Blick über die Grenze Österreich setzt Zeichen

Zu behaupten, der österreichische Convenience-Markt sei weiter entwickelt als der deutsche, wäre vermessen. Aber es gibt im Nachbarland Ansätze, die durchaus auch für den deutschen Markt interessant sind – vor allem was die Kooperationen zwischen Handel und Mineralölgesellschaften angeht. Ein Blick über die „Grenze“ lohnt sich also.

Sonntag, 03. August 2014 - Kleinfläche
Martin Eschbach
Artikelbild Österreich setzt Zeichen
Mit Merkur inside ist Rewe International in österreichischen BP-Shops vertreten.

Spätestens seitdem Aral und Rewe in Deutschland bekannt gegeben haben, gemeinsam neue Shop-Konzepte an Tankstellen zu testen, ist die Convenience-Branche hier zu Lande in heller Aufregung. Mit Grund, denn sollten die Tests erfolgreich sein, wird es zu einem Roll Out kommen und das wird den Convenience-Markt in Deutschland verändern. Doch was hier in den vergangenen Wochen für reichlich Gesprächsstoff sorgt, ist in Österreich eigentlich schon länger gängige Convenience-Praxis. Dort setzen einige Mineralölgesellschaften bereits seit längerem auf Partnerschaften mit dem Lebensmittel-Einzelhandel. Interessant sind hier aus deutscher Sicht vor allem zwei Kooperationen: Erstens die zwischen BP und Merkur, die ihre Zusammenarbeit bereits 2012 nach einer erfolgreichen Testphase intensiviert haben. Der Roll Out ging zwar nicht so flott von statten, wie angekündigt, aber immerhin haben bis heute rund 40 Merkur inside-Stores eröffnet. Bis 2015 soll sich deren Anzahl noch verdoppeln. Und zweitens die Handelskette Billa, die mit Stop und Shop in mehr als 120 Jet-Stationen die Shop-Marke bildet. Diese zwei Konzepte sind deshalb besonders interessant, da sowohl Merkur als auch Billa zum Handelskonzern Rewe gehören, der inzwischen mit der BP-Tochter Aral in Deutschland experimentiert. Im Klartext: Sowohl Aral, als auch Rewe verfügen bereits über Erfahrungen. Und zwar aus unserem Nachbarland Österreich. Natürlich ist keine Eins zu Eins-Umsetzung möglich. Dazu sind die Märkt,e doch zu verschieden. Aber darauf kommt es gar nicht an. Was zählt ist die Erfahrung, denn Convenience ist Convenience. So passen sich die Preise in den österreichischen C-Stores immer mehr denen im Lebensmittel- Einzelhandel an. Möglicherweise ein Effekt, mit dem auch in Deutschland zu rechnen ist, falls sich das Angebot in den C-Stores und den klassischen Supermärkten insgesamt dann doch zu sehr ähnelt. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass sich C-Stores in Deutschland vom Lebensmittel-Einzelhandel auch in Zukunft unterscheiden müssen, auch um neue Kunden zu gewinnen und um vorzusorgen, damit sie nicht in die Preisfalle tappen. In Österreich gibt es eine Tendenz zu einem „neuen Preisgefüge“, wie die österreichische Fach-Journalistin Antonia Udwardi im Interview mit Convenience Shop bestätigt. „Auch BP setzt mit seinem Shop-Konzept Merkur inside auf ein neues Preisgefüge“. Das erfordere natürlich eine Erhöhung der Kundenfrequenz.

Fotos: Shutterstock, MERKUR inside


In Deutschland wäre eine Anpassung an das Preisniveau der Supermärkte und Discounter für das Convenience-Geschäft katastrophal. Das Shop-Geschäft trägt nur deshalb erheblich zum Einkommen der Tanksellen-Betreiber bei, weil die Preiswelt hier noch einigermaßen in Ordnung ist. Mancherortsallerdings auch deutlich überzogen, was wiederum auch der ganzen Branche schadet, denn ist der Ruf erst ruiniert... Ob mit Rewe to go ein annehmbarer Mittelweg gelingt, wird man sehen.

Doch nicht nur in Sachen Preisgestaltung ist Vorsicht geboten. Auch die Belieferung der C-Stores wird sich dann erheblich verändern, wenn zunehmend Lebensmittel-Marken in diesem Markt mitmischen wollen. Den großen Ketten ist es wohl kaum zu verübeln, wenn sie die Logistik selbst übernehmen wollen. Auch sie könnten sich Kooperations-Partner suchen und gemeinsame Sachen machen. Oder gleich versuchen, den größten Convenience-Händler in Deutschland zu übernehmen. Jedenfalls machten in den vergangenen Wochen Gerüchte die Runde, dass Händler, darunter angeblich auch Edeka und Rewe, Kauf-Interesse für Lekkerland gezeigt hätten. In Frechen werden diese Ambitionen jedoch ganz klar dementiert (siehe Meldung Seite 6).

