Handel und Wandel 2023 Eine inspirierende Jahrestagung

Seit mehr als zwei Jahrzehnten treffen sich Top-Entscheider der C-Branche zum Austausch über Chancen und Risiken. Auch von der jüngsten Ausgabe in Berlin waren die Teilnehmer begeistert.

Mittwoch, 02. August 2023 - Tankstelle
Convenience Shop
Artikelbild Eine inspirierende Jahrestagung
Bildquelle: Hergenröder/Handelsblatt

Große Zufriedenheit mit der Jahrestagung und durchweg positive Rückmeldung von Seiten der Teilnehmer: Der Branchentreff Handel und Wandel in Tankstellen und Convenience-Shops hat seine Bedeutung als Ort des Austausches zwischen Top-Entscheidern der Branche erneut eindrucksvoll unterstrichen. Moderator und CS-Chefredakteur Hans Jürgen Krone hatte in diesem Jahr den Begriff „Zeitenwende“ für die aktuelle Situation der Convenience-Branche insgesamt und der Tankstellen-Shops im Speziellen ins Spiel gebracht. Dabei gibt es aus seiner Sicht vor allem drei entscheidende Faktoren: Zum einen gebe es für die Convenience-Versorgung aktuell so viel Aufmerksamkeit wie selten zuvor. Das ist für die etablierten Anbieter aber nicht unproblematisch, weil bundesweit, von Smart Stores über Micro Marktes und ländliche Nahversorger bis hin zu städtischen Lieferdiensten, die in sehr kurzen Zeiträumen liefern, immer Wettbewerber hinzu kämen, die mit den Shops um den so genannten „Share of Stomach“ der Kunden kämpfen. Dazu kämen jetzt auch weitere große internationale Player wie Alimentation Couche Tard und 7-Eleven, die sich anschickten, im deutschen Markt mit ihren Convenience-Konzepten aktiv zu werden. Zweiter wichtiger Punkt bei der Zeitenwende sei die Energiewende in Sachen Mobilität. Da E-Loading nicht nur an Tankstellen möglich ist, stelle sich die Frage, ob das Geschäftsmodell Tankstelle künftig noch so weiter funktioniere wie bisher. Als drittes Element der Zeitenwende nannte Krone die zunehmende Digitalisierung sowohl im B2B-Bereich, von der Bestellung über die Belieferung bis zur Abrechnung in den Shops, als auch im Bereich B2C, durch die Online-Kommunikation mit den Kunden per Smartphone oder Connected Car-Systeme.

Aral-Chef auf der Bühne
Aral-Chef Achim Bothe, der mit seiner Keynote-Speak die Jahrestagung eröffnete, berichtete, dass auch ihm bei seinen Reisen zu den Stationen im Land immer wieder die Frage gestellt wird: „Wann gibt es denn mal wieder ein normales Tankstellen-Jahr“? Das sei auch kein Wunder, denn die Tankstellen hätten schon in den vergangenen Jahren viele Herausforderungen bewältigen müssen. So beispielsweise bei der regelmäßigen Belieferung der Stationen mit Kraftstoffen, dem Personalmangel, den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine Krieges. Dennoch hat Bothe auch Wachstumsfelder definiert, zu denen auch das Shop-Geschäft gehört. Erfolgsfaktoren sind für ihn dabei die Umstellung auf das Agenturmodell, die einen besseren Durchblick auf das Shop-Geschäft ermögliche und auch die Kooperation mit Rewe-To-Go, die für die Stationen einen besseren Wiedererkennungseffekt gebracht habe. Bis Ende 2023 will Aral, das im kommenden Jahr sein 100-jähriges Jubiläum feiert, über 900 Rewe-To-Go-Shops verfügen, sagte Bothe. „Wir stellen uns nicht mehr darauf ein, dass wir wieder normale Tankstellenjahre sehen werden“, stellte Bothe nach all dem fest. Man habe sich statt dessen auf kontinuierlichen Umbruch und eine weiter fortschreitende Transformation des Geschäftes vorbereitet.

