Interview Aral mit „Net Zero-Strategie“

Der deutsche Marktführer im Tankstellen-Geschäft, die BP-Tochter Aral, hat zum Thema Nachhaltigkeit und umweltgerechtes Handeln viel zu sagen. Wir sprachen mit Aral-Chef Achim Bothe über Strategien und Pläne.

Montag, 11. September 2023 - Tankstelle
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Aral mit „Net Zero-Strategie“
Bildquelle: BP / Aral

Convenience Shop: Als Mineralölgesellschaft stehen Sie in Sachen umweltgerechtes Handeln und Nachhaltigkeit besonders im Fokus. Wie arbeiten Sie daran, dass Ihre diesbezüglichen Aktivitäten von den Kunden an Tankstellen richtig wahrgenommen werden?
Achim Bothe: Wir arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen im Bereich der Nachhaltigkeit. Das Thema ist sowohl für unsere Kunden und unsere Mitarbeiter als auch für uns selbst von großer Bedeutung. Grundsätzlich verfolgen wir als BP/Aral eine Net Zero-Strategie, das heißt bis spätestens 2050 wollen wir unsere Co2-Emissionen so weit senken, dass wir Net Zero erreichen. Gleichzeitig haben wir fünf Wachstumsmotoren definiert, die darauf einzahlen: Elektromobilität, Convenience, Wasserstoff, Bioenergie und erneuerbare Energien. Alle Teile des Unternehmens arbeiten daran, die Ziele in den einzelnen Bereichen zu erreichen.

CS: Was sind konkret die Arbeitsfelder in Sachen Nachhaltigkeit, die die Tankstellen betreffen?
Ein erster großer Block ist das Thema Mobilität und deren Dekarbonisierung, über die wir noch sprechen werden. Das zweite große Thema ist der Energieverbrauch in Summe. Da geht es beispielsweise um Themen wie Lichtmenge, aber auch Kühlung im Shop. Letztere wurde wegen der Bequemlichkeit für die Kunden früher oft ohne Türen eingebaut. Jetzt bauen wir nach und nach wieder Türen ein und sehen dadurch beispielsweise, dass sich der entsprechende Stromverbrauch um 60 Prozent reduziert. Dazu kommt ein Programm, das wir ‚Smart Digital Asset‘ nennen. Dabei geht es darum, wie man als Betreiber seine Geräte intelligenter machen kann, sodass man Verbrauchsdaten auslesen kann und in eine so genannte ‚Predictive Maintenance‘, also vorausschauende Wartung, hineinkommt. Das alles passiert in einem großen Tankstellen-Netz wie Aral nicht über Nacht, sondern Schritt für Schritt. Dazu kommt das Thema Photovoltaik. Bei Neubauten wollen wir das standardmäßig machen. An Bestandsanlagen haben wir Photovoltaik unter anderem an zwei Stationen in Bochum umgesetzt. Da in unserem Unternehmen Sicherheit eine große Rolle spielt, müssen wir beim Aufbau der Photovoltaik auf Dächern immer auch eine Absturzsicherung installieren, was die Wirtschaftlichkeit beeinträchtigt.

CS: Über das Jahr 2030 hinaus wird Aral wohl noch viele Kraftfahrzeuge mit Kraftstoffen versorgen müssen, die keine E-Autos sind. Sie werden also das eine tun, ohne das andere zu lassen?
Genau. Selbst wenn das sehr ambitionierte Ziel der Bundesregierung mit 15 Millionen E-Autos im Jahr 2030 eintritt, haben wir immer noch einen großen anderen Fahrzeugbestand. Wir glauben grundsätzlich an Technologieoffenheit, das heißt wir wollen von unserer Seite nicht vorwegnehmen, was das richtige Produkt ist, sondern den Kunden die Wahl lassen. Heutzutage kann jeder Autokäufer die Entscheidung treffen, ob er sich einen Verbrenner oder ein E-Fahrzeug kauft. Aber bei den Kraftstoffen für Verbrenner gibt es sicherlich noch andere Optionen, die in Betracht kommen. So beispielsweise die Futura-Kraftstoffe, die an zwei Stationen testweise angeboten werden. Perspektivisch reden wir auch über die neuen Energievektoren wie Bio-CNG, Bio-LNG, Wasserstoff oder HVO. Alles was die Dekarbonisierung des Verkehrs unterstützt ist willkommen.

