Spirituosen Weniger Alkohol, mehr Mixes

Spirituosenmixgetränke sind trotz sinkendem Alkoholkonsum beliebt. Ein Grund: Diese Produkte kommen gleich mehreren Wünschen von Verbrauchern entgegen.

Dienstag, 18. Juni 2019 - Süßwaren & Salzige Snacks
Sabine Wygas
Artikelbild Weniger Alkohol, mehr Mixes
Bildquelle: Getty Images

Vier Milliarden Euro geben die Deutschen jährlich für Spirituosen aus, so die aktuellen Zahlen des Marktforschungsunternehmens Nielsen. Laut World Health Organisation (WHO) liegt der Pro-Kopf-Verbrauch pro Jahr bei 11,4 Litern reinem Alkohol. Beeindruckende Zahlen, doch der Alkoholkonsum sinkt, in Deutschland zwar langsamer als in anderen europäischen Ländern, so die WHO, aber er ist auch hier zu Lande rückläufig. Die Getränkehersteller müssen sich also etwas einfallen lassen, um die Konsumenten bei der Stange zu halten. Und genau das tun die Produzenten, so eine Branchenanalyse der Hans-Böckler-Stiftung. Danach reagiert die Getränkeindustrie in immer kürzeren Zeitabständen flexibel auf die sich ändernden Anforderungen von Seiten der Verbraucher und der verschiedenen Handelskanäle.

Mehr Nachfrage, weniger Alkohol
Das gelingt der Industrie unter anderem mit einem immer größeren Angebot an Spirituosenmixgetränken. Laut Bundesverband der Deutschen Spirituosen-Industrie und -Importeure (BSI) stieg der Umsatz der Spirituosenmixgetränke von 2016 bis 2017 um 20,7 Prozent, der von Biermixgetränken um 3,4 Prozent. Kein Wunder, denn über solche Getränke greifen die Hersteller gleich mehrere Trends und Bedürfnisse von Konsumenten auf. Zum Beispiel das steigende Bedürfnis, auch untere jüngeren Menschen, nach einer gesunderen Lebensweise.

Das bedeutet auch, weniger Alkohol zu konsumieren. Spirituosenmixgetränke enthalten meist weniger Alkohol als rein alkoholische Getränke und haben daher ein gesünderes Image. Nicht zuletzt auch weil sie häufig fruchtige, „gesunde“ Komponenten wie Beeren, Wassermelone oder Limone enthalten. Solche Produkte lassen sich offenbar besser vermarkten. Die Berentzen-Gruppe hat in diese Richtung umgedacht, auch wenn das Unternehmen immer noch vor allem auf die Kernmarken Berentzen und Puschkin setzt. So enthält zum Beispiel der „Apple Bourbon“ dieses Herstellers mit 28 Volumenprozent deutlich weniger Alkohol als normaler Whiskey. Weiterer Vorteil von alkoholischen Mischgetränken: Selber mixen ist nicht nötig, das spart Zeit und erleichtert den Spontankauf unterwegs. Vor allem bei Jüngeren sind Spirituosenmixgetränke im Ready-to-go-Format sehr beliebt. Ideal für den Convenience-Markt.

Hersteller fördern leichtere Verpackungen
Jederzeit und überall konsumierbar, das heißt auch, dass die Produkte in leichten, handlichen Verpackungsformen daherkommen müssen. Das setzen auch Hersteller wie Berentzen um. „Besonders freut uns, dass die Marke Berentzen ihre Marktführerschaft in Deutschland im Bereich Fruchtige Spirituosen auf einen Marktanteil von 21,6 Prozent weiter ausbauen konnte – dem höchsten Wert seit Jahren“, wird Oliver Schwegmann, Vorstand der Berentzen-Gruppe bei der Vorstellung des Geschäftsberichts 2017 zitiert. Bei den Spirituosen-Mixgetränken beobachte man derzeit einen Trend zu mehr Ready-to-Drink-Konzepten in Dosen. „Allein zwischen 2017 und 2018 stieg der Absatz laut Marktforschungsdaten von Nielsen in diesem Bereich bundesweit um 14 Prozent auf 24,5 Millionen verkaufte 0,7-Liter-Einheiten“, so Unternehmenssprecher Thorsten Schmitt. Diese Entwicklung greife Puschkin in diesem Jahr mit drei neuen Varianten (Lemon, Mate-Ginger und Watermelon) in der 0,33-Slime-Line-Dose auf.

Den Trend zur Dosenverpackung bestätigt die Branchenanalyse der Hans-Böckler-Stiftung. Demnach ist die Getränkedose für die Industrie ein Weg, um Märkte vollständig zu erschließen und neue Zielgruppen anzusprechen. Die Branchenexperten gehen zwar davon aus, dass der Marktanteil der Getränkedose auch in Zukunft steigt, aber nicht das Niveau vor der Einführung des Dosenpfands 2003 erreichen wird.

Coolpack für Convenience
Auf eine Kunststoffalternative zu seinen Glasflaschen setzt Jägermeister und bietet seinen Kräuterlikör jetzt auch im Coolpack aus leichter Kunststoffverpackung an. „Jägermeister schmeckt am besten eiskalt, bei minus 18 Grad Celsius, dafür muss er ins Gefrierfach“, sagt SebastianKoenen, Projektleiter im Bereich Innovation und Design. „Mit dem innovativen Verpackungsdesign haben wir eine starke Lösung für den Outdoor-Genuss entwickelt, mit dessen Formsprache wir die junge Zielgruppe an die empfohlene Trinktemperatur erinnern, gleichzeitig liefern wir ein ikonisches Produkt.“ In Deutschland sei das neuartige Coolpack zunächst im Getränkefachgroßhandel, auf Veranstaltungen sowie in Convenience-Shops erhältlich.

In Tankstellen- und Online-Shops
Dem Fachverband Tankstellen-Gewerbe liegen nach eigenen Angaben keine Zahlen darüber vor, wie viele Alkoholmixgetränke in Tankstellen-Shops verkauft werden und welche am beliebtesten sind. Eine Statista-Umfage von 2016 zeigt immerhin, dass sechs Prozent von 811 Befragten oft Spirituosen in Tankstellen-Shops erwerben. Der Online-Vertrieb spielt hingegen immer noch keine große Rolle. Er soll, so die Studie der Hans-Böckler-Stiftung, allerdings im Getränkesegment zunehmend an Bedeutung gewinnen. Viele Experten bezweifelten aber, dass sich der Online-Handel in den kommenden Jahren in der Breite als weitere, relevante Vertriebsschiene für Getränke durchsetzen wird. Die Gründe liegen laut Studie unter anderem in den hohen Transportkosten, die sich nicht ohne weiteres an die Endverbraucher weitergeben lassen. Auch durch den aufwändigen Alters-Check für Spirituosen fehle der Industrie die Möglichkeit, online ein hohes Absatzvolumen zu erzielen. Zwischen 2017 und 2018 stieg der Absatz der Mixes laut Nielsen bundesweit um 14 Prozent.