Müssen Kunden bald in vielen Städten in Deutschland extra für Einweg-Kaffeebecher und Essensboxen zahlen? Denn mittlerweile hat sich herumgesprochen, dass nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Tübinger Verpackungssteuer der Weg dafür frei ist. Aber nicht in Bayern. Dort hat die Landesregierung den Städten und Gemeinden verboten, eine Verpackungssteuer zu beschließen. Kommunen außerhalb Bayerns können die Steuer jetzt einführen. Beschlossen und etabliert ist sie in Tübingen sowie in Konstanz und beschlossen in Freiburg. Laut einer neuen Umfrage der Deutschen Umwelthilfe, DUH, haben allerdings 144 Städte hier zu Lande Interesse an der Einführung einer Steuer auf Einweg-Takeaway-Verpackungen, so wie der Vorreiter Tübingen dies durchgesetzt hat.
Städte bereiten Verpackungssteuer vor
Neun Städte und eine Gemeinde bereiten nach ersten Beschlüssen die Einführung von Einweg-Verpackungssteuern vor, so die Umfrage. Freiburg im Breisgau hat den Start der Steuer für den Jahresbeginn 2026 beschlossen. Auf dem Weg dahin sind auch die ehemalige Bundeshauptstadt Bonn, Bremen, das südniedersächsische Hameln, Heidelberg, Köln sowie die Gemeinde Nellingen im Alb-Donau-Kreis, Oberhausen, Rottenburg am Neckar und Troisdorf. 64 Städte gaben gegenüber der Umwelthilfe an, sich in Prüfung zu befinden. Dazu gehören beispielsweise Chemnitz, Flensburg, Gelsenkirchen, Speyer oder Würzburg. 53 weitere Kommunen beraten derzeit offenbar über Anträge in ihren Gremien, die teilweise über die DUH eingereicht worden sind. Zu diesen gehören unter anderen Bielefeld, Dresden und Wolfsburg. Zudem gibt es ein grundsätzliches Interesse an einer Einweg-Steuer, so die Umfrage. So zeigten sich 17 weitere Städte, die derzeit noch ohne konkrete Prüfungs- oder Beratungsprozesse sind, an einer Etablierung der Abgabe auf Takeaway-Einweg-Geschirr interessiert.
Mehrwegpflicht bisher wirkungslos
Die Bundesgeschäftsführerin der deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, bewertete die Umfrageergebnisse entsprechend: „144 Städte wollen nicht länger tatenlos zusehen, wie Einweg-Verpackungen den öffentlichen Raum und die Umwelt vermüllen“, so ihr positives Fazit. Die bisherige Maßnahmen auf Bundesebene, wie die Mehrwegangebotspflicht seien wirkungslos geblieben. Der Verbrauch von Einweg-Takeaway-Geschirr ist nach Erhebungen der Umwelthilfe sogar von 2022 auf 2023 um eine Milliarde auf mehr als 14 Milliarden Artikel angestiegen. „Die künftige Bundesregierung ignoriert Mehrweg als Schlüssel zur Abfallvermeidung im Verpackungsbereich vollständig“, meinte Metz. Im Koalitionsvertrag finde sich dazu kein einziges Wort. Wenn die Kommunen mit den wachsenden Einweg-Fluten weiter allein gelassen würden, wäre das aus Sicht der DUH verantwortungslos. Das sei Stillstand statt Aufbruch zu einer dringend notwendigen Mehrwegwende. Nach Einschätzung der Umwelthilfe ist es Fakt, dass der Druck auf die Regierungsparteien Union und SPD wachse, wenn mehr Städte handeln würden. Es sei Zeit, eine verbindliche Einweg-Abgabe auf Takeaway-Verpackungen von mindestens 50 Cent bundesweit einzuführen.
Rückgang der Vermüllung
Als Beleg dafür, dass die Verpackungssteuer wirkt, führt die Umwelthilfe Daten und Beobachtungen aus den beiden Vorreiterstädten Tübingen und Konstanz an. Die Vermüllung des öffentlichen Raums ist demnach sichtbar zurückgegangen. Beide Städte weisen zudem einen starken Zuwachs beim Angebot und in der Nutzung von Mehrweg auf. In Konstanz ist laut DUH die Anzahl der Betriebe, die sich dem Mehrwegsystem Recup angeschlossen haben, im Zeitraum der Einführung der Verpackungssteuer um 60 Prozent angestiegen, in Tübingen sogar um 83 Prozent. Die Nutzung der Mehrwegbehältnisse des Vytal-Systems habe sich in Tübingen im Monat nach der Einführung fast verdoppelt. Auch wirtschaftlich rechne sich laut Umwelthilfe die Steuer: Im Jahr der Einführung habe Tübingen eine Million Euro eingenommen, was die Verwaltungskosten um das Neunfache übersteige.