CS: Es wird aktuell viel darüber spekuliert, wie viel Tankstellen es künftig in Deutschland noch geben wird, wenn Formen der Mobilität eingeschränkt werden. Was erwarten Sie?
Wir sind Anbieter für Mobilität und Convenience, was heutzutage nicht so eindimensional zu verstehen ist wie vielleicht früher. Man kann die Mobilität in Deutschland nicht einfach mit einem Federstrich verändern. Aktuelle Forschungen zeigen, dass der Wunsch der Menschen nach Mobilität auch in Deutschland weiter steigt, sowohl bei der Arbeit als auch in der Freizeit. Die Frage ist, mit welchen Verkehrsmitteln das geschehen soll. Natürlich ist die Zahl der Tankstellen in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten bereits deutlich gesunken. Wir gehen von einem leicht rückläufigen Trend aus. Ich würde aber nicht zustimmen, dass wir bald beispielsweise nur noch die Hälfte der heute etwa 14.000 Tankstellen brauchen.

CS: Solche Voraussagen, die in der Öffentlichkeit kursieren, beruhen natürlich auch darauf, dass das E-Loading deutlich zunimmt. Wie ist Ihre Strategie?
Wir setzen klar auf das Ultraschnellladen, weil wir glauben, dass wir uns damit im Ladepool von morgen positiv differenzieren können. Mit Standard-Ladeleistungen, die ich auch zuhause oder auf dem Supermarktparkplatz bekomme, schafft man keinen Mehrwert für die Kunden. Bereits heute haben wir an etwa 240 Tankstellen 1.600 Ladepunkte. Die Zahl soll sich bis Ende 2023 auf 3.000 Ladepunkte erhöhen und dafür werden wir allein in diesem Jahr 100 Millionen Euro investieren. Und da bei diesem Ausbau auch der Grundsatz gilt: ‚Lage, Lage, Lage‘ und für die Ladestationen eine gewisse Frequenz notwendig ist, nutzen wir natürlich auch unser Tankstellen-Netz. Wir haben zudem einen ersten Ladekorridor für elektrische Lkw eröffnet, sodass man von Schwegenheim in der Südpfalz bis hinein ins Ruhrgebiet mit dem Elektrotruck fahren kann – ohne die Gefahr, irgendwo ohne Versorgung zu stranden. Dieses Angebot können wir deutlich ausbauen.

CS: Soll das Ultraschnellladen an der Tankstelle auf dem Forecourt stattfinden oder den Grundstücken ganz allgemein?
Auch auf dem Forecourt. Wir haben beispielsweise an der Aral-Station in Bochum gegenüber unserer Verwaltung auf dem Forecourt zwei Zapfsäulen abgebaut und diese durch Ladestationen ersetzt. Das heißt, wir prüfen nicht nur, wie wir an Tankstellen zusätzlich Ladesäulen unterbringen können, sondern auch, ob das unter den Tankstellen-Dächern in Kombination mit den Zapfsäulen geht.

CS: Im weiteren Verlauf der Entwicklung wird voraussichtlich auch die Nachhaltigkeit der Ladenetze stärker in den Fokus geraten. Wie sehen Sie das?
Unser gesamtes Ultraschnell-Ladenetz wird mit Ökostrom betrieben. Aber das Thema ist vielschichtig. Deutschland hat einen großen Bedarf an Primärenergie, die derzeit vor allem durch Import gedeckt wird, ob das Erdgas, Rohöl oder Fertigprodukte sind. Je mehr man die einzelnen Sektoren auf Strom umbaut, muss man sowohl die lokale Produktion erhöhen – was letztlich auch limitiert ist – als auch mit grünem Wasserstoff und Ammoniak zu anderen Primärenergien kommen. Auf beiden Feldern ist BP aktiv.

CS: Haben aus Ihrer Sicht beispielsweise künftig Modelle wie Swapping-Stations, an denen die Akkus von E-Fahrzeugen nicht nur aufgeladen sondern gleich getauscht werden, in Deutschland eine Chance?
Ja, durchaus. Wir testen solche Angebote für E-Roller bereits an Stationen in Berlin und ich kann heute erstmals sagen, dass wir den Test auf weitere Stationen in Nordrhein-Westfalen ausweiten wollen. Gründe sind das veränderte Mobilitätsverhalten und die Wünsche der Kunden.

