne. So geschehen auch bei der Übernahme der Total Energies Stationen in Deutschland und Österreich durch den kanadischen Convenience-Konzern Couche Tard, der sicherlich nicht in diesen Markt investiert hätte, wenn seine Analysten erwarten würden, dieser ginge so langsam den Bach herunter.
7-Eleven will nach Deutschland
Eine insgesamt positiven Einstellung zum hiesigen Markt hat man offenbar auch bei dem anderen Convenience-Riesen, 7-Eleven International, festgestellt. Dieser kündigte bereits 2023 an, nach Deutschland kommen zu wollen. Auf Anfrage von Convenience Shop teilte 7-Eleven im März 2024 mit: „7-Eleven International prüft weiterhin Möglichkeiten zur Expansion der Marke 7-Eleven in Europa und anderen Teilen der Welt mit dem Ziel, bis 2030 in 30 Ländern tätig zu sein. Wir verfügen über einen umfassenden Prozess zur Ermittlung des besten Partners und Partnerschaftsmodells für jeden neuen Markt, um unserer Mission gerecht zu werden, Kunden mit hochwertigen Produkten, Dienstleistungen und Erlebnissen zu überraschen und zu begeistern. Wir führen unseren Prozess gewissenhaft durch, um sicherzustellen, dass unsere Partnerschaft für den Verbraucher, den Partner und unsere Marke von Vorteil ist“.
Für den Rückzug der Mineralölgesellschaften aus dem Tankstellen-Eigentümergeschäft, der in den USA und international bei einigen Playern bereits beobachtet wurde, prägte man bereits ungefähr 2017 den Begriff „Pull back“. Er bedeutet konkret, dass sich die Mineralölgesellschaften aus dem Tankstellen-Geschäft mit Convenience eher zurückziehen, dieses verkaufen und die Erlöse dafür in die übrig bleibenden Kern-Geschäfte reinvestieren. Damit verbunden sind idealerweise langjährige Kraftstoff-Lieferverträge, denn getankt wird an den Stationen weiterhin.
Auch bei Shell ist solche Tendenz derzeit klar zu sehen, sagte das Unternehmen doch im Rahmen seiner Shell Energy Transition Strategy 2024: „Insgesamt planen wir, in den Jahren 2024 und 2025 jährlich rund 500 Shell-eigene Standorte – einschließlich Joint Ventures – zu veräußern.“ Und kurze Zeit später wurde bekannt geben, dass man sich wohl von allen etwa 600 Shell-Tankstellen in Südafrika trennen will und damit dann das Verkaufs-Kontingent aus dem Energy-Transition-Konzept für 2024 bereits übererfüllt hat. Auch hier spricht allerdings beim genaueren Hinsehen noch niemand davon, Stationen zu schließen.
Erfahrungen aus dem Marathon-Deal
Zurück zu der aktuellen Lage von Phillips 66 und seinem Investor Elliot, der zu dieser Pull-Back-Tendenz eindeutig beigetragen hat: Natürlich ist besonders interessant, dass dessen Aktivitäten bei der US-Mineralölgesellschaft Marathon im Jahr 2021 dazu führten, dass 7-Eleven USA diese 14.000 Tankstellen für mehr als 20 Milliarden US-Dollar kaufte. Dass auf denselben Kontaktwegen jetzt auch ein Deal zwischen Phillips 66 und dem in Europa aktiven Teil von 7-Eleven eingestielt werden könnte, ist zwar reine Spekulation, könnte aber durchaus Sinn machen. Schließlich zeigten sich bisher alle Fachleute einig, dass sich der globale Convenience-Riese in Deutschland und anderen europäischen Ländern, in denen er bisher nicht präsent ist, wohl kaum versuchen würde mit der „Klein-Klein“-Methode zu etablieren. Erwartet wurde in den vergangenen zwölf Monaten immer so etwas wie ein „Big Bang“, der es möglich machen würde, in relativ kurzer Zeit die Shop-Marke 7-Eleven an relativ vielen Stationen zu etablieren. Und viele erwarteten auch, dass 7-Eleven dabei nicht nur Partner oder Mieter sein könnte, sondern auch Eigentümer der Stationen sein wolle. Das beides wäre bei der Konstellation einer Jet-Übernahme möglich. Dass 7-Eleven solche Situationen nutzt, zeigte sich nicht nur bei dem von Elliott eingestielten Marathon-Deal in den USA, sondern auch bei einem ähnlichen Geschäft mit der Gesellschaft Sunoco. Diese verkaufte ihre 1.200 Tankstellen an 7-Eleven, bekam dafür etwa drei Milliarden US-Dollar und investierte diese dann wieder in ihr Kern-Geschäft. Dazu gab es für
Sunoco einen langjährigen Kraftstoff-Liefervertrag. Es wäre wahrscheinlich ein geschickter Schachzug der Convenience-Profis von 7-Eleven die in Deutschland über Jahre mit hohen Zustimmungswerten gerade in Richtung Preis ausgestattete Tankstellen-Marke Jet mit ihren 7-Eleven-Shops zu kombinieren und so Kapital für die europäischen Expansion zu erwirtschaften.
Elliot: auch bei Ahold-Delhaize engagiert
Die Connection über Elliot Management könnte allerdings auch noch ein anderes Unternehmen hier zu Lande wieder ins Spiel bringen: Ahold-Delhaize, bei dem Elliot ebenfalls investiert hat. Dessen Tochter Albert Heijn forciert in den Niederlanden bekanntermaßen das Convenience-Konzept AH-To-go auch an Tankstellen. Vor drei Jahren war bekannt geben worden, dass dieses Konzept dort künftig auch an hundert BP-Tankstellen umgesetzt werden soll. In Deutschland hatte man zwischen 2017 und 2018 bereits einige Experiment mit AH-To-go-Shops gemacht und wieder beendet, beispielsweise in Innenstadtlagen sowie an Bahnhöfen und Flughäfen. Ebenfalls getestet wurde Aktivitäten an deutschen Tankstellen, beispielsweise einigen Shell-Tankstellen. Hier ging es allerdings, anders als bei den kompletten AH-To Go-Shops in den Niederlanden, um Shops in Shops mit 150 AH-Produkten, vorwiegend gekühlte Frische unter der Marke AH. Ob der damalige Misserfolg allerdings jetzt, etwa sechs Jahre später, keine Rolle mehr spielt und ein Neuanfang bei Jet mit kompletten Shops möglich wäre, wird sich zeigen.
Weitere Player könnten im Rennen sein
Natürlich ist es darüber hinaus auch möglich, dass sich die hier zu Lande bereits aktiven expansiven Player EG-Group mit ihrer Marke Esso oder Orlen Deutschland um die Jet-Tankstellen bemühen. Voraussetzung ist immer, dass das Bundeskartellamt zustimmt. Ziemlich klar ist Branchenfachleuten aber wohl, dass auch nach einem solchen Deal kaum Stationen aus dem deutschen oder österreichischen Markt verschwinden werden, sondern diese Stationen in bestehende Systeme oder ganz neue Einheiten integriert werden. Die in der Publikumspresse immer wieder geäußerte Einschätzung, auch dieser Verkauf sei ein sicheres Zeichen dafür, dass das Tankstellen-Geschäft durch die bevorstehende Mobilitätswende immer unattraktiver werden wird, greift mindestens zu kurz oder ist auch schlicht falsch.