Mobilitätswende Vom Shop zum Mobility Hub

Die Mobilitätswende hat Fahrt aufgenommen. Die neue Bundesregierung wird das Tempo weiter erhöhen. Für die Tankstellen-Gesellschaften ergibt sich daraus Entscheidungsdruck. Sie haben die Aufgabe, Stationen und Shops zu Mobility Hubs umzubauen.

Donnerstag, 28. Oktober 2021 - Tankstelle
Martin Heiermann
Artikelbild Vom Shop zum Mobility Hub
Bildquelle: Sortimo

Sortimo, ein branchenfremdes Unternehmen, hat in Bayern die größte Stromtankstelle Europas eröffnet. Der zugehörige Shop mit Namen Energy-Boxx bietet Aufenthaltsqualität für die bis zu 45 Minuten des Aufladens. Die Station zeigt, wie die Zukunft aussehen könnte. Viele Mineralölgesellschaften ringen währenddessen noch um Antworten auf die Frage, welche Kraftstoffe künftig benötigt werden. Erst danach wird es um neue Shop-Formate gehen. Doch die Politik drängt.

Philip Morris setzt auf Veränderung. Der Tabakwaren-Hersteller forciert nicht nur den Umstieg von Zigaretten und klassischen Tabakwaren auf Tabakerhitzer unter dem Markennamen Iqos, sondern weiß auch, dass Stromtankstellen Zukunft bieten. Deshalb hat das Unternehmen an der neu entstandenen ersten reinen Stromtankstelle in Schwaben, mit derzeit 72 Ladepunkten der größten in Europa, in den dortigen Shop investiert. Dort im C-Store, in der so genannten Energy-Boxx, der futuristischen Sortimo-Station im süddeutschen Zusmarshausen, gibt es auch einen Iqos Corner und eine breite Präsentation des entsprechenden Philip Morris Sortiments. Zudem zeigt der Tankstellen-Shop ein reichhaltiges Angebot. „Neben einem umfangreichen Tabakregal, diversen Spirituosen, einem Convenience-Bereich und einem Presseregal bieten wir auch immer wieder Spezialitäten aus der Region an“, berichtet Shop-Betreiber Stephan Langer dieser Zeitung. Auch die nebenan gelegene Gastronomie mit angeschlossener Bäckerei sorge für das leibliche Wohl. Im ersten Stock befinden sich Büroräume, im Keller die komplette Technik für die Tankstelle. Weitere 84 Ladepunkte sind noch in Planung. „Die meisten Ladevorgänge bedingen eine Aufenthaltsdauer von mindestens 30 bis maximal 45 Minuten. In dieser Zeit nutzen unsere Kunden die Angebote im Haus“, weiß der ehemalige Pächter einer klassischen Tankstelle. Die Shop-Fläche liegt bei 250 Quadratmetern plus 50 Quadratmeter Eingangsbereich, „den man durchaus dazurechnen kann“, meint Langer. Wenn der Shop und die Tankstelle ab 22 Uhr geschlossen sind, stehen drei Miet-Automaten mit Snacks zur Verfügung. „Die Shop-Konzeption entspricht dem klassischen Tankstellenshop, wobei sich Design und Einrichtung an einem Wohlfühlkonzept orientiert“, beschreibt der Betreiber sein Outlet. Das Erscheinungsbild des Parks stehe in Einklang mit der Architektur des Innovationsparks, was durch das Raumkonzept unterstrichen werde.

E-Mobilität verändert den Wettbewerb
Dass E-Ladepunkte und Ultraschnell-Ladesäulen künftig bundesweit immer öfter genutzt werden, steht außer Zweifel. Das stellt eine aktuelle Umfrage des TÜV-Verbandes noch einmal heraus. Danach ist die Bereitschaft zum Kauf eines Elektroautos in Deutschland in den vergangenen knapp zwei Jahren deutlich gestiegen. Fast jeder vierte Bundesbürger ist dazu entschlossen: 15 Prozent können sich aktuell die Anschaffung eines Elektroautos „sehr gut vorstellen“, acht Prozent haben sogar „konkrete Pläne“. Weitere 30 Prozent der Befragten können sich den Kauf „eventuell“ vorstellen. Bei einer vergleichbaren Umfrage Ende 2019 hatten erst drei Prozent der Deutschen konkrete Pläne für die Anschaffung eines Elektrofahrzeugs und elf Prozent konnten sich diese sehr gut vorstellen. Doch nicht nur Umfragen unterstreichen diesen Trend. Die aktuellen Zulassungszahlen sprechen für sich. Danach liegt der Anteil der Zulassungen von Elektro-Autos mittlerweile bei gut elf Prozent. Dieser Veränderungsprozess wird Auswirkungen auf das Tankstellen- und Shop-Geschäft haben.

Der politische Druck Richtung Elektromobilität ist groß. Und die Automobilindustrie zieht mit. Schon jetzt ist der Wettbewerb erheblich gewachsen rund um die Frage, wer in den kommenden Jahren die zahlreichen E-Autos mit Strom versorgen wird. Die öffentliche Auseinandersetzung um die vorgeschriebenen Bezahlmöglichkeiten an den Strom-Zapfsäulen hat das allen Marktteilnehmern vor Augen geführt: Die Automobilhersteller wollten keine Kartenzahlung, um ihre jeweiligen Autofahrer selbst mit Strom zu bedienen. Einige Hersteller, wie etwa Audi, planen den Aufbau eigener Ladeinfrastruktur inklusive E-Tankstellen und Shops. Sie werden zu Wettbewerbern in der Branche. Manche Mineralölgesellschaft hält dagegen. Ein Beispiel ist Aral, Deutschlands größte Tankstellengesellschaft.
Shop-Betreiber Stephan Langer ist selbstständiger Unternehmer und Mieter der Verkaufsfläche.
Die meisten Ladevorgänge an der Sortimo-Station bedingen eine Aufenthaltsdauer von maximal 45 Minuten.