Negative Bilanz Mehrweg läuft noch nicht rund

Nach der Einführung der Mehrwegpflicht für To-go-Gebinde aus Kunststoff zu Beginn dieses Jahres zieht die Deutsche Umwelthilfe bisher eine deutlich negative Bilanz. Denn nach Ansicht der Organisation wurde das Gesetz nur unzureichend umgesetzt.

Samstag, 01. April 2023 - Tankstelle
Martin Heiermann
Artikelbild Mehrweg läuft noch nicht rund
Bildquelle: Vytal

Laut der Verbraucherzentrale NRW entstehen in Deutschland allein durch Takeaway-Käufe jeden Tag rund 770 Tonnen Verpackungsmüll. Eigentlich Grund genug, um auf Mehrweg zu setzen. Doch das neue Gesetz, das seit Januar 2023 Anbieter von To-go-Getränken und Speisen verpflichtet, Mehrwegverpackungen anzubieten, wenn diese bisher in Plastik offeriert wurden, scheint noch nicht zu greifen. Laut Deutsche Umwelthilfe, DUH, werde die gesetzliche Regelung bisher nicht ausreichend umgesetzt und auch nicht durchgesetzt. Daher sei das neue Verpackungsgesetz laut Sprecher Thomas Fischer „bisher ein Fehlschlag“.

Ein Test bei 16 To-go-Anbieter-Ketten hätte deutlich gemacht, dass nur sechs ein Mehrwegangebot vorweisen konnten, die anderen zehn nicht. Zudem müssten die Anbieter auf die Mehrwegoption hinweisen, was aber laut DUH fast nicht geschehe. Wenn informiert werde, dann ganz klein und versteckt, sodass man die Schrift kaum lesen könne.

Laut der DUH nutzen große Fastfood-Ketten ein Schlupfloch im Gesetz, indem sie ausschließlich aus Pappe oder Aluminium bestehende Essensverpackungen anbieten. Zudem sind kleinere C-Stores wie Imbisse, Spätis und Kioske, in denen höchstens fünf Beschäftigte arbeiten und die gleichzeitig eine Ladenfläche von nicht mehr als 80 Quadratmetern betreiben, von der Mehrwegpflicht ausgenommen. Allerdings erkennt Fischer an, dass Mehrweg mit einem höheren Aufwand verbunden ist.

Geringe Nachfrage
Doch auch dort, wo es ein Mehrwegangebot, basierend auf einem System wie Recup und Vytal oder einer Individuallösung gibt, halten sich die Kunden bislang offenbar zurück. „Bei den To-Go-Kundinnen und Kunden ist die Nachfrage nach Pfandbechern noch überschaubar“, zitiert etwa ein Pressebericht eine Stellungnahme von Tchibo. Von einer größeren Nachfrage könne derzeit nicht gesprochen werden.

Ähnlich äußert sich die Fast-Food-Kette Burger King, die in Sachen Mehrweg auf das Recup-System setzt. Im niedrigen einstelligen Prozentbereich liege die durchschnittliche Nutzung der Mehrwegbecher, heißt es dort. Allerdings erwarten die Verantwortlichen des System-Gastronomen eine steigende Nachfrage. So lässt sich das Unternehmen jedenfalls in Medien zitieren. Wie Burger King setzen auch Kamps und Tank & Rast auf das Recup-System. Dort heißt es, man könne noch keine konkreten Zahlen nennen: Einen deutlichen Wechsel von Einweg zu Mehrweg werde es wohl zunächst im Kaffeegeschäft geben, meint ein Sprecher von Tank & Rast gegenüber der Wirtschaftswoche. Anders sei das bei Speisen in der Umstellung auf Mehrweggeschirr, erklärt der Sprecher in derselben Stellungnahme. Dies werde etwas länger dauern. Denn es gebe aktuell mehr Rücknahmestellen für Becher als für Geschirr im Markt, was die Sache für die Kunden komplizierter mache.

Ein städtisches Phänomen
Bei Kamps sei die Nachfrage nach Mehrweg in den Metropolen derzeit größer als in ländlichen Regionen. Ähnliches wird bei Tchibo beobachtet. Zudem spiele die Lage der Shops eine Rolle: Danach verzichten die Kunden im Bahnhof eher auf einen Pfandbecher. Auch die deutsche Bahn berichtet davon, dass bisher die Nachfrage nach Mehrwegalternativen in den Bordbistros begrenzt sei. Noch zurückhaltender ist die Einschätzung bei der Valora-Gruppe. In den Verkaufsstellen von U-Store bis Back Werk griffen die Kundinnen und Kunden bislang eher selten auf die Mehrweg-Gebinde zurück.

Neben den beiden bekanntesten Systemanbietern für die To-Go-Mehrwegalternativen – Recup und Vytal – gibt es nach und nach weitere Anbieter im Markt. Mit dem ‚System Einfach‘ Mehrweg bieten Interzero und Sykell im Rahmen einer strategischen Partnerschaft eine Systemlösung, die ein umfangreiches, lebensmittelsicheres Behälterportfolio sowie Logistik, Reinigung und Pfandverrechnung offeriert. Davide Mazzanti, CEO und Mitgründer von Sykell erläutert: „Die jahrelange Erfahrung unseres strategischen Partners Interzero auch in der Rückhollogistik sowie die Bereitstellung seiner leistungsstarken Spülkapazitäten unterstützt uns im flächendeckenden Ausbau unserer Systemlösung.“

Beteiligen können sich daran auch Unternehmen mit vielen Verkaufsstellen aus dem Lebensmittel- und Convenience-Handel, dem Bäckereigewerbe und der Gastronomie. Auch Lekkerland ist dabei. Die Unternehmen zahlen eine so genannte Pay per Use-Nutzungsgebühr nur für die Behälter. In der Gebühr seien alle Leistungen enthalten. Die Kunden zahlen für die Behälter einen geringen Pfandbetrag an der Kasse. Es sei darüber hinaus möglich, die Behälter auch über viele Flaschenpfandautomaten zurückzugegeben, machen die beiden Partner deutlich.

Ein weiterer Player in diesem sich entwickelnden Markt ist das Unternehmen Greenbox. Der Anbieter offeriert nicht nur – wie der Name schon vermuten lässt – Gebinde und Gefäße für den Mehrwegeinsatz, sondern hat auch die Merways App entwickelt. Das digitale Tool soll Anbietern von To-go-Speisen und Getränken den schnellen Aufbau einer individuellen, pfandlosen Mehrweglösung ermöglichen. Die Nutzung der App sei kostenfrei. Dazu bietet Greenbox das passenden Behältermanagement und die Behälter selbst an. Nutzer von Merways werden über die App durch Erinnerungen zur Rückgabe motiviert. Die App dient der Kundenkommunikation zur Platzierung von Aktionen und Infos.