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Herr Everke, die SSP hat gerade zahlreiche Ausschreibungen im Düsseldorfer Flughafen gewonnen. Hier setzen Sie in Zukunft auch auf Marken, die bisher nur international profiliert sind. Warum?
Cornelius Everke: Gerade Fluggäste sind oft für Konzepte empfänglich, die es so in Deutschland noch nicht gibt. Da sind einerseits Local Heros, wie die von SSP im Franchise betriebene Marke Perfect Day in Frankfurt, aber eben auch international erfolgreiche Konzepte. SSP hat beispielsweise eine Lizenz von Jamie Oliver, eine internationale Marke mit weltweitem Beliebtheitsgrad, die auch hier fantastisch funktionieren wird. Allein seine zahlreichen Buchverkäufe in Deutschland zeigen die Relevanz der Marke. „Jamie‘s Deli“ Restaurant am Düsseldorfer Flughafen wird die Premiere des Konzepts in Deutschland sein. Danach werden wir auch an den Flughäfen Schiphol in Amsterdam und Oslo eröffnen. Jamie Oliver ist der erste Koch, der das Thema einfache, leichte Küche wunderbar inszeniert hat. Auch er musste das Travel-Geschäft zunächst tiefer verstehen. So war er bei der Premiere am Flughafen Gatwick damit konfrontiert, dass bei den langen Öffnungszeiten, ab 5.30 Uhr morgens, natürlich Frühstück sehr gefragt war, was vorher noch nicht Bestandteil seiner Menükarte war. Andererseits werden wir auch die Partnerschaft mit Hausmann‘s, dem Konzept von Patrick Rüther und Tim Mälzer, das wir auch an den Düsseldorfer Flughafen bringen, weiter ausbauen. In Düsseldorf muss dabei am Flugsteig A das To-Go-Konzept von Hausmann’s deutlich ausgebaut werden, weil viele der Geschäftsreisenden in diesem Gatebereich nur wenig Aufenthaltszeit haben.
Sie arbeiten bei ihren Betrieben inzwischen vor allem mit Marken von Partnern und weniger mit Eigenmarken. Wie kam das?
Everke: Das hat sich im Lauf der Jahre sehr gewandelt. Damals war der Anteil unserer eigenen Marken noch wesentlich größer. Wir haben seit 2008 kontinuierlich an der Markenausrichtung der SSP gearbeitet und ganz bewusst Markenpartnerschaften gewählt. Der Grund ist, dass die Vermieter an Bahnhöfen und Flughäfen eigentlich so agieren wie die Betreiber der Shopping-Center. Sie tun das, weil die Gäste an Flughäfen und Bahnhöfen heutzutage erwarten, die Marken vorzufinden, die sie von der High-Street kennen. Deshalb hat SSP Partnerschaften mit bekannten nationalen oder internationalen Marken geschlossen. Auch unsere eigenen Konzepte wie Caffè Ritazza funktionieren nach wie vor hervorragend. Insbesondere an Standorten mit längeren Öffnungszeiten können wir bis in die späten Abendstunden auch den Verkauf alkoholischer Getränke glaubwürdig konzeptionell integrieren. Die Kunden haben inzwischen gelernt, dass Caffè Ritazza eben nicht nur Kaffeespezialitäten, sondern auch Snacks anbietet und als Bar fungiert.
Hat sich das Konsumentenverhalten im Reiseumfeld geändert?
Everke: Ja, das Konsumentenverhalten hat sich einfach geändert. Vor zehn Jahren konnte sich noch kaum jemand vorstellen, mit dem Pappbecher in der Hand ins Flugzeug einzusteigen. Da aber die Fluglinien mit ihren gastronomischen Angeboten zurückgerudert sind, vor allem auf Kurzstrecken, war es für uns als stationärem Gastronom ein gute Gelegenheit, den Kunden dafür etwas anzubieten. Heute haben morgens im Flugzeug viele Passagiere ihren Kaffee und die Snacks dabei, die sie vorher bei uns gekauft haben. Auch lange Essenszeiten in Restaurants werden immer seltener. An Rastanlagen ist eine Verlagerung des Gastronomiegeschäfts in die Tankstellen zu beobachten. Das Impulsgeschäft ist deutlich gewachsen, denn dort nimmt man sich den Snack für zwischendurch mit. Sortiment, Betriebsabläufe, Personaleinsatzplanung, all das muss sich an diesen neuen Kundenbedürfnissen orientieren.
Sie beschreiben einen Wandel im Convenience-Geschäft?
Everke: Wir beschäftigen uns permanent intensiv mit dem Convenience-Markt und seinen F&B-Trends. Dabei war schon immer die Frage, ob und wie die großen Handelsunternehmen in den Travel-Bereich einsteigen werden. Player wie Rossmann und dm sind an Bahnhöfen ja schon länger vertreten, aber die großen Handels-Player erst seit Kurzem, da sie zunächst die richtigen Formate entwickeln mussten. Mittlerweile sieht man, dass sich alle Player dem Travel-Channel mit Kleinformaten angepasst haben.
