Niemand weiß, wie das Leben im Jahr 2035 aussehen wird. Die Redaktion von Convenience Shop hat trotzdem versucht, eine Skizze zu entwerfen, die zeigt, wie die Stores in etwa zehn Jahren arbeiten werden. Wie sich das Umfeld und die Bedingungen des Business verändert haben. Wie die Entwicklungen bei Mobilität, Technologie und Digitalisierung sowie die Konsumgewohnheiten fortgeschritten sind. Allerdings: unser Versuch erhebt keinen Anspruch auf Richtigkeit.
Wir schreiben das Jahr 2035. In diesem Jahr ist das so genannte Verbrennerverbot in Kraft getreten. Fahrzeuge mit Benzin- oder Dieselmotoren dürfen nun nicht mehr verkauft werden. Allerdings gab es vor allem zuvor – in den vergangenen zwei Jahren – noch einmal einen Boom in der Nachfrage nach solchen Fahrzeugen, insbesondere auch in Deutschland. Deren CO2- Ausstoß hat sich zwar in den zurückliegenden fünf Jahren deutlich um bis zu 55 Prozent verringert. Dafür ist ihre Anzahl nicht nur hier zu Lande, sondern auch europaweite größer geworden. Hinzu kamen in den vergangenen Jahren die beträchtlichen Neuzulassungen von E-Autos und auch von Fahrzeugen, die von E-Fuels angetrieben werden. Auch wenn letztere preislich für die meisten Verbraucher und Verbraucherinnen immer noch eine besondere finanzielle Herausforderung darstellen.
Positiv hat sich in den zurückliegenden Jahren das Schienennetz und der öffentliche Nahverkehr entwickelt. Nachdem die Deutsche Bahn und auch die privaten Bahn- und Bus-Anbieter seit den Zwanziger Jahren eine Durststrecke zu bewältigen hatten, ist der größte Teil der Reparaturen jetzt geschafft. Davon profitieren nicht zuletzt die Bahnhöfe. Auch der Stuttgarter Hauptbahnhof ist nun endlich neu eröffnet.
Menschen wurden mobiler
All das zeigt: die Menschen hier zu Lande und in Europa sind noch mobiler geworden. Auch wenn sich die Mobilität ein Stück weit durch den Klimawandel sowie durch ein verändertes Bewusstsein, die Digitalisierung und die zunehmende Alterung der Gesellschaft verändert hat. Von dieser Mobilität – in ihren verschiedenen Formen – profitieren die Convenience Stores, die zunehmend an Bedeutung gewonnen haben, in allen ihren zahlreichen Ausformungen. Auch wenn Sie von einigen Branchenplayern, Konsumentinnen und Konsumenten derzeit noch immer als „New Channels“ bezeichnet werden, obwohl es schon etwas seltsam anmutet, dass die C-Stores in all ihren Angebotsformen viele Jahrzehnte lang so firmierten. Der Grund dafür war wohl, dass man sie einerseits von den im Lebensmittelhandel dominanten Supermärkten und Discountern unterscheiden wollte. Andererseits hat sich lange Zeit bei weitem nicht die ganze Industrie mit diesen Absatzkanälen beschäftigt. Die verkauften Mengen waren vielen Herstellern oft zu gering und auch die Art ihrer Produkte schien nicht zu passen. Als die Hersteller und ihre Innovationen dann doch den Weg in die Shops fanden, waren diese dann für jeweils immer „new“.
Warenverfügbarkeit rund um die Uhr
Heute macht dies keinen Sinn mehr, denn unter dem Begriff „Food Retail Germany“ wird Warenverfügbarkeit rund um die Uhr geboten. Und die lokale Verortung gibt es wohl vor allem noch, um den internationalen Retail-Ketten, die auch hier zu Lande den Markt beherrschen, die regionale Unterscheidung möglich zu machen. Ob in kleinen oder großen Stores, in Discountern oder in Premium-Läden, ob sofort oder später geliefert wird, ob selbst bestellt, aus dem selbstfahrenden oder selbstgesteuerten Auto, oder vom Kühlschrank geordert, ob unterwegs oder zu Hause, ob aus Vending-Automaten, aus autonomen Stores oder den selbstfahrenden und rollenden Smart-Store-Cars, die durch die Straßen patrouillieren, oder jederzeit online zum Standort geordert werden können– eingekauft werden kann zu jeder Zeit und an allen Orten.