Zusammen mit Gastronomie und Handel
Elena Schägg, stellvertretende Leiterin Kreislaufwirtschaft der DUH, weist darauf hin, dass die Mehrwegquote aktuell bei „nur einem beschämenden Prozent“ liege. „Wir empfehlen den Kommunen, Verpackungssteuern konsequent mit dem Aufbau von Mehrweginfrastruktur zu verknüpfen, um die Akzeptanz und Nutzung zu steigern“, so Schägg. Gastronomie- und Handelsbetriebe sollten frühzeitig eingebunden und bei der Mehrwegumsetzung unterstützt werden, empfiehlt sie. So zum Beispiel durch zentrale Rückgabe- und Spüllösungen vor Ort, etwa mit Rücknahmeautomaten. „Ziel muss sein, dass jede Verbraucherin und jeder Verbraucher einfach auf steuerfreie Mehrwegverpackungen umsteigen kann“, mahnt Schägg.
Auch im Nordwesten Deutschland prüfen zurzeit zahlreiche Städte eine solche Abgabe auf Einweg-Geschirr. Dass ergab eine Umfrage der Deutschen Presse Agentur in den Rathäusern. Am weitesten ist dabei Bremen, wie auch die DUH bestätigt. Der Senat hatte dort schon im Herbst angekündigt, eine Steuer auf Einweggeschirr umsetzen zu wollen. Der geplante Start ist Januar 2026. Noch seien aber zahlreiche Detailfragen zu klären, so ein Sprecherin. Die entsprechende Abstimmung laufe nun.
Ähnliche Initiativen gibt es inzwischen in weiteren Städten, wie die jeweilige Kommunen mitteilten. In Lüneburg sollte der Stadtrat bereits in der ersten Maihälfte über einen Antrag der Grünen abstimmen. In Buxtehude bei Bremen wird nach Aussagen eines Sprechers voraussichtlich im zweiten Halbjahr eine Entscheidung fallen. In Delmenhorst starteten die Grünen im Januar eine Initiative, nachdem ein erster Antrag 2020 noch wegen unklarer Rechtslage durchfiel.
Verpackungssteuer prüfen
In Göttingen, im südlichen Niedersachsen, wurde die Verwaltung beauftragt, die Einführung einer Verpackungssteuer ab 2027 zu prüfen. In Hildesheim, ebenfalls in Niedersachsen, will die Verwaltung selbst die Initiative ergreifen und dem Rat einen eigenen Vorschlag vorlegen. „Das wird aber sicher nicht von heute auf morgen gehen und etwas Zeit in Anspruch nehmen“, so ein Sprecher. In Cuxhaven soll das Thema demnächst in vier Fachausschüssen beraten werden. Und in Emden steht eine erste Ausschussberatung Ende Mai an. Ob sich am Ende eine Mehrheit dafür finde, sei aber derzeit unklar, hieß es im Emder Rathaus. Die Verwaltung setze dort eher auf eine bundeseinheitliche Regelung.
Vorschläge und Planungen
Auch Hannover zeigte sich offen für eine Verpackungssteuer. Ein Sprecher bezeichnete sie als „vielversprechende Lösung, die wir auch für die Landeshauptstadt Hannover in Betracht ziehen“. Das Thema müsse aber genau geprüft werden. Mit einer Entscheidung sei nicht vor Ende 2025 zu rechnen. Osnabrück überlegt ebenfalls, wie Verpackungsmüll reduziert werden kann. Der Rat beauftragte die Verwaltung im Dezember, entsprechende Vorschläge zu entwickeln. Der Katalog soll bis zum Sommer vorliegen. Geprüft wird eine Verpackungssteuer auch in Aurich und Wilhelmshaven in Ostfriesland. Salzgitter will sich mit dem Thema „zeitnah und in Abstimmung mit den kommunalen Spitzenverbänden auseinandersetzen“, so ein städtischer Sprecher.
Keine konkreten Pläne für eine Verpackungssteuer gibt es derzeit in Braunschweig, Wolfsburg, Oldenburg, Goslar, Uelzen, Celle und Vechta. „Das Thema ist bei uns im Hinterkopf präsent“, sagte aktuell ein Sprecher der Stadt Hameln der Agentur. In der Umfrage der Deutschen Umwelthilfe hatte es noch geheißen, Hameln bereite erste Beschlüsse für die Einführung der Einweg-Verpackungssteuer vor.