Herausfordernde Transformation
Dass die Transformation des Convenience-Geschäftes keine leichte Aufgabe sein wird, erläuterte anschließend auch Philipp Pauly, bei Lekkerland für Rewe-To-Go zuständig, in seiner Keynote-Ansprache. Er teilte diesmal seine ganz grundsätzlichen Überlegungen in Sachen Weiterentwicklung des Convenience-Geschäftes mit den Teilnehmern. Dabei beschäftigte ihn vor allem die Frage, warum die Tankstellen-Shops trotz eigentlich riesiger Potenziale im Food-Geschäft diese nicht ausreichend nützen können. Das Problem: obwohl nur 30 Prozent der Bevölkerung Raucher seien, sorgten Tabakwaren in Tankstellen-Shops immer noch für mehr als 60 Prozent des Umsatzes. Und obwohl jeder Mensch mehrmals am Tag essen und trinken müsse, sorgten Food-Angebote dem gegenüber nur für 20 Prozent des Shop-Umsatzes. Die Frage sei deshalb, wo der Kunde sein Essen und Trinken eigentlich kaufe, wenn er unterwegs sei. Beim Blick auf ein Ranking der Umsatzanteile im Außer-Haus-Markt zeige sich eine dramatische Tatsache, nämlich dass sich Automaten und Tankstellen hinter Restaurants, Quick-Service, Erlebnisgastronomie, Bäckereien und dem LEH den letzten Platz im Ranking mit den Vending-Anbietern teilen müssten, beschrieb Pauly die Situation. Dabei seien die Rahmenbedingungen in Sachen möglicher Kaufakte für die Tankstellen eigentlich exzellent: In Deutschland besuchten etwa zehn Millionen Kunden täglich eine Tankstelle. 20 Millionen Menschen wohnten in einem 500 Meter-Radius um eine Tankstelle herum und etwa 80 Millionen Mal führen in Deutschland täglich Autos an einer Tankstelle vorbei. Im Rahmen einer aktuellen Umfrage von Lekkerland nannten die Kunden als Gründe für ihre Kaufverweigerung diese Reihenfolge: Preis, Produktauswahl und Produktqualität. Im Shop, so Paulys Schlussfolgerungen, müsse man auf mehr innovative Produkte, mehr Frische und andere anspruchsvolle Angebote setzen. Um Preise nicht senken zu müssen, solle auch die Preiswahrnehmung der Kunden verändert werden, Dabei sollten nach Paulys Auffassung preiswertere Alternative wie Eigenmarken auch in den Shops eine Rolle spielen. Im Folgenden wurden dann diese Themen, wie man die Wünsche der Kunden wirklich so erfüllen kann, dass sie weiterhin und vielleicht noch mehr im Shop kaufen, intensiv von sehr unterschiedlichen Seiten beleuchtet. So machten beispielsweise die Referenten von Reemtsma auf der Bühne von Handel und Wandel noch einmal sehr deutlich, dass sich auch ihr Unternehmen nicht auf dem weiterhin anhaltenden Erfolg von Tabakwaren in den Shops ausruht, für den man an einer nachhaltigen Entwicklung arbeitet, sondern die Kunden mit ihrem gesamten Kaufverhalten im Blick hat, um entsprechende Erkenntnisse auch mit den Shop-Partnern zu teilen.

In einer Diskussionsrunde, geleitet von der Ernährungsexpertin Patrizia Stitz, wurde deutlich, dass gesunde Angebote in Tankstellen-Shops oder beispielsweise den Restaurants der Bahn immer wichtiger werden, um Kunden zu begeistern und das Standing im Außer-Haus-Markt zu verbessern. Volker Behn, Geschäftsführer von Team Energy, sieht das als wichtigen Wettbewerbsfaktor. Gleichzeitig müsse aber auch berücksichtigt werden, betonte Alexander Thies, Leiter Bordservice bei DB Fernverkehr, dass die Gäste sehr unterschiedliche Ansprüche hätten und auch nicht belehrt werden wollten. Mit großer Spannung hatten die Teilnehmer das Interview mit Frank Rosin, erwartet. Dieser stand zusammen mit Peter Hack auf der Bühne, der mit ihm gemeinsam an einigen Konzepten arbeitet, die auch das Gastro-Geschäft an Tankstellen voranbringen sollen.

Im Auftrag einiger Player hatte sich Rosin bereits mit der Situation der Gastro-Angebote in der Convenience-Branche vertraut gemacht. Dabei ist der Spitzenkoch auch der Meinung, dass die Shop-Bistros durchaus die Möglichkeit haben, mehr aus diesem Angebot zu machen und weitere Potenziale zu erschließen. Dabei müsse das Angebote aber an den jeweiligen Standort angepasst sein und ebenso auf Qualität geachtet und an der Umsetzbarkeit vor Ort gearbeitet werden. Das kann beispielsweise mit seinen Produkten der Marke Green Rosin geschehen, über die CS in der kommenden „Green Edition“ berichten wird. Zu erwarten ist auch, dass in Zusammenarbeit mit Peter Hack in Sachen praktischer Performance von Gastro-Angeboten in den kommenden Monaten weitere Vorschläge und Konzepte zur Optimierung des Geschäftes beispielsweise mit systemgastronomischen Ansätzen gemacht werden, über die Convenience Shop ebenfalls berichten wird.

Wettbewerber oder Partner?
Im Verlauf der Konferenz erfuhren die Teilnehmer auch im Rahmen einer Diskussionsrunde, geleitet von MCS-Geschäftsführer Torsten Eichinger, wie die Digitalisierung auf die Verbesserung des Shop-Geschäftes einzahlen kann.

Informationen dazu, mit welchen Konzepten beispielsweise Unternehmen wie Tegut ihr Smart-Store-Angebot Teo optimieren und weiterverbreiten und wie Micro-Market-Anbieter wie Dirk Hensing arbeiten, der mit seinem Nahversorger „Herr Anton“ viel Anklang in ländlichen Räumen findet, rundeten das Bild der Lage im C-Markt ab.

In den Diskussionen der Teilnehmer ging es sehr oft darum, ob dies reine Wettbewerber für die C-Shops an Tankstellen sind, oder sie eventuell auch auf die eine oder andere Art und Weise als Partner in diesem Geschäft in Frage kommen. Das gilt sicherlich auch für die Lieferdienste, über deren aktuelle Lage Professor Otto A. Strecker berichtete. Zum Abschluss der Veranstaltung zeigte der NACS Director Global Mark Wohltmann auf, wie die C-Branche international all diesen Herausforderungen begegnet und machte noch einmal deutlich, wie wichtig es für den Transformationsprozess sein kann, von solchen Konzepten zu lernen.