Brauereien Bierbranche will die Krisen meistern

Bierbrauen war noch nie so teuer. Die Brauer sind darauf vorbereitet, mit den erschwerten Bedingungen umzugehen. Die Preise werden entsprechend weiter steigen. Helles und Alkoholfreies bleiben trendy.

Dienstag, 06. Dezember 2022 - Getränke
Silke Hoyer
Artikelbild Bierbranche will die Krisen meistern
Bildquelle: Veltins

Bier ist eines der ältesten und beliebtesten Getränke weltweit. Auch in Deutschland wird zum Feierabend, dem Grillfest oder der Firmenparty gern ein kühles Bier getrunken. Innerhalb des Jahres 2021 summierte sich der Pro-Kopf-Verbrauch hier zu Lande auf rund 92 Liter Bier. Im europäischen Vergleich weisen nur die beiden Nachbarländer Tschechien und Österreich einen höheren Pro-Kopf-Konsum auf. Jedoch sank in den vergangenen Jahren der Bierkonsum in Deutschland kontinuierlich ab. 2020 und 2021 spielte die Corona-Krise durch die zeitweise Schließung der Gastronomie und durch den Wegfall von Kulturveranstaltungen eine wichtige Rolle. „Nun gelangt die Brauwirtschaft nach der Pandemie nahtlos in die zweite Krise mit Kostenexplosionen in sämtlichen Bereichen des Beschaffungsmarktes. Energie und besonders Gas bleiben dabei die großen Kostentreiber. Die hinzukommende Unsicherheit der Gasversorgung in den kommenden Monaten ist eine weitere Herausforderung“, fasst Herbert Sollich, Marketingdirektor der Brauerei C. & A. Veltins, die Situation zusammen. Laut Statistischem Bundesamt zahlten energieintensive Unternehmen im ersten Halbjahr 2022 durchschnittlich 8,51 Euro ohne Mehrwertsteuer für eine Kilowattstunde Erdgas, was einer Steigerung von plus 49,8 Prozent gegenüber dem vergleichbaren Vorjahreszeitraum entspricht.

Die Kosten steigen auf breiter Front
Doch damit nicht genug. Auch mit Preiserhöhungen für die zum Brauen notwendigen Rohstoffe hat die Branche zu kämpfen. Die Preise für Mehrweg-Glas erhöhten sich seit April um 80 Prozent, die für Kronkorken um 60 Prozent. Die Preise für Hopfen und Malz sind ebenfalls in die Höhe geschnellt. „Auch wenn wir schon seit vielen Jahren kontinuierlich in ressourcenschonende Anlagen investieren, um Verbräuche nachhaltig zu verringern, und uns auch aktuell durch ein vorausschauendes Beschaffungsmanagement bestmöglich gerüstet haben: Sollte es zu Engpässen kommen, sodass die Bundesnetzagentur die letzte Stufe des Notfallplans ausruft und über die Zuteilung von Erdgas entscheidet, kann es auch zu zum Teil regionalen Produktionsstopps bei Unternehmen kommen. Inwieweit die Lebensmittelindustrie betroffen wäre, ist nicht absehbar“, erklärt Birte Kleppien, Pressesprecherin der Radeberger Gruppe. Doch trotz dieser schwierigen Rahmenbedingungen lassen sich die Brauereien nicht unterkriegen. „Unser oberstes Ziel ist die Versorgung des deutschen Lebensmittelhandels und damit der Verbraucher mit dem traditionsreichen Lebensmittel Bier. Vor diesem Hintergrund haben wir bei allen kritischen Lieferanten, die ebenfalls von einer ausbleibenden Gaslieferung betroffen sein könnten, entsprechende Liefermengen bereits beauftragt und in der Brauerei weit reichend bevorratet. Dazu gehören umfangreiche Mengen von Bierflaschen, Kronkorken, Etiketten und Paletten“, beschreibt Veltins-Marketingdirektor Sollich die Strategien. Zugleich habe das Unternehmen angesichts der dato existenziellen notwendigen Gasversorgung ein Krisenszenario vorbereitet, wobei es schrittweise auf die Belieferung mit Gas verzichten könne. Die notwendigen Gaskessel sollen dann sukzessive auf die Verwendung von Öl umgestellt werden können. „Bereits vor einigen Wochen wurde damit begonnen, sodass die Brauerei schon heute ihren Gasbedarf um 30 Prozent reduziert hat“, so Sollich weiter. Dies könnte ein Beispiel für die vielen betroffenen Brauereien sein, um mit der aktuellen Krise umzugehen.