Doch zurück nach Österreich, denn hier sorgen nicht nur die Großen Handelsmarken dafür, dass sich die C-Stores verändern. Auch Mittelständler wollen am Markt partizipieren und mischen ordentlich mit. Im April hat die Doppler-Gruppe ihre ersten eigenen Nahversorger-Outlets Tankstellen unter der Bezeichnung Nah & Frisch Punkt in Wels und Altmünster eröffnet (siehe Bericht Seite 33). Das Konzept hat Doppler gemeinsam mit den Kooperations-Partnern Julius Kiennast und Wedl entwickelt, „um den Konsumenten im Vergleich zum klassischen Tankstellenshop ein weiteres Waren-Sortiment zu bieten“, teilt Julius Kiennast, Geschäftsführer des gleichnamigen Unternehmens, mit. Kiennast und Wedl sind zwei Großhandelshäuser, die gemeinsam wiederum den Dienstleister Shop Top Service ins Leben gerufen haben und unter dieser Bezeichnung C-Stores in Österreich beliefern. Die Idee, mit Handelsunternehmen im Tankstellen-Geschäft zu kooperieren, wird in Österreich inzwischen also weiter gesponnen und hat auch den Mittelstand erreicht. Auch, weil man anscheinend bereit ist, ein höheres Risiko einzugehen. Die verantwortlichen Manager sowohl bei den Mineralölgesellschaften als auch bei den Lebensmitteleinzelhandels- Marken in Österreich sind bereits heute davon überzeugt, dass das Nahversorgungs-Zeitalter begonnen hat und eine entsprechende Umstrukturierung und Neuorientierung im Convenience- Markt von Nöten ist. In Deutschland werden die Test-Ergebnisse von Rewe to go in den Aral-Stationen wahrscheinlich den Ausschlag geben, wenn entschieden wird, wo die Reise hingeht.

Fotos: Shutterstock, MERKUR inside


In aller Munde

Was ist in Österreich anders? Das wollten wir von Antonia Udwardi, Redakteurin bei Regal, dem großen österreichischen Fachmagazin für den Lebensmittel-Einzelhandel, wissen.

Frau Udwardi , wie schätzen Sie den Convenience-Markt in Österreich derzeit insgesamt ein?

Antonia Udwardi: Convenience ist derzeit wortwörtlich in aller Munde. Lebensmittel-Ketten investieren gewaltig in Sortimentsausbau, eigene Kühlmöbel sowie Marketingmaßnahmen, um dieses Sortiment zu pushen. Dabei sind Frische und Qualität die obersten Prämissen.

Für Frische und Qualität sorgt in österreichischen Tankstellen-Shops also vor allem auch der Lebensmittel-Einzelhandel. Ist das eher von Vorteil?

Udwardi:Für das Convenience-Geschäft ist das sicherlich ein Vorteil, da mit dem Supermarkt-Sortiment gleichzeitig auch mehr Frische in den Tankstellen-Shops Einzug hält.

Was machen die Lebensmittler in Sachen Shop-Geschäft anders?

Udwardi: Die Preissituation hat sich etwas geändert. So bietet etwa Spar in den Spar express Tankstellen-Shops seine Eigenmarken zum selben Preis wie im Supermarkt an. Und auch BP setzt mit seinem Shop-Konzept Merkur inside auf ein neues Preisgefüge. Natürlich muss dadurch die Frequenz um einiges steigen, was auch der Fall ist. Und was neben dem Preis auffällt, sind der Ladenbau und – wie schon angesprochen – das Frische-Sortiment. Hier setzen die Lebensmittel-Ketten auf ihr bestehendes Know how.

Wird sich dadurch das Sortiment insgesamt in C-Stores in Österreich verändern, beispielsweise weniger Süßwaren und Zigaretten?

Udwardi: Nicht unbedingt. Zigaretten und Süßwaren sind auch weiterhin gefragt. Auf Grund der Sortiments-Auswahl und des Preisgefüges entwickelt sich der Tankstellen-Shop aber immer mehr zur Einkaufsstätte. Nicht umsonst musste etwa ein Großteil der Non Food-Produkte – sprich Autopflege etc. – für Frischeprodukte Platz machen.

Eine der wenigen Tankstellen-Marken, die das Shop-Geschäft in Österreich noch mit eigener Marke selbst steuert, ist die OMV. Glauben Sie, dass auch hier mittelfristig eine Lebensmittelmarke im Shop „den Ton angeben wird“?

Udwardi: Die OMV möchte sich mit ihrem Viva-Konzept als Dienstleistungszentrum etablieren und verzichtet gezielt auf eine Marken-Shop-Kooperation mit einer Lebensmittelmarke. Ich denke, dass beide Modelle ihre Berechtigung haben und letztlich ohnehin der Kunde entscheidet, welcher Shop ihm das beste Preis-Leistungs-Gefüge bietet.

In Deutschland ist man hier erst am Anfang. Was können deutsche Handels-Unternehmen von den Österreichern lernen?

Udwardi: Mittlerweile rückt immer mehr Qualität vor Quantität. So haben in den letzten Jahren viele Mineralölfirmen ihr Tankstellen-Netz in Österreich verkleinert und dafür in Top-Standorte investiert. Das Bild von einem dunklen, schlecht sortierten, oftmals sogar verrauchten Shop ist überholt. Kunden fordern einen modernen Ladenbau sowie ein starkes, frisches Sortiment zu leistbaren Preisen.

Fotos: Shutterstock, MERKUR inside

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Bild öffnen Mit Merkur inside ist Rewe International in österreichischen BP-Shops vertreten.
Bild öffnen Antonia Udwardi hat als Redakteurin bei Regal auch den österreichischen Convenience-Markt im Blick und berichtet regelmäßig.