Was werden die kommenden Wochen, Monate und Jahre bringen? Diese Frage konnte noch nie mit Sicherheit beantwortet werden. Auch nicht für den Convenience-Markt auf der jährlichen Branchen-Veranstaltung „Handel und Wandel“. Doch derzeit fällt eine Antwort auf diese Frage wegen der Virus-Krise unsicherer denn je aus. Wegen der Pandemie drängen sich weitere sorgenvolle Fragen natürlich auch für die Convenience-Stores auf. Welche kurz-, mittel- und langfristigen Folgen hat die Pandemie für Deutschland und Europa im Gepäck? Werden die Tankstellen-Shops, wie es bei Redaktionsschluss der Fall war, weiter geöffnet bleiben und werden sie aus diesem Grund einigermaßen gut durch die Krise kommen? Auch Nahversorger und Kioske haben gegenwärtig weiter geöffnet und dürfen dies auch, um die Grundversorgung aufrecht zu erhalten. Wie aber überleben die Travel-Retail-Anbieter und Verkehrs-Gastronomen an Flughäfen und Bahnhöfen den näher rückenden Stillstand des öffentlichen Lebens? Gelingt es den Großhändlern die Versorgungsketten stabil zu halten? Und was ist mit den Shop-Betreibern in den Stadien, in Veranstaltungshallen, Unternehmen, Schulen, Universitäten und Krankenhäusern?
Alle diese Fragen waren während der diesjährigen Fachtagung „Handel und Wandel in Tankstellen und Convenience-Shops“ noch nicht aktuell. Das Branchentreffen fand in diesem Jahr wie gewohnt in der ersten Februarhälfte mit gut 200 Teilnehmern in Berlin statt. Vom Krisenmodus war noch nichts zu spüren. Im Hintergrund stand zwar die Frage: Wie geht es mit den Aral Tankstellen-Shops weiter, die auf das Format Rewe-To-go umgestellt worden sind und bis auf weiteres wohl auch künftig umgestellt werden? Manche Tagungsteilnehmer, waren der Meinung die Rewe-To-go-Shops bringen die Branche als Ganzes weiter. Aral werde den Rollout zügig vorantreiben. Dann sickerte durch, dass innerhalb der verantwortlichen Kreise in der Mineralölgesellschaft offenbar geplant wird, Shop und Bistro an den Tankstellen in Eigenregie zu führen. Auch in diesem Bereich sollen die Pächter wohl nur noch ein Agenturgeschäft betreiben. Ob in Zeiten von Krise und Hamsterkäufen Aral weiterhin frische Lebensmittel aus den Shop-Regalen und Bistro-Truhen im großen Umfang wegwerfen lässt, wie es viele Pächter offenbar gegenüber den Medien bestätigt haben, muss offenbleiben.
Erfolg mit Star Connect
Allerdings standen im Februar weder Aral noch die Muttergesellschaft BP auf der offiziellen Tagesordnung von „Handel und Wandel“. Vielmehr waren beispielsweise Torsten Rieger, Manager Non Fuel Business von Orlen Deutschland, oder auch Steffen Eckert, Leiter Marketing Shop, Food, Services bei Total Deutschland, auf dem Podium. Rieger berichtete vom Rollout des neuen Shop-Konzeptes Star Connect, der im Großen und Ganzen ein Erfolg gewesen sei. Es sei mittlerweile gelungen, das Format an über hundert Standorten umzusetzen. Durch das neue Konzept sei der Schwerpunkt des Shop-Geschäfts weiter Richtung Foodservice verschoben worden, so der Orlen-Manager. Es gebe jetzt maximal fünf verschiedene Arten von Sitzplätzen in den Stores, die Sanitäranlagen seien deutlich aufgewertet worden und Orlen setze Digital Signature strategisch ein.
Neue Total-Shops, weltweit
Die eigentliche Überraschung aber präsentierte Steffen Eckert in Berlin. Die französische Mineralölgesellschaft, die weltweit agiert, hat für ihr Format Bonjour eine Weiterentwicklung erarbeitet. Die Stores sollen noch spitzer auf die vier Zielgruppen zugeschnitten werden, die das Unternehmen auch bisher schon mit seinen Convenience-Angeboten erreicht. Zusammen mit seiner Mitarbeiterin Julia Hanot, verantwortlich für das Marketing rund um das Total Shop- und Food-Geschäft, stellte Eckert die Planungen vor. Und nicht nur das: Während der Veranstaltung gab er bekannt, dass die ersten beiden Pilotshops schon Anfang April einerseits in Deutschland in der Bundeshauptstadt andererseits in Mexiko City an den Start gehen werden. Ob es bei diesen Eröffnungsdaten bleibt, war jedoch bei Redaktionsschluss angesichts der sich zurzeit zuspitzenden krisenhaften Situation fraglich. Wahrscheinlich kommt es zu einer Verschiebung, war auch von Seiten des Unternehmens zu erfahren. Ob es beim Ausrollen des neuen Formates im April und Mai bleibt, in den unterschiedlichen Ländern, in denen Total aktiv ist, bleibt abzuwarten, kann aber wohl bezweifelt werden.
