Jahr des Kiosk Büdchen ein Denkmal setzen

Keine andere Versorgungseinrichtung hat so einen Kultstatus wie die Trinkhalle . In diesem Jahr sind die Büdchen und ihre Betreiber Akteure in einer Reality-Show, in der das Publikum die stadtteilrelevanten Zusammenhänge live erleben kann.

Donnerstag, 14. Juli 2016 - Kleinfläche
Ulrike Pütthoff
Artikelbild Büdchen ein Denkmal setzen
Bildquelle: Ruhr Tourismus, Reinaldo Coddou, Simon Albersmeier

Kohleförderung sowie Eisen- und Stahlindustrie haben das Bild des Ruhrgebiets geprägt. Bis Mitte des 20. Jahrhunderts im Zuge des Strukturwandels ein qualmender Fabrikschlot nach dem anderen verschwand. Nur Industriedenkmäler erinnern noch an die Blütezeit des Ruhrpotts.

Geblieben aber sind spannende Zeitzeugen, die Trinkhallen. Mit Beginn der Industrialisierung sprießten sie aus dem Boden, übernahmen Versorgungsfunktion. Anfänglich als Mineralwasser-Ausschank (daher auch der Name Seltersbude), später auch für Bier, Zeitungen, Tabakwaren, lose Süßigkeiten usw. Angesiedelt hatten sich die Kioske vor allem in Arbeitervierteln, in der Nähe von Zechen, Stahlwerken oder anderen Großbetrieben, von denen mittlerweile viele den Betrieb eingestellt haben. Nicht aber die Trinkhalle. In der Ruhrregion soll es noch zwischen 12.000 und 15.000 geben. Bundesweit sollen es laut Schätzungen etwas 40.000 sein. Seit Jahrzehnten wird auch ihnen ein Aussterben prophezeit, doch sie halten sich tapfer.

Der Kampf um das tägliche Brot ist für die Kioskbesitzer seit der Liberalisierung der Ladenöffnungszeiten zwar schwieriger geworden. Doch während Großflächen und Konsumtempel mit Produktauswahl und Sonderangeboten punkten, haben die Buden neben ihrer schnellen Versorgungsfunktion ihre soziale Bedeutung behalten. Sie sind Kiez-Treffpunkte, wo man sein Herz ausschütten und über Weltpolitik diskutieren kann, wo man Bescheid weiß über freie Wohnungen und vermisste Katzen. Doch mit dieser Nische lässt sich immer schwerer Geld verdienen, obwohl auch junge Leute den Lukenverkauf aufsuchen, weil es schnell und unkompliziert ist.

Jahr der Trinkhalle: Jetzt hat der 1. Kioskclub 06 aus Dortmund das Jahr der Trinkhalle ausgerufen. Den Initiatoren geht es darum, die Büdchen aus ihrer Beiläufigkeit herauszuholen. Sie sollen der Bevölkerung als regionale Besonderheit, und Ikonen des Alltags sowie des regionalen Lebensgefühls präsentieret und somit gewürdigt werden. www.kcmo.de

1. Tag der Trinkhalle: Organisiert von der Ruhr Tourismus GmbH werden am 20. August, dem 1. Tag der Trinkhalle, Konzerte, Lesungen, Kabaretts usw. an 50 Buden, verteilt über die gesamte Region, veranstaltet. Für Besucher ist die Teilnahme kostenlos. www.ruhr-tourisimus.de/Tag-der-Trinkhalle

Kioskwallfahrten: Dahinter verbirgt sich eine regionstypische Führung. Auf den festgelegten Routen bilden die Kioske die Ankerpunkte und geben dem Gast Einblicke in stadtrelevante Zusammenhänge. www.ruhr-tourismus.de/Kioskwallfahrt

Old- und Youngtimer-Veranstaltung: Eine Tour der besonderen Art. Fünfzig Buden werden von den Teilnehmer mit ihren Oldtimern angefahren. Bei den Zwischenstopps lernen sie in den Gesprächen mit den Budenbesitzern, das Revier, seine Menschen und die Lebenssituationen vor Ort aus einem besonderen Blickwinkel kennen. www.oldertimer-Budentour.de

Sonderausstellungen: „Zum Wohl. Getränke zwischen Kultur und Konsum“ ist bis zum 26. März 2017 in LWL-Industriemuseum Henrichshütte Hattingen zu sehen. Außerdem liefert die Open-Air-Ausstellung im LWL-Industriemuseum Zeche Hannover in Bochum vom 14. August bis 2. Oktober 2016 Einblicke in die Vielfalt und die Originalität der Trinkhallen im Ruhrgebiet.

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