Die Preise ziehen nach
Trotzdem müssen nach Einschätzung von Branchenexperten Bierliebhaber mit „Preisbildänderungen“ rechnen, nachdem bereits einige Marktakteure angekündigt hatten, ihre Abgabepreise an Absatzmittler, also an den Handel, infolge flächendeckender, bisher ungekannter Kostenexplosionen innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette anpassen zu müssen. „Auch wir haben gegenüber unseren Absatzpartnern eine Preisanpassung zu Anfang Dezember für alle Marken und Gebinde unseres Portfolios angekündigt – ausgenommen die von uns in Deutschland exklusiv vertriebenen internationalen Marken“, sagt Kleppien von der Radeberger Gruppe, stellvertretend für die Branche. Andere Brauereien wollen noch abwarten und dann Anfang des Jahres erhöhen.

Angesichts dieser Herausforderungen ist es kein Wunder, dass sich die Innovationsfreude der Brauereien momentan in Grenzen hält. Die Protagonisten der Branche setzen in ihrem Portfolio erstmal weiterhin auf bekannte Trends wie New Glocal – also dem sinnvollen Verhältnis von lokal produzierten und international importierten Artikeln. Hinzu komme eine ausgewogene Mischung aus national bekannten, durchgängig verfügbaren Produkten und regional, teilweise auch limitiert angebotenen Spezialitäten. Bei den Zielgruppen gesellen sich mit der Generation Z, Post-Millennials und Digital Natives 2.0 neue Konsumentengruppen hinzu, die eine stärker individualisierte Ansprache verlangen, unter Einbindung vor allem der Social-Media-Plattformen. Deren Bedürfnisse sollen bedient werden.

Helles, Alkoholfreies und Craft-Beer
Weiterhin gehören im Biermarkt Helles und Alkoholfreies zu den potenzialreichen Sortengewinnern. Erdinger will beispielsweise nach dem starken Start der Brauhaus-Spezialitäten – Helles und Natur-Radler – im Frühsommer 2022, die positive Entwicklung dieser beiden Sorten 2023 vorantreiben Bei den Gebinden punkten in erster Linie Euroflaschen und auch wieder Getränkedosen – vor allem bei jungen Zielgruppen in Metropolregionen. Speziell auf sie zugeschnittene Neuprodukte werden den Markt in den kommenden Monaten weiter bereichern. Außerdem wird ein Anhalten des Craft-Beer-Trends, auch des Interesses an außergewöhnlichen Biervarianten, meist produziert von kleinen Brauereien und Startups, erwartet. Das Bier wird also in den kommenden Monaten nicht ausgehen. Jedoch wird es unter erschwerten Bedingungen produziert werden – und das wird sich im Preis auch nachhaltig widerspiegeln.

Allgemeine Wettbewerbssituation
Die deutsche Brauwirtschaft setzt sich aus mehr als 1.500 Braustätten zusammen, die 2021 einschließlich alkoholfreier Sorten rund 85,4 Millionen Hektoliter Bier erzeugten. Laut der Ausstoßzahlen stehen deutsche Brauereien damit an fünfter Stelle hinter China, den USA, Brasilien und Mexiko. In Europa ist Deutschland jedoch das führende Land in der Bierproduktion. Ein regionaler Schwerpunkt der nationalen Biererzeugung liegt in Bayern, wo sich fast jede zweite Braustätte befindet. Die industrielle Brauwirtschaft setzt nach Angaben des Statistischen Bundesamts jährlich rund 7,6 Milliarden Euro um. Die Erlöse haben sich dabei stagnierend bis rückläufig entwickelt, da sowohl der deutsche als auch der europäische Biermarkt eher rückläufig sind.