Der Markt der Quick-Commerce-Anbieter hat sich in Deutschland insbesondere in den vergangenen Monaten deutlich konsolidiert. Mit dem Rückzug des in der Türkei beheimateten Lieferdienstes Getir aus Deutschland ist das Berliner Startup Flink, an dem der Lebensmittelhändler Rewe mit zwölf Prozent beteiligt ist, nun nahezu der einzige reine Quick-Commerce-Dienstleister hier zu Lande. Dass Getir jetzt aufgibt, dürfte sich auf die Absätze von Flink positiv auswirken. „Wir konnten zuletzt zusätzliches Wachstum in den Städten beobachten, aus denen sich Gorillas und Getir zurückgezogen haben und sind optimistisch, weitere Teile der Kundschaft für Flink gewinnen zu können“, teilte der E-Food-Anbieter auf Medienanfrage mit. Das Unternehmen prüfe derzeit eine Übernahme von Räumlichkeiten des einstigen Wettbewerbers Gorillas.
Allerdings werde Flink jetzt die Chance nutzen müssen, „um das eigene Geschäftsmodell sehr schnell und sehr deutlich in Richtung Profitabilität zu entwickeln“, sagt Christoph Krauss von der Unternehmensberatung Roll & Pastuch. Dies sollte verschiedene Maßnahmen beinhalten, empfiehlt er. Sie sollten auf die Themen Größe des Warenkorbs, Effizienz der Lieferung sowie Durchsetzen höherer Preise einzahlen. Kundinnen und Kunden müssen mit Preissteigerungen rechnen.
„Quick Commerce als Lieferung in Minutenschnelle zu Supermarktpreisen war schon immer eine Luftnummer“, meint Prof. Otto A. Strecker, Vorstand der auf die Food Value Chain spezialisierten AFC Consulting Group. Stichfahrten zu einzelnen Kunden seien absurd teuer. „Das ist so, als würde der Briefträger nach jedem Briefkasten zurück ins Depot fahren“, ergänzt er. Bündelt man sie, gerate man in die Logistikfalle. „Dem Problem versucht der Quick-Commerce durch Geschwindigkeit zu begegnen. Das kann nur gelingen, wenn die Liefergebühren hoch sind“, erläutert der Logistikexperte. Dann werde die Bestellung aber wesentlich teurer als im Supermarkt. Der Markt wäre entsprechend viel kleiner und kaum ein großer Investor würde sich dafür interessieren.
Viel Potenzial nach oben
Trotz dieser Turbulenzen in der Branche halten viele Fachleute den Markt bei Lebensmittellieferungen für längst nicht ausgeschöpft. Dem Handelsverband Deutschland (HDE) zufolge wurden 2023 lediglich knapp drei Prozent des gesamten Lebensmittelumsatzes online erzielt. Es gebe also viel Potenzial nach oben. Das Segment ist laut HDE zwischen 2020 und 2023 um knapp 16 Prozent gewachsen, so stark wie kein anderer Online-Bereich.
Auch Strecker sieht für „E-Commerce als Service“ noch reichlich Platz. „Man muss sich nur von der Vorstellung trennen, es könne ein profitables Geschäftsfeld werden“, behauptet er. Vor allem Edeka- und Rewe-Kaufleute hätten den Service, nach Hause zu liefern, regional unterschiedlich seit jeher angeboten – als Kundendienst. Einige dieser Modelle könnten aber dennoch nachhaltig profitabel sein, wenn man sie für einen angemessenen Preis etabliere. Picnic sei ein Geschäftsmodell, das vom klassischen Milchmann mit festen Liefertouren inspiriert sei. „Das lässt sich besser planen als Quick-Commerce à la Flink aber eben auch nur viel langsamer skalieren“, so der E-Food-Experte. Flaschenpost sei im Ursprung die Übertragung des regionalen Getränke-Bringdienstes auf eine nationale Plattform, die nun um weitere Angebote ergänzt wurde. Dr. Oetker habe bei der Flaschenpost-Übernahme sicher einen „strategischen“ Kaufpreis bezahlt, um sich vom Lebensmittel-Einzelhandel unabhängiger zu machen, meint Strecker. Diesen Kaufpreis werde man auch bei operativer Profitabilität nur langsam zurückverdienen können. Strecker empfiehlt den Lieferdiensten das Denken in Marktanteilsgewinnen durch eines in Deckungsbeiträgen zu ersetzen. „Das ist in dieser Zeit umso schwieriger, in der sich die Menschen eher den preislich besonders attraktiven Angeboten zuwenden“, sagt er. Und so brauche Flink größere Warenkörbe, höhere Liefergebühren, längere Lieferzeiten und die Einkaufskonditionen der Rewe.