CS: Wie sieht es in Sachen Nachhaltigkeit im Lebensmittel-Sortiment der Tankstellen-Shops aus? Da werden ja bestimmt auch Veränderungen notwendig werden?
Bei den Lebensmitteln in unseren Tankstellen-Shops muss sichergestellt werden, dass wir einerseits die Kundenwünsche erfüllen, andererseits aber nicht zu viel anbieten und dann vermehrten Wegwurf haben. In unserem eigenen Netz machen etwa 1.100 Stationen bei ‚Too Good To Go‘ mit, wofür wir sehr positive Rezensionen bekommen. Wir bieten diese Überraschungstüten für 3,50 Euro, in denen, bunt zusammengestellt, der dreifacher Warenwert drin ist. Und immerhin 70 Prozent aller angebotenen Tüten werden auch verkauft. Im Shop setzen wir darüber hinaus auf Partnerschaften beim Thema Mehrweg mit Unternehmen wie Recup oder mit Oatly, was Hafermilch angeht. Die Entsorgung von Speiseresten und Lebensmittelabfällen organisieren wir mit Refood, die daraus letztendlich Biogas und Biodiesel produzieren. Was das Shop-Sortiment angeht, wird es eine kontinuierliche Erweiterung in Richtung veganer und vegetarischer Produkte geben.

CS: Vergessen darf man beim Thema Nachhaltigkeit auch nicht die entsprechenden Herausforderungen beim Waschgeschäft. Was tun Sie dort?
Ich kann heute verkünden, dass wir im Herbst eine neue Generation von Premium Portalwaschanlagen vorstellen. Die neue Generation hat beispielsweise eine verbesserte Sensorik und eine bessere jahreszeitlich ausgelegte Reinigungsleistung. Im ersten Schritt wird das neue Modell an rund 100 Stationen eingebaut. In den vergangenen Jahren haben wir auch den Frischwasserverbrauch reduziert. Nur rund zehn Prozent Frischwasser werden eingesetzt, der Rest ist Brauchwasser.

CS: Wie motivieren Sie Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für das Thema Nachhaltigkeit?
Ein ganz entscheidender Punkt. Je besser die Mitarbeiter beispielsweise beim Thema Licht, aber auch Heizungs- und Kühlungseinstellungen geschult sind, umso größer ist der Beitrag zur Energieeinsparung. Die Mehrweg-Angebote müssen im Shop positioniert und die Kunden immer wieder darauf aufmerksam gemacht werden. In Zeiten der Veränderung ist Kommunikation das Entscheidende. Intern haben wir zahlreiche Kommunikationsformate, um wirklich die gesamte Organisation mitzunehmen. Dabei ist es besonders wichtig, die unterschiedlichen Perspektiven zusammenzuführen. So stehen beispielsweise die Kollegen aus dem Flottengeschäft oder dem Convenience-Geschäft vor ganz unterschiedlichen Herausforderungen.

CS: Wie sehen Sie Ihre persönliche Rolle dabei?
Eine meiner wichtigsten Aufgaben ist es, das Geschäft so integriert wie möglich zu betrachten. Daher versuche ich auch, persönlich viel Zeit mit den operativen Teams sowie an unseren Stationen zu verbringen, da das meist der beste Weg ist, das Kundenverhalten zu beobachten und unsere Prozesse zu analysieren. Aber auch im Gespräch mit Tankstellen-Partnern und deren Mitarbeitenden bekomme ich einen guten Überblick, wie das Geschäft vor Ort läuft und was wir daraus lernen können. Wir werten die Erfahrungen mit den internen Teams aus und arbeiten kontinuierlich an Verbesserungen im Sinne der Kunden.

CS: Welche Rolle spielt die Art der Organisation des Shop-Geschäftes in diesem Zusammenhang?
Wir sind überzeugt, dass uns das Agenturmodell im Shop bei unseren Nachhaltigkeits-Aktivitäten hilft. Es bringt mehr Steuerung, mehr Verständnis und mehr Koordination. Das verbessert auch bei Nachhaltigkeitsthemen die gesamte Abstimmung. Es macht zudem einen großen Unterschied, wenn man zu all den Themen eine qualifizierte Datenbasis hat und darüber in Gespräche einsteigen kann.

CS: Sie haben kürzlich Ihren Vertrag mit Lekkerland verlängert. Spielen auch in dieser Partnerschaft künftig nachhaltige Konzepte eine größere Rolle?
Auf jeden Fall. Die Verlängerung mit Lekkerland ist Ausdruck der Zufriedenheit mit der bisherigen Entwicklung und das Fundament für weiteren Ausbau. Natürlich wird künftig auch die Frage wichtig sein, wie wir die Anlieferung zum Beispiel schrittweise dekarbonisieren können. Die Zahl der Lieferstopps an den Shops muss sogar erhöht werden, je besser das Geschäft lauft und je mehr frische Produkte wir anbieten. Aber in einer solchen Partnerschaft wie der zwischen Lekkerland und Aral sind nachhaltige Konzepte realisierbar. Dabei helfen auch Partnerschaften mit entsprechend langfristigen vertraglichen Bindungen.