Interview Tankstellen als Frequenzbringer begreifen

Das Tanken wird in Zukunft nur noch Mittel zum Zweck sein, sagt Markus Wiesehahn. Aber im Drumherum einer Station steckt noch Umsatzpotenzial. Der Head of Petroleum & Automotive bei CBRE Deutschland erläutert, welche Serviceleistungen sinnvoll und welche ‧unnütz sind.

Montag, 14. Dezember 2015 - Tankstelle
Ulrike Pütthoff
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Herr Wiesehahn, was interessiert die CBRE GmbH als Immobilienberatungs-Unternehmen am Convenience-Kanal?

Markus Wiesehahn: Der Bereich, für den ich verantwortlich bin, nennt sich Portfolio ‧Services, ein Anglizismus, der ganz simpel gesprochen, nichts anderes bedeutet, als dass wir für große Kunden die Immobilienverwaltung übernehmen, damit sich diese voll und ganz auf ihr Kerngeschäft konzentrieren können. Für uns hat sich der Kreis zur Tankstelle 2001 geschlossen, als CBRE das Immobilienmanagement des konzerneigenen Tankstellenbestandes von Esso übernahm. Vor fünf Jahren kamen weitere rund 2.000 Shell-Stationen dazu. Damit hat der Sektor Mineralölwirtschaft schlagartig in unserem Unternehmen eine neue Dimension erreicht.

Sie beschäftigen sich also nicht mit Betreiberkonzepten?

Wiesehahn: Sagen wir einmal, wir regeln die vertragliche Seite, damit Konzepte weiterentwickelt und Modernisierungen durchgeführt werden können. Esso hatte zum Beispiel damit begonnen, an seinen Straßentankstellen im Rhein-Ruhr-Bereich und München Forecourt und Shop räumlich voneinander zu trennen. Wir waren damit betraut, die Mietverträge entsprechend zu verlängern, damit sich die Kosten amortisieren.

Was macht solch eine Trennung eigentlich für einen Sinn?

Wiesehahn: Im Nachhinein sehen wir, dass eine diesbezügliche Akzeptanz in Deutschland komplexer ist. Hier zu Lande fährt keiner seinen Wagen zehn Meter vor, um dann zu bezahlen oder noch einen Snack o.ä. zu kaufen. Ihm sitzt vermutlich die Angst im Nacken, von den Kameras als Nichtzahler identifiziert zu werden. In anderen Ländern geht man damit anders um, und freut sich möglicherweise, trockenen Fußes in den Shop bzw. zur Kasse zu kommen. Dies ist ein schönes Beispiel dafür, dass ein internationales Roll-out eines Konzepts nicht immer einfach ist. In jedem Land müssen die Konzepte auf die nationalen Gegeben- und Gepflogenheiten abgestimmt werden.

Warum brauchen Tankstellen überhaupt neue Konzepte?

Wiesehahn: Die Anbieter in Deutschland verringern zwar teilweise ihr Tankstellennetz, erhöhen aber gleichzeitig die Qualität für den Kunden. Mineralölgesellschaften jeder Couleur müssen sich folglich Gedanken machen, denn der reine Kraftstoffverkauf reicht schon lange nicht mehr aus. Shop- und Kraftstoffumsätze haben sich in den vergangenen 20 Jahren frappierend entwickelt. Aber es ist kein Geheimnis, dass der Rohertrag durch den Kraftstoff-Verbrauch am Gesamtumsatz, im Vergleich zum Shopgeschäft, rapide sinkt. Ich glaube, Aral spricht heute schon von 12 Prozent Schmierstoffe versus 62 Prozent Shop-Umsätze und andere Dienstleistungen. Die Konsequenz ist, dass die Konzerne sich dem Convenience-Bereich viel stärker öffnen müssen.

Aber ist da nicht schon alles ausgeschöpft?

Wiesehahn: Klar, die großen Farben haben in den vergangenen Jahren unterschiedliche Piloten installiert – mal mit mehr mal mit weniger Erfolg. Jedenfalls ist auffallend, dass sich sowohl Aral als auch Shell für eine Strategie entschieden haben, über ihre Angebote und Shopkonzepte jenseits des Kraftstoffverbrauchs, neue Kunden zu gewinnen.

Meinen Sie die Kooperation von Aral und Rewe to go? Ist das Ihrer Meinung nach der richtige Weg?

Wiesehahn: Ja, das ist solch ein Ansatz. Ich bin vom Konzept, von der Anzahl und Vielfalt der Produkte für den schnellen und bequemen Einkauf fasziniert. Aber das ist ja nicht die erste Kooperation einer MÖG mit einem Lebensmittelhändler. Meines Wissens soll auch die Zusammenarbeit von Jet und Spar gut laufen.

Dagegen haben sich Edeka bzw. Spar und Shell Ende vergangenen Jahres wieder getrennt.

