Die so genannte Generation Z liest oft kaum noch gedruckte Zeitschriften und Zeitungen. Aber auch bei älteren Konsumenten gewinnen elektronisch übermittelte Nachrichten weiter an Bedeutung. Dieser Trend ist längst auch in Tankstellen-Shops und anderen C-Stores angekommen. Die Folge: Das Pressesortiment wird kleiner und die Absätze sowie Umsätze schrumpfen. Diese Entwicklung bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Verlage und auch für den Vertrieb des Presse-Grosso. Philipp Welte, Vorstandsvorsitzender des Medienverbandes der freien Presse, forderte deshalb im zurückliegenden Sommer, den Einzelverkauf von Zeitschriften „partnerschaftlich, zukunftsfest und finanzierbar“ neu zu organisieren. Für die freie Presse sei die Reform des Grosso-Systems eine unverzichtbare Maßnahme. Es gehe nicht nur um den wirtschaftlichen Erfolg, sondern um „die Zukunft der Pressevielfalt in unserem Land“. Der Pressevertrieb sei angesichts sinkender Umsätze in seiner jetzigen Form nicht mehr finanzierbar. Das bisherige Modell müsse grundlegend reformiert werden. Dazu gehören aus seiner Sicht Investitionen in Technologie und Automatisierung. Man müsse konsolidieren und harmonisieren.
Flexible oder garantierte Preise
Auf der diesjährigen Jahrestagung des Gesamtverbands Pressegroßhandel, GVPG, im September zeigte sich Vorstand Vincent Nolte von den öffentlichen Forderungen Weltes überrascht. Nolte verwies auf die Stabilität des Presse-Grosso und darauf, dass der Verband bei den vergangenen Verhandlungen mit den Verlagen ein „Leitplankenmodell“ vorgeschlagen habe. Die Kernidee sei gewesen, die Handelsspannen und Leistungen des Pressevertriebs an die Umsatz- und Absatzentwicklung anzupassen. Die Grossisten seien bereit gewesen, eine Reduktion ihrer Renditen einzukalkulieren. Doch die Verlage hätten garantierte Preise einem flexiblen Modell vorgezogen. „Das haben wir akzeptiert und sind selbst ins Risiko gegangen“, sagt Nolte. Und jetzt würden sich die Verlage beschweren, dass sie zu viel zahlen. Das Presse-Grosso sei immer bereit gewesen, Verantwortung zu übernehmen und Veränderung mitzutragen. „Aber das muss fair und partnerschaftlich erfolgen“, so Nolte. Einen Umbau des Systems hin zu wenigen Großhändlern, offenbar von den Verlagen angestrebt, lehnte Nolte ab. Das würde nicht den größten Kostentreiber des Pressevertriebssystems reduzieren, die Auslieferungskosten auf der letzten Meile. „Sicher ist nur, dass dies der massivste Angriff auf das bestehende, neutrale und diskriminierungsfreie Pressevertriebssystem wäre“, warnte Nolte. Ein solcher Umbau würde das freie Presse-Grosso entmachten und auch die unternehmerische Freiheit der Grossisten abschaffen.
„Was passiert, wenn es kein neutrales Korrektiv für die Pressefreiheit mehr gibt?“, fragte Nolte. Der GVPG-Vorstand rief die Verlage zu Gesprächen auf, „um gemeinsam zu gestalten, statt zu spalten“. Zumal die Vorstellungen über die Zukunft des Systems „nicht so weit auseinander liegen, dass wir in einen offenen Konflikt gehen müssen“. Ein vorgelegtes Angebot mit stabilen Handelsspannen bis 2027 hat der Verband schriftlich unterbreitet. Das Presse-Grosso erwirtschaftet einen Umsatz von knapp zwei Milliarden Euro zu Copypreisen.