Organisation Klicks statt Zettelwirtschaft

Aufgaben werden manchmal schlichtweg vergessen, vor allem wenn sie unregelmäßig anfallen. Und wer hat schon immer alle hygienischen Vorschriften im Kopf? Ein elektronischer Merkzettel soll Mitarbeitern in Tankstellen effizient durch den Alltag helfen.

Montag, 14. Dezember 2015 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Klicks statt Zettelwirtschaft

Nein, Christoph Konietzny hat nicht die Absicht, eine Mondlandung zu konstruieren, „aber wir Informatiker neigen schnell dazu“, schmunzelt er. Was er und sein Geschäftsführer-Kollege Stephan Jagals programmieren, optimiert die Prozesse an Tankstellen. Dafür haben die beiden vor vier Jahren eine Software entwickelt, zu der ein Betreiber von zehn Shell-Tankstellen den Anstoß gab.

Grundlage für das Programm Intralean S ist die Philosophie des Leanmanagements. Der Begriff sei oft mit Abspecken gleichgesetzt worden, erklärt Jagals: „Wenn wir von lean sprechen, dann meinen wir Effizienz. Es gibt zum Beispiel sieben Verschwendungsarten, dazu gehört unter anderem Suchen und lange Wege. Unser Programm unterstützt das gesamte Tankstellen-Team, dass solche Verschwendungen reduziert, bestenfalls vermieden werden.“ Intralean wurde nicht am Reißbrett entwickelt. Jagals und Konietzny bekommen regelmäßig praktischen Input von den zehn Stationsleitern. Schließlich sei die Herausforderung, dass alle Programme von den Mitarbeitern bedienbar sind. Perfekt sei die Software erst dann, wenn man nichts mehr weglassen könne, erklären die beiden Geschäftsführer.

Es geht aber nicht darum, Daten für irgendwelche Analysen zusammenzutragen, sondern im weitesten Sinne um Kommunikation. Intralean erstellt – vereinfacht gesagt – elektronische Post Its, die die Mitarbeiter über den PC oder das Kassenterminal an verschiedene Aufgaben erinnern bzw. Informationen an sie weiterleiten. Dort poppt ein Fenster auf, wenn Intralean meint, dass der richtige Zeitpunkt gekommen ist, um den Backofen im Shop neu zu bestücken, die Sanitäranlagen zu kontrollieren, die Temperaturen der Kühlungen zu prüfen oder das Frostschutzmittel vor der Eingangstür zu platzieren, weil Minustemperaturen angesagt sind. Ausgeführte Arbeiten bzw. Routineaufgaben müssen vom Mitarbeiter dann bestätigt werden, was den lückenlosen Nachweis der Durchführung sicherstellt.

Das Software-Programm denkt mit und plant nur dann die Einsätze, wenn die Kundenfrequenz es zulässt. Dieses Aufgabenmanagement ist ein Baustein im Bereich Organisation, ein anderer ist das Ereignismeldungs-System, das bei unvorhersehbaren Geschehnissen, etwa bei Ausfall einer Eistruhe oder bei einem Arbeitsunfall, ins Spiel kommt und die Bearbeitung dieser Ereignisse startet (siehe auch Kasten: Das Fundament).

Übrigens lassen sich die Intensität der Pop-ups bzw. die Aufgabenverteilungen einstellen und bis zum einzelnen Mitarbeiter herunter brechen. Das heißt, wer zum Beispiel noch nicht lange an der Tankstelle beschäftigt ist, bekommt möglicherweise mehr Hinweise als ein Stationsleiter. Jagals und Konietzny betonen in diesem Zusammenhang, dass Intralean aus den Beschäftigten keine gläsernen Mitarbeiter machen will, sondern als Hilfe bzw. Unterstützung in ihrem Arbeitsalltag zu verstehen ist.

Eine weitere Anforderung von Shell an die Software war, dass sie die Dokumente organisiert, also dass diese immer auf aktuellem Stand zur Verfügung stehen. Neuerungen müssen auch bei jedem Mitarbeiter ankommen und für das Suchen von Dokumenten darf keine Zeit verschwendet werden. Zum Beispiel können Handbücher hinterlegt, HACCP-Vorgaben, Arbeitssicherheitsmaßnahmen oder Produktdeklarationen mit wenigen Klicks gefunden werden. Alles, was dann auf dem Bildschirm erscheint, ist auch wirklich nutzerorientiert. Wer keine Waschstraße an seiner Tankstelle hat, erhält dazu auch keine überflüssigen Informationen. Möglichen Manipulationen ist übrigens insofern ein Riegel vorgeschoben, als sie dokumentiert werden– und dann auch auffallen.

Seit das Mindestlohngesetz in Kraft getreten ist, hat die Schichtplanung und Zeiterfassung ein neues Gewicht bekommen. Zum einen lassen sich darüber die Mitarbeiter optimierter einsetzen, weil sich die Planung an hinterlegten Kundenströmen oder besonderen Ereignissen im Umfeld der Station orientiert. Auch Planungslücken, etwa bei plötzlichen Krankheitsfällen, sind schneller zu schließen. Zum andern werden die gesetzlichen Vorgaben eingehalten – Vorteile, die vor allem bei Kontrollen der Mindestlöhne durch den Zoll nicht zu unterschätzen sind.

Es wäre übertrieben, zu sagen, Intralean könne auch verkaufen. Aber es kann den Mitarbeiter dabei unterstützen. So wollen Jagals und Konietzny mit ihrer Software, Mitarbeiter zum Verkauf motivieren. Das funktioniert wie folgt: Ein Tablet an der Kasse ruft dem Personal drei Produkte in Erinnerung, die sie dem Kunden noch anbieten können. Das kann ein Kaffee sein, ein Croissant oder eine Autowäsche. Die Auswahl ist für jeden Standort individuell zu gestalten. Es kommt auf das richtige Produkt zur richtigen Zeit an. Ein Kaffee am Abend macht beispielsweise wenig Sinn.

Der Auswahl des Steuerungsmodus was, wann und von wem angeboten wird, liegen verschiedenen Erkenntnisse zugrunde, etwa die Absatzzahlen aber auch die Auswertung von Nicht-Verkäufen. Denn auch das wird per Klick registriert: angeboten, aber nicht verkauft. Natürlich steht und fällt der Erfolg mit dem Geschick des Verkäufers, und zeigt auch, wo möglicherweise Schulungen angebracht sind.