Pfand für Mehrweg Die Acht-Cent-Frage rund um die Bierflasche

Uneinigkeit herrscht in der Brauwirtschaft: Sollen die Pfandbeträge für Mehrweg-Flaschen erhöht werden? Der Deutsche Brauerbund ist wohl eher dagegen, die Privat-Brauereien dafür. Preisdruck und das komplexe System sind in der Diskussion.

Sonntag, 18. Juni 2023 - Getränke
Martin Heiermann
Artikelbild Die Acht-Cent-Frage rund um die Bierflasche
Bildquelle: Veltins

Der Hochsommer steht vor der Tür und damit wird wohl auch in diesem Jahr das Leergut für Bier – seien es die 0,5 Liter- oder die 0,33-Liter-Mehrweg-Flasche plus Kästen – wieder knapper. Das ist nicht ungewöhnlich, denn in der warmen Jahreszeit kaufen die Konsumenten mehr Bier und mehr Leergut ist im Umlauf. In diesem Jahr droht der Leergut-Logistik aber ein besonderer Härtetest, meint der Deutsche Brauerbund. „Gründe hierfür sind auch die deutlich gestiegenen Kosten für Mehrweg-Glasflaschen und die fehlende Neuproduktion von Flaschen durch die Glashütten“, stellt Holger Eichele, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes, fest. Durch die Invasion Russlands in die Ukraine fallen zahlreiche Glashütten in der Ukraine und ebenfalls in Russland als Lieferanten für den europäischen Markt aus. Dadurch haben sich Preise und Nachfrage in der EU deutlich erhöht. Der Wiederbeschaffungspreis für eine Mehrwegflasche habe sich weiter vom Pfandsatz entfernt. Zudem verlaufe seit der Covid-Pandemie die Rückgabe von Leergut schleppender.

Die Braubranche ist sich nicht einig
Wie die Branche auf diese Situation reagieren wird, ist derzeit unklar und unter den Brauereien strittig. Die Meinungen gehen auseinander. Ein Teil der Brauereien fordert eine Erhöhung des Mehrweg-Pfandes, vor allem, um einen Rückgabe des Leerguts zu beschleunigen. Die anderen lehnen eine Anhebung des Pfandbetrages ab, auch weil das sehr komplex und teuer wäre. Auch der Unterwegs-Markt wäre von einer Anhebung betroffen. Hier stehen Bier und Biermix-Getränke ebenfalls zu einem großen Teil in Mehrweg-Flaschen in den Regalen. Der Brauerbund versucht nun zu moderieren. Zunächst gab er eine Verbraucher-Umfrage in Auftrag, mit dem Ergebnis, dass lediglich 22 Prozent der Befragten antworteten, sie würden Leergut schneller zurückbringen, wenn der Pfandsatz darauf deutlich erhöht würde. Darüber hinaus wurde vom Deutschen Brauer-Bund und dem Verband Private Brauereien eine Arbeitsgruppe gegründet. Sie soll sich mit der Problematik des Mehrwegpoolsystems beschäftigen, die Möglichkeiten ausloten und Interessen ausgleichen. Schon jetzt stehe allerdings fest, so Holger Eichele: „Eine Pfandsatzerhöhung wäre logistisch nur sehr schwierig umzusetzen, extrem kostenintensiv für die Brauereien und sie wäre auch nur umsetzbar, wenn alle mitziehen würden.“ Gemeint sind die Getränkehersteller und -abfüller, der Handel und die Verbraucher, „die derzeit ohnehin allesamt mit steigenden Kosten konfrontiert sind“. Viele kleinere Brauereien könnten wahrscheinlich einen höheren Pfandbetrag finanziell nicht stemmen.

Anders positioniert sich der Verband Private Brauereien in Bayern. Auf Anfrage von Convenience Shop teilt die Vertretung mittelständischer Brauer mit, einen höheren Pfandpreis sowohl auf Flaschen als auch auf Kästen sei notwendig: „Der Einkaufspreis für neue Flaschen und Kästen übersteigt mittlerweile den Pfandsatz um ein Vielfaches.“ Die Schere zwischen Pfandpreis und Neubeschaffungswert gehe durch gestiegene Energiekosten immer weiter auseinander. „Wenn nun das Leergut nicht zurückgebracht wird, müssen Brauereien neue Flaschen zukaufen und bleiben folglich auf diesem Fehlbetrag sitzen. Besonders für kleine und mittelständische Brauereien ist dies ein enormer Kostendruck“, argumentiert der Verband.

Kein Kommentar zur Pfandproblematik
Die Pfandproblematik wollen die meisten Brauereien öffentlich nicht kommentieren. Weder Carlsberg Deutschland noch die Bitburger-Braugruppe, weder Warsteiner noch die Radeberger-Gruppe oder die Brauerei Karlsberg äußern sich. Die Krombacher Gruppe teilt mit, man beobachte die aktuelle Situation um die Beschaffungspreise neuer Glasflaschen intensiv. „Generell ist es so, dass nur eine Lösung für die gesamte Branche zielführend wäre“, lässt sich ein Brauerei-Sprecher zitieren.

Deutlich für eine Pfanderhöhung spricht sich Stefan Kreisz, Vorsitzender der Erdinger-Geschäftsführung aus. Sie sei notwendig. Um sie zielgerichtet zu implementieren, sei eine konzertierte Aktion aller Partner, der Verbände, des Handels und der Politik von Nöten. Ähnlich sieht das Johannes Ehrnsperger, Inhaber und Geschäftsführer von Neumarkter Lammsbräu. Eine Erhöhung belohne „spürbar diejenigen, die leere Flaschen nach dem Genuss auch wieder zurückbringen“. Das sei dringend geboten, damit der Pfandkreislauf richtig funktioniere.

Veltins lehnt höherer Pfandbetrag ab
Völlig anders blickt Michael Huber, Veltins-Generalbevollmächtigter, auf die Situation. Er möchte den Verbraucher in „konsumbelasteten Zeiten“ nicht durch „sprunghafte Pfandsatzerhöhungen“ überfordern. Es drohe zudem ein Scheitern an der Komplexität des deutschen Mehrwegsystems. „Unser stabiles Pfandsystem ist eine Langfrist-Investition in die Nachhaltigkeit“, sagt er. Angesichts der langen Laufzeiten von Kästen und Flaschen, die bei 15 Jahren und mehr liegen können, sei eine Eins-zu-eins-Gleichung von Beschaffungswert und Pfandwert zu kurz gedacht. Auch seien je nach Jahreszeit bis zu 98 Prozent der Mehrweggebinde im Markt unterwegs. Damit stünden bei einer Stichtagslösung für die Brauwirtschaft Beträge in dreistelliger Millionenhöhe im Feuer, weil dann zurückkehrende Mehrwegkästen zu neuen Pfandsätzen vergütet werden müssten.

Johannes Ehrnsperger, Inhaber von Neumarkter Lammsbräu, meint, eine Pfanderhöhung sei dringend geboten, damit der Pfandkreislauf richtig funktioniere.
Michael Huber, Veltins-Generalbevollmächtigter, möchte den Verbraucher in konsumbelasteten Zeiten nicht durch sprunghafte Pfandsatzerhöhungen überfordern. Ein Scheitern drohe, weil das System komplex sei.