Damit wird der Wettbewerb natürlich für alle härter, ist das nicht problematisch für Sie?
Everke: Ganz und gar nicht. Wettbewerb belebt bekanntlich das Geschäft. SSP hat mit Edeka einen starken Partner an seiner Seite, der wiederum auf das Know-How von SSP im Travel-Bereich zugreifen kann. Entscheidend ist letztendlich die Umsetzung. Auch hier gehört den Partnerschaften die Zukunft, sei es mit Marken oder Unternehmen. Wir haben uns ganz bewusst für die Kooperation mit der Edeka und Spar Express entschieden. Das funktioniert, weil wir uns gut ergänzen. Unsere erste Spar Express-Eröffnung war am Bahnhofsstandort Eberswalde mit dem Ziel, die Implementierung eines größeren Nahversorgersortiments mit einer glaubwürdigen Markenabsenderschaft unter Spar Express zu prüfen. Dies hat hervorragend funktioniert, so dass wir dann in mittelgroße Städte gegangen sind und schließlich noch in Großstädte wie Stuttgart. So wussten wir, dass die Marke im Travel-Channel performt. Zusammen mit Edeka hat SSP dann das Format weiterentwickelt.
War dies mit ein Grund dafür, die Point-Märkte auf Spar Express umzuflaggen?
Everke: Ja. Im Rahmen von strategischen Gesprächen mit unserem Vermieter konnten wir alle 50 Shops unserer Eigenmarke Point innerhalb von sechs Monaten durch Spar Express ersetzen. Durch die Umwandlung auf die attraktivere Marke haben wir gleichzeitig auch langfristige Vertragsverlängerungen mit unserem Vermieter erzielt. Das war die erste Phase, dann folgten kontinuierlich Optimierungen in den Produktkategorien. Heute haben wir deutlich mehr Transaktionen an den Standorten und eine größere Zahl an Stammkunden.
Auf was muss man aus Ihrer Sicht im Convenience-Geschäft heute vor allem achten?
Everke: Meistens steckt der Teufel im Detail. Es gibt beispielsweise sehr unterschiedliche Kundenbedürfnisse an einem Bahnhof. Fernreisende haben ganz andere Wünsche als Pendler. Sehr wichtig ist auch die Logistik. Man muss sich fragen, was Convenience eigentlich heute bedeutet. Wenn man sich diese Läden im Ausland ansieht, sei es Albert Heijn in Holland oder Marks & Spencer Simply Food in London, dann interessiert die Konsumenten dort vor allem die Frische. Der Softdrink in PET ist das eine, aber der kleine frische Snack, wie Früchte und Müsli zum Frühstück oder mittags der Salat, das andere. Wer Convenience weiterentwickeln will, der muss sich darum kümmern. Am Thema Frische haben wir hier in den vergangenen Monaten am meisten gearbeitet und werden auch weiter besonderen Fokus darauf legen. Es geht darum, die Kategorie der Frische noch deutlicher in den Vordergrund zu rücken. Dafür braucht SSP Partner, die Frischekompetenz haben.
Sind die Verbraucher bereit für mehr Frische im C-Store?
Everke: Ich glaube, alle Beteiligten sind noch nicht ganz so weit. Es geht dabei um Konsumenten-Verführung im besten Sinne.
Wie sieht letztendlich die Wachstums-Strategie der SSP aus?
Everke: SSP ist weniger organisch, sondern vor allem durch die Übernahme der Mitropa 2004 und den Kauf der Lufthansa Airport-Gastronomie (LAG) 2008 gewachsen. Dadurch hat das Geschäft unter der Dachmarke SSP-The Food Travel Experts in den letzten Jahren stark zugelegt. Gerade in diesem Jahr werden wir ein starkes Wachstum haben, weil wir weitere Akquisitionen getätigt haben. Wir haben 33 Heberer-Filialen erworben und außerdem vier Starbucks-Filialen am Frankfurter Flughafen gekauft. Dazu kommt, dass wir am Flughafen Düsseldorf Ausschreibungen für neun gastronomische Einheiten gewonnen haben. Dort werden wir 2017 mit dem Großteil unserer neuen Einheiten starten. Gewonnen haben wir auch neun Bäckerei- und Snack-Einheiten am Flughafen Frankfurt. SSP ist ein Portfolio-Betreiber, was bedeutet, dass unser klassisches Geschäftsmodell die Betreibung mehrerer Geschäfte an einem Standort ist. So können wir beispielsweise Synergien in der Logistik und bei den Mitarbeitern im Bereich unserer Warehouses generieren.
Was machen Sie in Sachen Logistik?
Everke: An einigen Standorten verfügen wir als Portfolio-Betreiber über große Produktionsküchen. Wenn die eigenen Produktionsstätten keine ausreichende Kapazität für die weitere Herstellung von Frischeprodukten aufweisen, suchen wir uns Partner. Beispielsweise identifizieren wir über das Edeka-Netzwerk nationale Partner, die in der Lage sind, annähernd flächendeckend für uns zu produzieren. Standorte, die nicht über das nationale Netzwerk bedient werden können, werden über lokale Partner beliefert.
