Interview Tankstellen als Frequenzbringer begreifen - Woran ist das Konzept gescheitert?

Das Tanken wird in Zukunft nur noch Mittel zum Zweck sein, sagt Markus Wiesehahn. Aber im Drumherum einer Station steckt noch Umsatzpotenzial. Der Head of Petroleum & Automotive bei CBRE Deutschland erläutert, welche Serviceleistungen sinnvoll und welche ‧unnütz sind.

Montag, 14. Dezember 2015 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
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Woran ist das Konzept gescheitert?

Wiesehahn: Das ist nun reine Spekulation. Vermutlich wurde die Einstellung der Verbraucher zum Preis falsch eingeschätzt. Man hatte wohl angenommen, dass Edeka-Kunden weniger preissensibel sind und das auch auf die Kraftstoffe übertragen. Zudem leben Marken-Tankstellen sehr stark von Flottenkarten, und diese Kunden fahren nicht bis zum nächsten SB-Warenhaus, sondern steuern die Straßentankstelle auf direktem Wege an. Ich vermute, dass Aral und Rewe to go besser funktioniert, weil ein geschlossener Bereich in die Tankstelle eingebettet ist. Eine starke Marke, die sich solitär neben einem Supermarkt mit mehr oder weniger nur Kraftstoff etabliert, wird wohl nicht so wahrgenommen.

Welche Verkaufsideen wurden außerdem noch falsch eingeschätzt?

Wiesehahn: Im Großraum Hannover hat Shell z.B. auch mal Apothekendienste in Tankstellen integriert. Doch meines Erachtens hat dieses Produktportfolio nicht zu dem, was gemeinhin in eine Tankstelle gehört, gepasst. Außerdem war das Apothekensortiment dort eingeschränkt und sicher mangelte es auch an der Beratungsqualität.

Gibt es vielversprechende Konzepte?

Wiesehahn: An Shell-Stationen im Großraum Berlin eröffneten zum Beispiel 70 Business Lounges in Zusammenarbeit mit Regus, einem Anbieter flexibler Bürolösungen. Das ist vor allem für solche Unternehmen interessant, die Bürofläche zu Präsentationszwecken auf kurze Zeit anmieten müssen. Regus-Express bietet zudem gewisse Büro-Services. Es ist zwar für den Mieter die teurere Variante, aber es steckt viel Potenzial darin.

Welchen Mehrwert können Tankstellen ihren Kunden sonst noch bieten?

Wiesehahn: Eine ähnliche Möglichkeit sindBusiness-Zellen. Die sind für jene gedacht, die in einer mobilen Gesellschaft beruflich viel unterwegs sind, aber nicht im Auto oder einem Café arbeiten wollen bzw. können. Sie sind in einem kleinen Besprechungsraum mit IT-Infrastruktur ungestört. Das wird aktuell an zehn Stationen geprüft. In Berlin sind die Reaktionen darauf gut. Ob das ein Indikator für einen nationalen Rollout ist, weiß ich nicht. Vor zwei Jahren hätte ich das für völlig unrealistisch gehalten. Nun ist mir zu Ohren gekommen, dass im Großraum der Spreemetropole dafür Bedarf an 70 Stationen vorhanden sei.

Neuerdings ist die Rede von Co-Location? Was steckt dahinter?

Wiesehahn: Dabei geht es um die Abrundung bzw. Integration von affinen Nutzungen in und um die Tankstelle. So hat Shell an mehreren Stationen die Firma Carglass quasi als Untermieter aufgenommen, so dass dort so genannte mobile Branchen für die Reparatur entstehen. Vorgesehen ist wohl, diese Kooperation weiter auszurollen. Das macht durchaus Sinn, weil das Werkstattgeschäft weggebrochen ist. Eine ähnliche Idee wird als Shop-in-Shop schon an Autobahn-Tankstellen umgesetzt. Denken Sie einmal an Burger King oder Lavazza.

Was raten Sie Tankstellenbetreibern?

Wiesehahn: Wir müssen die Tankstelle mehr als Frequenzbringer begreifen und darüber andere Dienstleistungen oder Produkte anbieten. Insofern passen Paketdienste oder EC-Automaten ganz gut ins Bild. In Berlin gibt es sogar eine Tankstelle, wo ein Herrenausstatter schon seit Jahren Fuß gefasst hat. Grundsätzlich geht es doch darum, aus dem gegebenen Verkehrsaufkommen mehr Umsatz zu generieren. An Autobahnraststätten könnte ich mir – allein aus Sicherheitsgründen – bezahlte Parkplätze vorstellen. Auch das verstehe ich als zusätzliches Serviceangebot zum Tank- und Shopgeschäft.

Gibt es nachahmenswerte Beispiele aus dem Ausland?

Wiesehahn: Im Ausland, vor allem in Großbritannien, suchen sich die großen Retailer häufig die Mineralölgesellschaft, die zu ihrem Kleinflächenkonzept passt. Was spricht dagegen, sich ein Tankstellen-Portfolio anzusehen, es hübsch zu machen und dann an einen Investor zu verkaufen, der es an die MÖG zurückvermietet. Davon ist der deutsche Markt aber noch weit entfernt.

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