Tabakwaren Mehr Verbot, weniger Aufklärung

Immer noch leiden die Tabakwaren-Hersteller und der Handel unter der sich fortsetzenden Corona-Pandemie. Doch auch das nun beschlossene und erweiterte Tabak-werbeverbot trifft die Branche. Sowohl klassische Zigaretten als auch E-Zigaretten sind betroffen.

Dienstag, 22. September 2020 - Tabak
Martin Heiermann
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„Wir wissen noch nicht, wie Corona den weiteren Ablauf bestimmt“, sagt Bernd Eßer, Geschäftsführer von DTV Tabak auf Anfrage von Convenience Shop. Deshalb hält er es für verfrüht, sich zur Lage der Branche bereits im Sommer zu äußern. Doch auch in den kommenden Monaten wird es wohl kein einheitliches Bild zur wirtschaftlichen Situation der Tabakwaren-Industrie und auch des Tabakwaren-Handels geben. Das sieht auch der neue Geschäftsführer des Handelsverband Tabak, Steffen Kahnt, so: „Das Spektrum bei den Unternehmen reicht von ‚weitestgehend Normalbetrieb‘ bis ‚Dauerkrise‘,“ stellt er fest. Vor allem Unternehmen die Absatzstellen in tourismusrelevanten beziehungsweise hochfrequenten Standorten – zum Beispiel in Bahnhöfen und Flughäfen – betreiben, erreichten nicht annähernd die Vorjahresumsätze.

Peter Pütz, Director Category Tobacco bei Lekkerland, weist jedoch darauf hin, dass Tabakwaren seit Beginn der Corona-Pandemie stabile bis leicht steigende Bestellungen seitens der Kunden verzeichneten und verzeichnen. Dies seien zunächst Vorratskäufe gewesen. Doch „im weiteren Verlauf und auch heute noch scheinen die Konsumenten mehr Gelegenheit zum Rauchen zu haben, etwa im Home Office“, vermutet er. Zudem, so seine Analyse, seien die Auswirkungen der Corona-Pandemie anfangs regional unterschiedlich gewesen. In den ostdeutschen Grenzregionen führten die Grenzschließungen offenbar zu höheren Tabakwaren-Absätzen, in Westdeutschland habe sich die vorübergehende Grenzschließung eher negativ ausgewirkt. „Durch die verschiedenen Regelungen in den Bundesländern und die unterschiedliche Umsetzung durch die Städte und Gemeinden kam es auch vor, dass in einigen Regionen Tabakwarenfachgeschäfte und Kioske geöffnet sein durften, in anderen nicht“, so Pütz weiter.

Von den Schließungen betroffen waren vor allem auch die Betreiber von E-Zigaretten-Outlets. Das macht Dustin Dahlmann deutlich, Vorsitzender des Bündnisses für Tabakfreien Genuss (BfTG). Im Mai und Juni dieses Jahres hat das Bündnis eine Branchenumfrage durchgeführt, um die Folgen des Lockdowns für die E-Zigaretten-Branche zu ermitteln. Rund 600 Branchenvertreter, sowohl Händler als auch Hersteller, haben teilgenommen. Bei 74 Prozent der Umfrage-Teilnehmer hatte sich der Umsatz während des Lockdowns gegenüber den ersten beiden Monaten 2020 verschlechtert, so ein Ergebnis. Doch die Entwicklung seit der Wiedereröffnung stimme zuversichtlich: Danach gaben 45 Prozent der Branchenteilnehmer an, dass sich ihre Situation wieder verbessert habe. Knapp ein Fünftel, rund 19 Prozent, so die Befragung hätten sogar deutliche Verbesserungen verzeichnet.

Auch wenn der Onlinehandel während des Lockdowns ein Wachstum erfahren habe, so sei doch der stationäre Handel im Aufwind, urteilt Dahlmann. 37 Prozent der E-Zigaretten-Händler nutzen beide Vertriebswege. Aber der Anteil der Händler, die ausschließlich stationär vertreiben, sei innerhalb eines Jahres um 14 Prozent auf 52 Prozent angewachsen. Auch der Blick in die Zukunft fällt nach den Umfrageergebnissen des BfTG nicht negativ aus. Der Vorsitzende berichtet, dass zwei Drittel der deutschen E-Zigaretten-Händler und -hersteller zuversichtlich seien. Sie bewerten die Chancen ihrer Branche trotz zuletzt schwieriger Umstände als gut (46 Prozent) oder sogar sehr gut (22 Prozent).