Näher an den Zielgruppen
Jedenfalls ist es das Ziel der Mineralölgesellschaft, den zwar fiktiven aber typischen Tankstellen-Kunden „Petra, Harry, Thomas und Lisa“ ein noch passgenaueres Angebot bei Bonjour zu machen. Petra steht für die Pendler, die vor allem in den Morgenstunden die Stores aufsuchen und es eilig haben. Sie wollen hier beispielsweise einen Kaffee plus Croissant kaufen und schnell auschecken. Für sie gibt es im Pilotshop den Self-Checkout. Ein anderes Bedürfnis hat Harry, der Berufskraftfahrer oder auch Handwerker, der regelmäßig auch unterschiedliche Total-Stationen aufsucht. Er bekommt einen schnellen Snack oder ein Meal Deal, kann Punkte sammeln über den „Total Club“ und eventuell auch Gutscheinkarten einlösen.
Der Geschäftsmann Thomas sucht vor allem einen Rückzugsort an dem er sich unterwegs versorgen kann und wo er jederzeit erreichbar ist sowie wichtige Informationen abrufen kann. Für ihn und auch für Lisa ist das Café Bonjour mit seinen Sitzgelegenheiten besonders wichtig an der Tankstelle. Lisa, die City-Kundin, nutzt darüber hinaus, gerne auch rund um die Uhr, die von den Total-Verantwortlichen neue entwickelte „Mobility Wall“. Dort werden elektronische Zusatzprodukte rund um Smartphone, Tablet und Laptop offeriert.
„Mobility Box“ und Café Bonjour
Entsprechend dem Standort der Shops, könne jeder der vier Bereiche modular vergrößert oder verkleinert werden. Das Zentrum des neuen Formats bleibe aber immer die sogenannte „Mobility Box“ mit einem Café Bonjour in der Mitte, erläuterten Eckert und Hanot auf der Berliner „Handel und Wandel“-Bühne. Weitere Bestandteile seien eine Selbstbedienung- und To-go-Theke, eine Fast-Line und im Retail-Bereich viel Frische und unverpackte Produkte. Hinzu komme ein neues Kaffee-Konzept, das Total gemeinsam mit Lavazza entwickelt hat. Weitere Service-Angebote stellte Eckert auf der Fachtagung ebenfalls vor: Wlan, eine Paket-Station und ein speziell zusammengestelltes französisches Weinangebot. Zum Abschluss seiner Präsentation verriet der Shop-Chef von Total Deutschland, dass das Mineralöl-Unternehmen zudem „ein Nahversorgerkonzept in der Pipeline“ habe.
42.500 Quadratmeter Verkaufsfläche
Doch nicht nur um Tankstellen-Shops ging es bei der diesjährigen “Handel und Wandel”-Tagung. Auch der unter der momentanen Ausnahmesituation leidende Travel Retail Bereich kam mit Markus Preiß, dem Teamleiter Marketing des Geschäftsbereichs Commercial Activities Business Development & Marketing am Flughafen München, zu Wort. Seit der Eröffnung 1992 sei der Flughafen München einer der passagierstärksten in Europa, die Nummer zwei in Deutschland und international auf den vorderen Plätzen, präsentierte er seinen Arbeitgeber.
„Die Airport City bietet den Passagieren und Kunden unter anderen rund 150 Shops, 60 Restaurants und Bars, Hotels, zwei Tankstellen sowie eine Brauerei,“ so Preiß. 42.500 Quadratmeter Verkaufsfläche stehen zur Verfügung. Der Flughafen München ist der erste Fünf-Sterne-Flughafen Europas. Bereits zum zwölften Mal in den vergangenen 14 Jahren hätten ihn die Passagiere wie auch 2019 mit dem World Airport Awards ausgezeichnet. Preiß konnte im Februar noch feststellen, dass der Airport Travel Retail und der Bereich Global-Duty-Free Wachstumsmärkte seien. Er prognostizierte bis zum Jahr 2022 für den Airport Travel Retail ein Wachstum von plus 7,9 Prozent in Deutschland und 5,3 Prozent in Europa. Besonders gut laufen an Flughäfen demnach vor allem auch Spirituosen und Confectionery & Fine Food mit zweistelleigen Zuwächsen.
Allerdings, berichtete Preiß, müsse man sich als Flughafenbetreiber auch eine Strategie im Verhältnis zum Onlinehandel erarbeiten. Dazu gehören beispielsweise Vorbestell- und Lieferoptionen, Verknüpfung von Produktangeboten über mehrere Flughäfen hinweg oder auch Online-Shops. 45 Prozent der Befragten einer Studie gaben an, dass sie mehr Läden am Flughafen besuchen würden, wenn sie bereits im Vorhinein das Produktsortiment online sehen könnten.
Die „Reise“ der Kunden
Als Dienstleister für die Branche empfahlen Robert Lettau und Jens Tarnowski ihre Agentur Syndicate Design. Der Creative- und der Account-Director aus Hamburg wollen Marken, also auch Handelsmarken, und ihre Kunden bei der gemeinsamen Reise durch die Convenience-Welt begleiten: „mit passenden Strategien, zielgerichteten Ideen und klarem Design“, wie beide betonten. Es gehe dabei insgesamt um die ,,Reise“ eines potenziellen Kunden über verschiedene Touchpoints mit einer Marke, bis er eine intendierte Zielhandlung, nämlich einen Kauf, durchgeführt habe. Das sei notwendig: Denn Produkte würden immer vergleichbarer immer austauschbarer, immer ähnlicher. „Daher ist die Interaktion mit der Marke heutzutage immer wichtiger“, so die beiden Referenten.
Rund zehn weitere Redner versorgten die Teilnehmer mit frischen Branchen-Infos. Hinzu kamen Gründer von Startups mit ihren Innovationen und einige Aussteller. Alle berichteten von neuen Herausforderungen. Mit der aktuellen Situation rund um die aktuelle Corona-Bekämpfung hatte wohl keiner gerechnet.