„Call for Evidence“ Schluss mit dem „Weiter so“

Die Verbände der Tabakwirtschaft in Deutschland sind mit dem bisherigen Verlauf des so genannten „Call for Evidence“ zufrieden. Die Bürgerbeteiligung war gut. Nun seien entsprechende Konsequenzen zu ziehen.

Samstag, 30. Juli 2022 - Tabak
Martin Heiermann
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Bildquelle: VdeH

Die EU-Kommission hatte bis zum 17. Juni Konsumenten, Händler und auch andere Marktteilnehmer aufgerufen, zu den geltenden Tabakregulierungen Stellung zu beziehen. Zu diesem „Call for Evidence“ hat Convenience Shop die einschlägigen Verbände um eine Bewertung der europaweiten Umfrage gebeten. Überwiegend positiv äußern sie sich zum zurückliegenden Verlauf. Demnach sind rund 25.000 Stellungnahmen bei der Kommission eingegangen.

Vor allem Bürger machen mit
Von Seiten der Wirtschaft, NGOs und Behörden kamen rund 1.000 Eingaben. „Der überwiegende Teil – mehr als 93 Prozent – wurde von EU-Bürgern eingereicht“, erläutert dazu Jan Mücke, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Tabakwirtschaft und neuartiger Erzeugnisse, BVTE. Aus Deutschland kamen, so der Verband, rund 3.500 Stellungnahmen, also etwa 15 Prozent. Damit liegt die Bundesrepublik auf Platz drei hinter Rumänien und Italien.
„Auch in Deutschland machen die Eingaben von Bürgern einen Großteil des Feedbacks aus,“ berichtet Mücke weiter. Hier scheint sich, aus Sicht der Verbandes, insbesondere eine hohe Anzahl von Dampfern von E-Zigaretten zu Wort gemeldet zu haben, die ihre Erfahrungen schilderten und oftmals auf die Bedeutung der aromatisierten Liquids hinweisen. „Genauso stößt man auf der EU-Konsultationsseite auf die Stellungnahmen vieler Konsumenten anderer Produkte wie Tabakerhitzer und tabakfreier Nikotinbeutel. Zahlreiche Raucher betonen die Eigenverantwortlichkeit und sprechen sich gegen Gängelungen aus,“ berichtet der Hauptgeschäftsführer.

Geringe Händlerbeteiligung
Bedauerlich sei, dass nur eine überschaubare Zahl von Händlern aus den Bereichen Tabakwaren- und E-Zigaretten-Handel sowie der Tankstellen-Shops „in ihrem stressigen Geschäftsalltag“ die Gelegenheit genutzt hätten. Hier hätte auf die Folgen, beispielsweise durch die Einführung von Einheitsverpackungen, hingewiesen werden können. „In der EU haben sich nur 731 Unternehmen an der Befragung beteiligt“, stellt Mücke ernüchtert fest.

Oliver Pohland, Geschäftsführer des Verband des E-Zigarettenhandels, VdeH, zieht eine positive Bilanz, vor allem im Vergleich zu anderen Konsultationen. Die Beteiligung sei beachtlich. Im Durchschnitt gingen sonst selten mehr als 1.000 Beiträge ein: „In unseren Augen verdeutlicht die enorme Vielzahl an Einreichungen, dass der Umgang mit dem Rauchen und weniger schädlichen Alternativen für sehr viele EU-Bürger ein wichtiges Thema ist“, so seine Stellungnahme.

Rauchfreie Generation 2040
Die EU-Bürger seien der Meinung, dass Regelungen, die mit Augenmaß und unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Fakten getroffen werden, dazu beitragen könnten, das EU-Ziel einer rauchfreien Generation bis 2040 zu erreichen. „Sinnvolle Alternativen wie die E-Zigarette sollten dabei nicht verteufelt, sondern wissenschaftliche Fakten berücksichtigt werden“, so Pohland. Inhaltlich hätten die Verbraucher auf die Rolle der Aromen hingewiesen, die bei ihrem Umstieg bedeutsam gewesen seien. Er forderte, deren Verfügbarkeit nicht einzuschränken.

Auch Dustin Dahlmann vom Bündnis für tabakfreien Genuss, BftG, verdeutlicht einen wesentlichen Aspekt der Rückmeldungen. Das sei der Wunsch nach einer stärkeren Einbeziehung der Harm Reduction in die Regulierung: „Viele ehemalige Raucher berichten von den Vorteilen, die sie nach einem Umstieg auf die E-Zigarette erlebt haben.“ Beiträge von Medizinern seien ähnlich.

Zu wenig Öffentlichkeit
Kritik am Call for Evidenz gab es dennoch. Mücke sieht ein Problem darin, dass außer den Fachkreisen kaum jemand davon erfahre: „Insbesondere die primär Betroffenen, die Konsumenten, kriegen von dieser Möglichkeit nichts mit“, meint er. Der BVTE und seine Mitgliedsunternehmen hätten sich bemüht, viele Bürger auf die Beteiligung hinzuweisen. Die Laufzeit von nur vier Wochen habe dies erschwert: Man sei ursprünglich von zwölf Wochen Laufzeit ausgegangen.

Der VdeH-Geschäftsführer sieht das weniger problematisch, obwohl die Bürgerbefragung mit vier Wochen äußerst knapp bemessen gewesen sei. Trotzdem sei in der Kürze der Zeit ein eindrucksvolles Meinungsbild erzielt worden. Und auch Dustin Dahlmann vom BftG meint, die vier Wochen Laufzeit hätten ausgereicht. Die Rückmeldungen seinen „enorm“.

Kein „Weiter so“
Mücke erwarten, dass die EU-Kommission die eingegangen Stellungnahmen angemessen bewertet. Ein einfaches „Weiter so“ in der Tabakkontrollpolitik dürfe es nicht geben. So bezeichne die EU-Kommission die Bildwarnhinweise als großen Erfolg der Tabakproduktrichtlinien. Tatsächlich fehle ihr jedoch ein belastbarer Nachweis dafür. Die Eingaben insbesondere von Dampfern sollten laut BVTE einen Anstoß liefern, um das Schadensminderungspotenzial der neuartigen Produkte auszuschöpfen. Bislang nehme Brüssel diese neuen Produkte primär als Bedrohung statt als Chance wahr. Auch sei zu berücksichtigen, dass die aktuelle Tabakproduktrichtlinie erst seit 2016 in den Mitgliedstaaten angewandt werde und bislang nicht einmal in sämtlichen Punkten umgesetzt worden sei.

Für die Aromenvielfalt
Pohland weist darauf hin, dass weder die Volumenbegrenzung von E-Liquids, noch die Obergrenze beim Nikotingehalt von E-Liquids, auf wissenschaftlichen Erkenntnissen beruhten. „Auch die Registrierung neuer Produkte sowie die sechsmonatige Stillhaltefrist machen in Bezug auf E-Zigaretten und E-Liquids nur dann Sinn, wenn diese überwacht und die Produkte kontrolliert werden.“ Für weiter gehender Regulierungen, wie der potenziellen Einschränkung der Aromenvielfalt, der geplanten Einheitsverpackungen oder Schockbildern bei E-Zigaretten, erwartet der VdeH eine Ablehnung. Dies berge die Gefahr, dass Nutzer Aromen verwenden, die für E-Liquids ungeeignet sind.