Und wenn es auf den Straßen allgemein oder zu bestimmten Uhrzeiten zu unsicher ist, dann greifen die Verbraucher und Verbraucherinnen auf den Service der Retail-Drohnen zurück, für die inzwischen wohl in jedem Garten ein Landeplatz freigeräumt wurde, ebenso wie es in und an den Häusern inzwischen gekühlte und ungekühlte Pack- und Paket-Kästen gibt, die jederzeit durch Lieferdienste mit der gewünschten Ware befüllt werden können.
Unterwegs zum Convenience Hub
Der Convenience-Markt, ursprünglich aus dem angelsächsischen Raum kommenden, entstand, – im Wortsinn Bequemlichkeit bedeutend – um genau dies zu bieten. Daraus entwickelte sich der heutige Convenience Hub. Als der Begriff Convenience vor etwa 50 Jahren endlich auch in Deutschland für bequemen Foodeinkauf genutzt wurde, da geschah dies, weil man die Shops von anderen Läden unterscheiden wollte. Sie hatten eben keine begrenzten Öffnungszeiten an bestimmten Wochentagen. Sie verkauften Lebensmittel auch spät am Abend. Sie waren eben kein Lebensmittel-Einzelhandel und auch kein Discounter. Der Begriff Convenience Store war einfach eine Sammelbezeichnung.
Dann kam der Terminus Convenience-Hub dazu, der eigentlich von Seiten der deutschen Anbieter nur dazu diente, noch einmal hervorzuheben, was allerdings schon lange vor den dreißiger Jahren Teil des internationalen Convenience-Konzepts war: Die Verknüpfung von Warenverkauf mit Dienstleistungen aller Art, um den Kunden Zeit und Weg zu ersparen.
Die Convenience-Hubs spielten dann schon im Verlauf der Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts hier zu Lande eine immer größere Rolle. Grund dafür war die disruptive Kraft des Internets. Die Masse der Dienstleistungen wurde immer mehr online initiiert, ob Pakete, Mobilfunk, staatliche Leistungen und vieles mehr. Auch Ware aller Art wurde immer mehr online geordert. Das galt natürlich nicht nur für den Lebensmittel-Handel, sondern auch für viele andere Branchen. In der Folge wurden viele klassische stationäre Läden mit Personal geschlossen. Da aber dennoch an einigen Punkten Shops gebraucht werden, in denen man Produkte abholt, zurückbringt oder sich auch mal persönlich beraten lassen kann, wurden diese Angebote von den Convenience Stores gewissermaßen „absorbiert“. Viele Anbieter aus so gut wie allen Bereichen des Handels bedienten sich dabei eines Modells, das ursprünglich die Systemgastronomie für ihre Standorte entwickelt hatte: kleine effiziente Clip-ins, an denen Kunden beraten werden und dann gleich Ware gekauft oder geordert wird, die anschließend geliefert, oder auch abgeholt werden kann.
Diese Entwicklung führte schließlich auch dazu, dass heute der notwendige Lagerraum der Convenience-Hubs meist deutlich größer ist als der eigentliche Shop, der ja früher typischerweise fast keinen Lagerraum hatte. Dass diese Veränderung keine großen Probleme bereitete, ergab sich daraus, dass damals frei werdende Ladenflächen in Innen- und Vorstädten und besonders auch auf dem Lande vermehrt zur Verfügung standen.
Der Mobilitäts-Schub
Und dann kam der Mobilitätsschub. Nachdem die Corona-Pandemie abgeklungen war, stieg die Beweglichkeit der Konsumentinnen und Konsumenten über die Jahre bis heute kontinuierlich an: Sowohl die individuelle Mobilität als auch der öffentliche Nahverkehr und die digitale Präsenz nahm zu. Vor allem die jüngeren Menschen sowie die städtischen Bevölkerung setzt derzeit auf das öffentliche Angebot an Bahnen und Bussen. Aber auch andere Formen der Mobilität bis hin zum E-Bike werden jetzt intensiv genutzt. In den jüngeren Generationen hat der Individualverkehr, spricht das Auto, aber auch das E-Auto, klar an Bedeutung verloren. Dennoch sind diese Gruppen sehr viel unterwegs, greifen auf das Angebot der C-Stores zu, die sie seit langem kennen, und kombinieren und ergänzen ihre Einkäufe durch elektronische Tools.