Wie Sie wissen, testet Edeka derzeit in Hildesheim den ersten Edeka Express. Erwarten Sie, dass aus Spar Express später Edeka-Express wird?
Everke: SSP ist Franchisenehmer der Marke Spar Express. Wie sich die Marke entwickeln wird, werden wir mit der Edeka besprechen. Wenn eine solche Entscheidung getroffen würde, müssten wir verstehen, wo der Mehrwert liegt und was sich ändert, und dann müssten wir auch mit unserem Vermieter darüber reden. Da kann man nicht alles eigenmächtig ändern. Für uns ist die Marke Spar Express gerade im Travel-Bereich sehr wichtig, weil sie von den Konsumenten fantastisch angenommen wird. Die Wachstumsraten sind beeindruckend. Wir erreichen jetzt Besucher des Bahnhofes, die vorher nicht in die Point-Märkte gekommen sind.
Woran liegt das aus Ihrer Sicht?
Everke: Mit der Hinzunahme der Edeka-Eigenmarken können wir eine ganz andere Preisstellung bieten und an unseren Standorten mit dem Hybrid-Konzept Spar express/Backwerk sind wir durch die Integration des Backwarenangebotes angebotsmäßig breiter aufgestellt. Letzteres funktioniert deutlich besser als unser eigenes Konzept Fresh. Backwaren in Selbstbedienung sind inzwischen von den Kunden gelernt. Wir überlegen jetzt, auch unsere weiteren 17 Standorte, an denen wir mit Backwaren noch unter der Fresh-Marke Backwaren anbieten, künftig mit anderen profilierteren Marken aus unserem Bäckereimarken-Portfolio zu bespielen.
Inzwischen kommen überall in diesem Markt Eigenmarken ins Spiel. Es hieß doch immer im Convenience-Sortiment brauchen wir vor allem die bekannten Industrie-Marken. Ist das nicht mehr richtig?
Everke: Das gilt weiterhin beispielsweise für unsere ganz kleinen Einheiten mit wenigen Quadratmetern, aber wenn man mehr Platz zur Verfügung hat, sollte schon beides vorhanden sein. Man macht den Preiseinstieg über die Eigenmarke und das andere über die Premium-Marken der Industrie, da Kundenbedürfnisse ambivalenter geworden sind. Retail is Detail – daher hat SSP ein eigenes Category-Management, das sich ausschließlich mit der Optimierung des Sales Mixes, der Warengruppen sowie Sonderaktionsplanungen und Regalplatzierungen beschäftigt. Wir sehen uns jede Regalfläche sehr detailliert an.
In Hannover sind Sie mit Spar Express auch in der Niki-Promenade vertreten. Das ist sozusagen Ihr erster Innenstadtstandort. Ist das ein Test für weitere Aktivitäten?
Everke: Das ist für uns in der Tat eine Pilotstation, weil trotz der Anbindung der Niki-Promenade an den Bahnhof nicht ganz klar ist, ob das nun ein Travel-Standort ist oder nicht. Dort arbeiten wir noch an dem Thema Öffnungszeiten, an der Sortiments-Gestaltung und am Pricing. Man muss wissen, dass Bahnhöfe einfach anders funktionieren. Aber wir sehen in Spar Express so viel Potenzial, dass wir auch andere Kanäle proaktiv analysieren.
Können Sie dafür ein Beispiel nennen?
Everke: Marks & Spencer Simply Food wird in England beispielsweise von SSP in Krankenhäusern betrieben. Was spricht dagegen, dass wir in Deutschland in solchen Einrichtungen mit Spar Express einen ganz neuen Kanal erschließen. Eine bessere Aufenthaltsqualität und ein etwas breiteres Angebot sowie die Verbindung von Spar Express mit Kaffee und Backwaren könnte dort funktionieren. Auch die Food Courts der Shopping-Center sind für unser vielfältiges Gastronomieportfolio sehr relevant. Ich bin ein Freund von Tests, dann können wir sagen, ob Konzepte in neuen Kanälen funktionieren.
Das heißt doch, dass die Möglichkeiten größer geworden sind und die bisherigen Grenzen verschwimmen?
Everke: Ja, auch diesbezüglich ist die ganze Branche im Wandel begriffen. Nehmen Sie beispielsweise das Thema Delivery, das jetzt Burger King testet. Wenn in kleineren Städten nicht genug Frequenz und Nachfrage im Bahnhof ist, diese aber in der City vorliegt, dann gibt es keinen Grund, das nicht wie andere auch zu testen. Es sollte in der Foodbranche keine Berührungsängste zwischen Unternehmen und auch nicht zwischen einzelnen Segmenten geben. Jedes Unternehmen muss seine Hausaufgaben machen, der eine kommt hier zum Zuge, der andere dort.