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„Kioske halten viel zu sehr an Althergebrachtem fest.“ Das sagt jemand, der im gleichen Boot sitzt: Alexander Exner, Quereinsteiger und seit drei Jahren Betreiber eines begehbaren Kiosks in Marl. Als hauptberuflicher Feuerwehrmann sieht er die Dinge aus einer gewissen Distanz, eher als eine Art Hobby, das aus einer fixen Idee heraus entstanden ist. Exner regelte anfänglich alles in Eigenregie: Ausstattung, Warenbeschaffung, Verwaltung usw. Dann stieß er auf Lekkerland und damit im Februar diesen Jahres auch auf die Finanzdienstleistung „internationaler Bargeldtransfer“. Seit Jahresbeginn bietet der Frechener Fachgroßhändler – in Kooperation mit MoneyGram – seinen Kunden diesen Service an.
Der Marler Kiosk-Betreiber erkannte darin schnell eine Chance, neue Kunden zu gewinnen, andere zu binden und mit einer weiteren Service-Leistung auch den Umsatz zu steigern. Immerhin liegt sein Shop unweit des Chemieparks Marl, wo etwa 10.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, darunter viele Migranten. Diese nutzen den Service gern, um Teile ihres Verdienstes ins Heimatland zu verschicken, ohne dabei auf ein Bankkonto angewiesen zu sein. Außerdem haben Exner und sein Team in wenigen Wochen bereits die Erfahrung gemacht, dass in manchem Zielland die Banken rar gesät sind. MoneyGram dagegen verfügt über ein flächendeckenderes Netz. Beispiel Elfenbeinküste. Für viele Dorfbewohner ist dort die nächste Bank zwei Tagesreisen entfernt; bis zur nächsten MoneyGram Filiale sind sie maximal einen halben Tag unterwegs
Geld gilt als die heißeste Ware der Welt und entsprechende Vorkehrungen mussten getroffen werden. Das heißt, wie es heute bei allen Anbietern von Finanzdienstleistungen üblich ist, wurde das Geschäftsgebaren des Kiosk-Betreibers auf Herz und Nieren geprüft: polizeiliches Führungszeugnis, sein Finanzverhalten (etwa ob in den vergangenen zwei Jahren die Rechnungen regelmäßig beglichen wurden) und Schulungen – ein Prozess, der in Fachkreisen On-Boarding-Zeit genannt wird. Diese Informationen gingen an die FCA Financial Conduct Authority, die Finanzbehörde London, von denen die Freigabe für jeden neuen Agenten vorliegen muss. Das dauert ungefähr vier Wochen.
Automatische Sicherheitsprüfungen
Lekkerland kümmert sich um die Software, die MoneyGram zur Verfügung stellt, um vom PC bzw. Laptop des Kiosk-Betreibers aus alle relevanten Informationen weiterzuleiten. Wenn also jemand 400 Euro (das ist etwa die durchschnittliche Transaktions-Summe) versenden will, dann können die Kiosk-Mitarbeiter dem System entnehmen, ob er bereits Kunde bei MoneyGram ist. Falls nicht, wird sofort eine neue Stammdatendatei angelegt. Das macht aus zweifacher Hinsicht Sinn: Jeder mögliche Folge-Versand wird beschleunigt, weil die personenbezogenen Daten bereits gespeichert sind und nur abgerufen werden müssen. Die erneute Eingabe des Namens, der Adresse, Geburtsdatums usw. entfällt. Zweitens behält MoneyGram die Kontrolle, dass kein Missbrauch im Sinne der Geldwäsche betrieben wird. Eine entsprechende Warnung bekommt auch der Agent, in diesem Falle Exner, wenn etwa regelmäßig und in relativ kurzen Abständen Geld an einen bestimmten Empfänger transferiert werden soll.
Angenommen werden übrigens nur Euro. Die Mitarbeiter prüfen, ob es sich nicht um Falschgeld handelt, und die Systemsoftware rechnet alles automatisch in US-Dollar um. So braucht sich niemand um Wechselkurse zu kümmern, denn die werden regelmäßig aktualisiert, ganz automatisch im Hintergrund. Die Gebühren zahlt der Einzahler wunschgemäß on top oder er lässt sie mit der Summe verrechnen.
Der Versender enthält nach Einzahlung eine Quittung, die alle relevanten Daten zum Empfänger enthält sowie die Transaktions-Nummer, ohne die niemand an sein Geld kommt. „Die hohe Sicherheit dieses Systems, seine Zuverlässigkeit sowie die Reputation waren für uns entscheidend, mit MoneyGram zu arbeiten“, sagt Carsten Weber, Vice Präsident Business Unit electronic value bei Lekkerland. Das Unternehmen ist unmittelbarer Ansprechpartner für die Kiosk-Betreiber und andere Kunden, die diese Dienstleistung anbieten.
Exner zahlt seine Bargeld-Einnahmen auf ein Konto beim Frechener Großhändler ein, der dann die Abwicklung mit dem Gelddienstleister übernimmt. In der Anfangsphase beschränkt sich der Kiosk-Betreiber noch auf die Money-Send-Funktion, eine Geld-Ausgabe ist noch nicht möglich, aber nicht ausgeschlossen: „Trotz intensiver Schulung möchten wir uns Schritt für Schritt mit dem Bargeld-Transfer vertraut machen“, sagt Exner
Wenn es bei der Übertragung bzw. mit der EDV einmal hakt, weiß Exner zu schätzen, dass er bei Lekkerland jederzeit Unterstützung und Rat bekommt – und zwar rund um die Uhr, und damit auch während seiner Öffnungszeiten von 5.30 Uhr bis 22 Uhr an allen Wochentagen. „Es vereinfacht die Sache, wenn wir nicht mit einem Call-Center am anderen Ende der Welt kommunizieren müssen“, sagt der Kiosk-Besitzer.
Gibt es auch etwas, worauf man besonders achten muss? Natürlich habe er selbst einige Sicherheitsvorkehrungen im Kiosk getroffen, also einen Tresor für das eingezahlte Bargeld und Überwachungskameras. Mit fünf Stück hat Exner jeden Winkel der 31 qm großen Fläche im Auge. Doch besonders sensibel geht das Exner-Team mit dem Geldwäschegesetz um: „Wenn uns etwas merkwürdig vorkommt, melden wir das MoneyGram. Wir müssen auch in der Lage sein, zum Beispiel den Oma-Enkel-Trick zu erkennen und den entsprechenden Versand irgendwie verhindern“, so sein eigener Anspruch.
„MoneyGram will ja zusammen mit Lekkerland und den Shopbetreibern wachsen“, antwortet Weber auf die Frage, ob eine Gebühr dafür gezahlt werden muss, den Geldtransfer im Shop anbieten zu dürfen. Das Unternehmen stellt auch kostenlos sämtliches Werbematerial, also Flyer, Plakate, Straßenaufsteller, Aufkleber usw. zur Verfügung. Exner erhält für jede Überweisung eine Provision. „Ein kleiner Zugewinn“, wie er im schönsten Ruhrpott-Slang sagt, „denn für hohle Nüsse lohnt es sich nicht.“