Nicht ganz so positiv sieht Horst Winkler vom Verband des E-Zigaretten-Handels (VdeH) die Lage. Nach einem Umsatzeinbruch im vergangenen Jahr auf 480 Millionen Euro rechnet er für 2020 mit einem weiteren Rückgang von etwa 20 Prozent durch die Auswirkungen der Pandemie. „In Einzelfällen kann dieser Einbruch sogar wesentlich ausgeprägter sein. Zahlreiche Geschäfte wurden bereits dauerhaft geschlossen“, berichtet Winkler. Aufgrund der prognostizierten Rezession und der anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Lage, könne man davon ausgehen, dass ein Viertel der stationären Geschäfte in diesem Jahr schließen wird.

Auch das nun beschlossene und erweiterte Tabakwerbeverbot hemmt die Entwicklung der Branchenunternehmen. Betroffen sind sowohl die klassischen Tabakerzeugnisse als auch die Next Generation Products, also auch E-Zigaretten. So stellt Horst Winkler von VdeH klar: „Das Änderungsgesetz enthält weitreichende Neuerungen, die E-Zigaretten betreffen.“ So würden beispielsweise die nikotinfreien Nachfüllbehälter den nikotinhaltigen Produkten weitestgehend gleichgesetzt. „Aus Gründen des Gesundheits- und Verbraucherschutzes begrüßt der VdeH ausdrücklich die Ausweitung der bestehenden Inhaltsstoffverbote“, betont er. Dadurch werde ein verbindlicher rechtlicher Rahmen geschaffen und der Gesundheitsschutz gestärkt. Da neben der Inhaltsstoffregulierung jedoch auch eine Vielzahl überflüssiger Anforderungen und Pflichten mit dem Gesetz einhergingen, führe die Regulierung zwangsläufig zu immensen bürokratischen und finanziellen Herausforderungen, sowohl für die Wirtschaft als auch für die zuständigen Aufsichtsbehörden. Zentraler Kritikpunkt des VdeH ist aber, dass bei der Ausweitung des Tabakwerbeverbots die geringe Schädlichkeit der E-Zigarette gegenüber der Tabakzigarette, nicht beziehungsweise nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt wurde. Ein weiterer Kritikpunkt seien die beachtlichen Wettbewerbsnachteile gegenüber ausländischen Marktteilnehmern.

Auch für Dustin Dahlmann vom Bündnisses für Tabakfreien Genuss gibt es keine überzeugenden Argumente, Tabakprodukte und E-Zigaretten gleich zu regulieren. Die Hauptauswirkung sei, dass es künftig weniger Möglichkeiten gebe, durch Werbung für das gesündere Produkt Aufklärung zu leisten. Er zitiert eine Umfrage des Bundesinstituts für Risikobewertung, nach der nur sechs Prozent der Bevölkerung in Deutschland wisse, dass E-Zigaretten weit weniger schädlich seien als Tabakzigaretten. Unter den Rauchern würden nur fünf Prozent die Fakten kennen. „Das ist angesichts von 120.000 Tabaktoten in Deutschland ein alarmierendes Ergebnis“, meint Dahlmann. Deshalb seien staatliche gesundheitspolitische Stellen in der Pflicht, für breite Aufklärung zu sorgen.

In diese Kritik stimmt auch Peter Pütz von Lekkerland ein. „Das ab 2023 auch die Außenwerbung für E-Zigaretten & Co. untersagt ist, sehen wir negativ.“ Damit entfalle eine Möglichkeit, Konsumenten klassischer Tabakprodukte auf potenziell risikoreduzierte Produkte aufmerksam zu machen. Hier ist er auf einer Linie mit Steffen Kahnt vom BTWE. Der Verband bedauere, dass von der Regelung auch potenziell risikoreduzierte Alternativen wie Verdampfer und Erhitzer betroffen seien. „Damit wird der Gesundheit vieler Deutscher ein Bärendienst erwiesen,“ ist er sicher. „Doch für den Handel ergeben sich neue Chancen,“ urteilt er „da die Werbung am POS weiterhin erlaubt bleibt.“ Darauf verweist auch Pütz. Das Werbeverbot betreffe ab 2022 nicht die Werbung im Point of Sale. Der interessierte Kunde, so der Lekkerland Manager, könne dort weiterhin auf neue Produkte hingewiesen werden und sich über diese informieren. Grundsätzlich müsse es erlaubt sein, dass ein legales Produkt auch legal beworben werden könne.

Und eine weitere Folge wird das erweiterte Tabakwerbeverbot wohl haben. Darauf macht Anne Grote vom Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft (ZAW) aufmerksam. Der Konsum nicht in Deutschland versteuerter Tabakprodukte werde zunehmen. Zudem werde der Innovationswettbewerb beeinträchtigt. „Das ‚Einfrieren‘ bestehender Marktanteile dürfte zum Nachteil von kleineren und neuen Marktteilnehmern gehen,“ befürchtet Sprecherin Grote.