ISM Hersteller diskutierten

Hohe Rohstoffkosten, hohe Produktionskosten und die Bürokratie als Kostentreiber belasten die Süßwaren-Hersteller. Das wurde im Rahmen eines Round Tables der Lebensmittel Praxis deutlich.

Dienstag, 15. April 2025, 07:24 Uhr
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Bildquelle: LPV / Eilers

Es war spürbar Druck im Kessel beim Round-Table-Gespräch auf Einladung der Lebensmittel Praxis, den auch CS-Chefredakteur Hans Jürgen Krone mit moderierte. Hohe Rohstoffkosten und hohe Produktionskosten: Klar, sie belasten und beschäftigen die süße Branche intensiv. Was die Runde allerdings wirklich auf die Palme brachte, ist der Kostentreiber Bürokratie. Egal ob es deutsche Vorschriften oder solche der Europäischen Union (EU) sind. Den Wirtschaftsstandort Deutschland sahen alle in größter Gefahr. Durch den Würgegriff zu vieler Regulierungen, Vorschriften und aufwändiger Dokumentationspflichten. „Die Bürokratiekosten in Deutschland liegen laut einer aktuellen Studie des Münchner Ifo-Institutes bei sechs Prozent des Umsatzes der Unternehmen. Wie sollen wir als Mittelständler da international wettbewerbsfähig bleiben?“, beklagte Ulrich Zuenelli, geschäftsführender Gesellschafter von Loacker. „Was ich von der Politik fordere? Fünf Jahre lang keine neuen Gesetze, stattdessen jedes Jahr 100 bestehende abbauen“, sagte Fabian Meiberg, Head of Business Development, Sales & Marketing bei Kuchenmeister. „Es ist wichtig für eine erfolgreiche Zukunft, das Unternehmertum wieder stärker zu respektieren und zu fördern“, forderte Holger Krätz, Vertriebsdirektor bei Trolli. „Ich wünsche mir, dass die Politiker ihre Wahlversprechen nach der Wahl auch einhalten“, sagte Dr. Jürgen Brandstetter, Geschäftsführer Gottfried Wicklein. Zur Runde gehörten zudem Benno Mauerhan, Managing Director DACH Ritter Sport, und Josef Stollenwerk, Vertriebsleiter Deutschland von Manner.

Deutschland profitiert nicht
„Wir erleben nun das dritte Jahr in Folge Stagnation oder Rezession, während die Weltwirtschaft wächst. Das zeigt, dass Deutschland und andere europäische Länder nicht mehr vom globalen Wirtschaftswachstum profitieren können“, sagte Ulrich Zuenelli. Der Grund dafür sei der Verlust der Wettbewerbsfähigkeit. „Wir müssen gesellschaftlich klarstellen, dass unser Wohlfahrtsstaat nur funktioniert, wenn die Wirtschaft gesund ist und in die Systeme einzahlt.“ Er zitierte den ehemaligen SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel, der für Europa wieder eine „Economy-First“-Politik gefordert hat. Dafür gab es breite Zustimmung in der Runde. Dass die Wirtschaft in einer neuen Bundesregierung wieder Kernthema wird, darauf hofften alle, die in Köln miteinander sprachen. Doch was kann jetzt ganz konkret getan werden? Holger Krätz (Trolli): „Es ist wichtig für eine erfolgreiche Zukunft, das Unternehmertum wieder stärker zu respektieren und zu fördern. Der Begriff Unternehmertum muss in Gesellschaft und Politik wieder positiver wahrgenommen werden.“ Dazu gehöre es auch, „unseren eigenen Mitarbeitern zu zeigen, dass gemeinsame Anstrengung nicht nur notwendig ist, sondern auch Spaß machen kann“. Krätz appellierte gleichzeitig an die Runde: „Wir als Unternehmen sollten auch selbst aktiv werden, um unsere Positionen in Politik und Gesellschaft stärker zu vertreten.“ Er nannte die Mitarbeit in übergreifenden Institutionen wie etwa Sweets Global Network und dem Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie, BDSI, aber auch Kontaktaufbau und -pflege zu nationalen und regionalen Vertretern der Politik, um die Anliegen, Wünsche und Erwartungen in persönlichen Gesprächen deutlich zu machen und erklären zu können: „Ich denke, das ist der Weg, auf dem wir uns alle ein Stück weit neu erfinden können. Wir müssen aufwachen und aktiv werden.“