Die älteren Generationen, insbesondere die so genannten Babyboomer, die mittlerweile fast alle im Ruhestand sind, haben sich lange vor dem Aus der Verbrennermotoren gefürchtet. Allerdings waren diese Gruppen ein Leben lang „auf Reisen“ und wollen auch gegenwärtig auf die eigene Beweglichkeit und Unabhängigkeit nicht verzichten. Das trifft auch auf die Bevölkerung im ländlichen Raum zu. Innerhalb dieser Bevölkerungskreise ist die Mobilitätswende und Trans- formation jedoch noch nicht vollzogen. Diese Tatsache garantiert aber auch vielen Tankstellen-Shops, die weiter auf klassische Benzin- und Diesel-Kunden setzen, ergänzt um ein Convenience-Angebot, das Weiterleben, trotz Disruption.
In der Mitte des Handels
Insgesamt ist die Convenience-Branche zunehmende in die Mitte der Handelswelt gerückt. Sie offeriert den Kunden heute ihre Produkte und Dienstleistungen in vielfacher Form: als Smart-Store, als Express-Lieferdienst oder auch als Business-Caterer. Früher bildeten die C-Stores eine Nische, heute sind sie Normalität und die meisten Anbieter sind in der Lage, Retail und Dienstleistungen auf allen Feldern zu kombinieren. So sind die früheren Convenience-Unternehmen zwar mit mehr Wettbewerb konfrontiert worden, haben sich aber ihrerseits in die Arbeitsbereiche ihrer Wettbewerber begeben.
Das gilt auch für das gastronomisch Angebot der Shops. Mit viel kulinarischer Glaubwürdigkeit können die Gastro-Einheiten der Stores nun auch höherwertige Speisen anbieten. Früher konnten nur kleine Snacks und Backwaren auf kleiner Fläche überzeugend angeboten werden. Heute ist es durch Kochroboter und andere Hightech-Küchenausstattung möglich, alles überall frischgekocht anzubieten. Das Highlight: Menschen geben ihre persönlichen Ernährungsdaten an und dann wird ihnen ein passendes Angebot gemacht. Momentan arbeiten die Herstellerunternehmen daran, Gerichte die es bisher nicht ins Portfolio schafften über den 3-D-Fooddrucker zu liefern.
Große Vielfalt im Sortiment
In den Convenience-Stores haben Bio-Sortimente und das Thema Nachhaltigkeit immer größere Bedeutung gewonnen. Umweltschädliche und ungesunde Produkte sind durch Regulierungsmaßnahmen ein gutes Stück teurer geworden. Das gilt auch für die Art des Einkaufs: Die jeweils umweltfreundlichste Einkaufsmethode ist am billigsten. Überspitz formuliert: Heute ist umweltschädlich und ungesund eine Art von Premium für die Reichen. Das zieht sich durch das gesamte Sortiment und betrifft auch die Tabakwaren, deren Bedeutung für die Shops zurückgegangen ist. Dagegen haben andere Produktgruppen zugelegt, etwa für die Nahversorgung. Neu hinzugekommen sind beispielsweise Nahrungsergänzungsmittel und nicht verschreibungspflichtige Medikamente. Einige Shops versuchen es sogar mit Cannabis-Produkten. Der immer schnelllebigere Markt macht es notwendig, Produktinnovationen als Teil des Lifestyles zu sehen und zu behandeln. Gesteuert werden die Shop-Sortimente heute im besten Fall durch Künstliche Intelligenz. Hinzu kommt die Vernetzungen in alle Richtungen, wie die Kommunikation zwischen unterschiedlichen Verkehrsmitteln und den Stores. Neuerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass sich die Beförderungsmittel mit Retail-Fahrzeugen treffen. Für Vielfalt im Sortiment sorgen zudem immer mehr Betreiber mit unterschiedlichem nationalen Hintergrund. Junge Deutsche mit Migrationshintergrund und starker Affinität zum Retail hab inzwischen überwiegend das Sagen im C-Segment und im Food-Retail Germany. Sie bringen ihre Kenntnisse aus ihren eigenen Herkunftsländern deutlich stärker in das Geschäft ein, ebenso wie heimatliche Produkte und deren Lieferanten. Auch bei Betreibern ohne Migrationshintergrund ist es generell die junge Generation, die das Online-Geschäft,
Public- und Corporate Vending sowie autonome Shops und solche mit Verkaufspersonal intelligent im Netzwerk kombiniert.