Wiesehahn: Ja, das ist richtig. Aber die beiden verfolgten da bereits eine neue Idee. Sie wollten ein gewisses Kontingent an SB-Warenhaus-Stationen branden, nicht mit dem Aufwand wie an einer normalen Tankstelle, aber Shell sollte schon erkennbar sein. Also zwei Marken, deren Stärken gebündelt wurden. Das Konzept schlug aber fehl, wie den Medien zu entnehmen war.


Woran ist das Konzept gescheitert?

Wiesehahn: Das ist nun reine Spekulation. Vermutlich wurde die Einstellung der Verbraucher zum Preis falsch eingeschätzt. Man hatte wohl angenommen, dass Edeka-Kunden weniger preissensibel sind und das auch auf die Kraftstoffe übertragen. Zudem leben Marken-Tankstellen sehr stark von Flottenkarten, und diese Kunden fahren nicht bis zum nächsten SB-Warenhaus, sondern steuern die Straßentankstelle auf direktem Wege an. Ich vermute, dass Aral und Rewe to go besser funktioniert, weil ein geschlossener Bereich in die Tankstelle eingebettet ist. Eine starke Marke, die sich solitär neben einem Supermarkt mit mehr oder weniger nur Kraftstoff etabliert, wird wohl nicht so wahrgenommen.

Welche Verkaufsideen wurden außerdem noch falsch eingeschätzt?

Wiesehahn: Im Großraum Hannover hat Shell z.B. auch mal Apothekendienste in Tankstellen integriert. Doch meines Erachtens hat dieses Produktportfolio nicht zu dem, was gemeinhin in eine Tankstelle gehört, gepasst. Außerdem war das Apothekensortiment dort eingeschränkt und sicher mangelte es auch an der Beratungsqualität.

Gibt es vielversprechende Konzepte?

Wiesehahn: An Shell-Stationen im Großraum Berlin eröffneten zum Beispiel 70 Business Lounges in Zusammenarbeit mit Regus, einem Anbieter flexibler Bürolösungen. Das ist vor allem für solche Unternehmen interessant, die Bürofläche zu Präsentationszwecken auf kurze Zeit anmieten müssen. Regus-Express bietet zudem gewisse Büro-Services. Es ist zwar für den Mieter die teurere Variante, aber es steckt viel Potenzial darin.

Welchen Mehrwert können Tankstellen ihren Kunden sonst noch bieten?

Wiesehahn: Eine ähnliche Möglichkeit sindBusiness-Zellen. Die sind für jene gedacht, die in einer mobilen Gesellschaft beruflich viel unterwegs sind, aber nicht im Auto oder einem Café arbeiten wollen bzw. können. Sie sind in einem kleinen Besprechungsraum mit IT-Infrastruktur ungestört. Das wird aktuell an zehn Stationen geprüft. In Berlin sind die Reaktionen darauf gut. Ob das ein Indikator für einen nationalen Rollout ist, weiß ich nicht. Vor zwei Jahren hätte ich das für völlig unrealistisch gehalten. Nun ist mir zu Ohren gekommen, dass im Großraum der Spreemetropole dafür Bedarf an 70 Stationen vorhanden sei.

Neuerdings ist die Rede von Co-Location? Was steckt dahinter?

Wiesehahn: Dabei geht es um die Abrundung bzw. Integration von affinen Nutzungen in und um die Tankstelle. So hat Shell an mehreren Stationen die Firma Carglass quasi als Untermieter aufgenommen, so dass dort so genannte mobile Branchen für die Reparatur entstehen. Vorgesehen ist wohl, diese Kooperation weiter auszurollen. Das macht durchaus Sinn, weil das Werkstattgeschäft weggebrochen ist. Eine ähnliche Idee wird als Shop-in-Shop schon an Autobahn-Tankstellen umgesetzt. Denken Sie einmal an Burger King oder Lavazza.

Was raten Sie Tankstellenbetreibern?

Wiesehahn: Wir müssen die Tankstelle mehr als Frequenzbringer begreifen und darüber andere Dienstleistungen oder Produkte anbieten. Insofern passen Paketdienste oder EC-Automaten ganz gut ins Bild. In Berlin gibt es sogar eine Tankstelle, wo ein Herrenausstatter schon seit Jahren Fuß gefasst hat. Grundsätzlich geht es doch darum, aus dem gegebenen Verkehrsaufkommen mehr Umsatz zu generieren. An Autobahnraststätten könnte ich mir – allein aus Sicherheitsgründen – bezahlte Parkplätze vorstellen. Auch das verstehe ich als zusätzliches Serviceangebot zum Tank- und Shopgeschäft.

Gibt es nachahmenswerte Beispiele aus dem Ausland?

Wiesehahn: Im Ausland, vor allem in Großbritannien, suchen sich die großen Retailer häufig die Mineralölgesellschaft, die zu ihrem Kleinflächenkonzept passt. Was spricht dagegen, sich ein Tankstellen-Portfolio anzusehen, es hübsch zu machen und dann an einen Investor zu verkaufen, der es an die MÖG zurückvermietet. Davon ist der deutsche Markt aber noch weit entfernt.

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