Verbraucher mit ins Boot holen
Fabian Meiberg (Kuchenmeister) will dabei noch einen anderen wichtigen „Verbündeten“ mitnehmen: „Ich glaube, vielen Verbrauchern ist gar nicht klar, was dieser Bürokratie-Wahnsinn mit seinem Papierkram wirklich bedeutet. Es ist nicht transparent, was die Industrie alles leisten muss.“ Als Beispiel nannte er die Entwaldungsverordnung. Denn Kosten entstehen selbst dann, wenn man wie Großbäcker Kuchenmeister von dieser Regelung gar nicht selbst betroffen ist: „Aber unsere Partner und Lieferanten in der Branche müssen sich darauf einstellen. Es gibt viele weitere Gesetze, die viel Arbeit verursachen und am Ende möglicherweise nicht den gewünschten Effekt haben. Letztlich wird das Geschäft dadurch teurer, weil wir nicht nur mit steigenden Rohstoffpreisen konfrontiert sind, sondern auch zusätzliches Personal benötigen, um die Einhaltung der Vorschriften zu gewährleisten.“ Diese zusätzlichen Kosten führten letztlich zu teureren Produkten. „Das liegt nicht nur an den Rohstoffproblemen oder Krisen, die wir erleben, sondern auch an der zunehmenden Bürokratie.“

Mangelnde Planbarkeit
Benno Mauerhan von Ritter Sport bemängelte auch gerade bei der Entwaldungsverordnung die mangelnde Planbarkeit. Die Unklarheit über das Inkrafttreten (von Ende 2024 auf Ende 2025 verschoben) habe die Arbeit nicht erleichtert. Da das Unternehmen sich über Kooperationen den Rohstoff Kakao sichere, sei das Sammeln der Daten an sich keine hohe Hürde: „Allerdings ist der administrative Aufwand durch die Dokumentationspflichten enorm und steht im Widerspruch zum eigentlichen Nutzen der Gesetzesinitiative. So ehrenwert der Grundgedanke auch ist, die Umsetzung ist in der Praxis ziemlich schwierig.“

Gesetz mit Nachjustierungs-Bedarf
Ein weiterer bürokratischer Hemmschuh für die Wettbewerbsfähigkeit war für Dr. Jürgen Brandstetter das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz: „Ich hoffe wirklich, dass man hier nachjustiert. Das Ziel ist zwar ehrenwert, aber wenn es Deutschland als Ganzes nicht gelingt, die Arbeitsbedingungen in Afrika zu verbessern, wie soll das dann ein mittelständisches Unternehmen wie unseres schaffen?“ Er listete Kostenfaktoren auf: „Wir müssen Personal nur dafür einstellen, die Dokumentation sicherzustellen. Zudem sind Besuche vor Ort nötig, um sich zu vergewissern, dass keine Kinderarbeit stattfindet – was wir auch zuvor schon gemacht haben.“ Sein Fazit: „Für ein Unternehmen unserer Größe ist das eine enorme Herausforderung. Das ist nicht angemessen und steht in keinem Verhältnis.“ Für Vertriebsdirektor Holger Krätz (Trolli) war die grundsätzliche Absicht vieler Regelungen oft nachzuvollziehen: „Aber der Formalismus aus Brüssel und Berlin ist wenig pragmatisch und sehr bürokratisch.“

Kalkulationen überarbeiten
Neben Kakao sind auch Butter oder Eier Preistreiber für die Unternehmen, und „das zwingt uns derzeit, unsere Kalkulationen zu überarbeiten und mit dem Handel darüber zu sprechen“, wie es Fabian Meiberg formulierte. „Unsere größte Sorge ist, wie sich die Absätze entwickeln werden, wenn ein Produkt, das vor zwei oder drei Jahren noch die Hälfte gekostet hat, in der nächsten Saison deutlich teurer wird. Besonders im Saisongeschäft spielen Verpackungen und Rohstoffverträge eine große Rolle.“ Holger Krätz blickt über Europa hinaus: „Die Konkurrenz weltweit wartet nicht auf uns. Deutschland genießt immer noch viel Respekt, sowohl in China, den USA und auch größtenteils weltweit. Dieser Respekt basiert jedoch auf vergangenen Leistungen. Die Herausforderung ist, wie wir es schaffen, dass dieser Respekt auch durch aktuelle Leistungen erneuert wird.“