Reemtsma „Das Business zukunftsfähig machen“

Noch weniger werben, weniger Verkaufsstellen und ein Verbot für Disposables. Reemtsma will dagegenhalten und die Tabak- Handelspartner stärken.

Sonntag, 18. Juni 2023 - Industrie
Martin Heiermann
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Bildquelle: Reemtsma

Schon seit langem leben wir mit den Verordnungen der Europäischen Union und haben gelernt, damit umzugehen. Trotzdem sehen wir einen deutlichen Anstieg an Regulierung gerade im Tabakbereich, bei E-Zigaretten und neuartigen Nikotin-Produkten“, sagt Bernd Lutter, Market Manager bei Reemtsma gegenüber Convenience Shop. Er erwartet weitere Verschärfungen der EU-Regeln. Die neue Tabakproduktrichtlinie sei in Brüssel in den Startlöchern. Von den Einschränkungen betroffen, seien wahrscheinlich vor allem die Werbung, das Handling, aber auch die Aromen, prognostiziert man bei Reemtsma. „Insgesamt werden wir in unserem Geschäft mit noch mehr Leitplanken zu rechnen haben als bisher“, sagt der Reemtsma-Manager im Gespräch.

Bernd Lutter bereitet mit diesen Worten die Tabak-Branche inklusive der Handelspartner auf eine weiter Regulierungsrunde durch die europäische und deutsche Politik vor. Gerade deshalb ermuntert der Market Manager insbesondere auch den Convenience-Handel, mit Reemtsma verstärkt zusammenzuarbeiten. Gemeinsam könne man den Herausforderungen begegnen. Lutter verweist auf bereits bestehende Einschränkungen: In Sachen Werbung gibt es seit einiger Zeit umfangreiche Verbote der Außenwerbung. Entsprechende Werbeverbote für die E-Zigarette sollen zu Anfang kommenden Jahres folgen. Darüber hinaus erwartet Lutter künftig weiter gehende Regulierungen der Werbung am Point of Sale. Auch sei es wahrscheinlich, dass die Packungen für Tabakprodukte noch einmal in ihrer Form und Farbe verändert werden müssten. Darauf deute das europäische Umfeld hin. Ein Blick über die Grenzen ins europäische Ausland zeige auch, dass es Tendenzen gebe, wahrscheinlich ganze Handelsformen vom Verkauf von Tabakprodukten auszuschließen, wie sich dies in den Niederlanden bereits andeute. Damit sei eventuell in den nächsten drei, vier oder fünf Jahren zu rechnen.

Aufmerksamkeit für die kommende Tabakproduktrichtlinie
„Den Fachhandel und den Convenience-Bereich werden diese Verkaufsverbote nicht betreffen“, meint Lutter. Die Convenience-Stores könnten unter diesen Umständen sogar an Bedeutung gewinnen. Denn der Kanal hat einiges zu bieten, vor allem die permanente Verfügbarkeit des Tabaksortiments durch lange Öffnungszeiten.

Der Reemtsma-Manager möchte den Blick der Handelspartner auf die Tabakproduktrichtlinie in ihrer überarbeiteten Version 3.0 lenken, die bald zu erwarten ist, und die Konsequenzen, die sich aus ihr ergeben. Wenn Reemtsma mit Convenience-Handelspartnern spreche, werde die Problemlage zur neuen Richtlinie noch nicht voll wahrgenommen. Das sei verständlich, denn viele Convenience-Player kümmerten sich derzeit um tagesaktuelle Herausforderungen. Vielen sei das Szenario noch nicht wirklich bewusst, dass „was passieren“ werde. Momentan trage Reemtsma mit Hilfe seines Key Accounts dies an die Partner heran, um zu einem aktiven Austausch zur Thematik anzuregen. Die Branche darauf vorzubereiten, liege auch in der Verantwortung von Reemtsma. Es gelte, gemeinschaftlich enger zusammenzurücken, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Das Unternehmen habe Konzepte, damit das gemeinsame Geschäft fortgesetzt werden könne. Tabakwaren seien Magneten für Kunden: „Deshalb kommen die Konsumenten und kaufen auch weiteres in den Shops“, meint Lutter.

Tabakwaren, die „Flächenproduktivitätsgiganten“
Allerdings betonte Bernd Lutter im Gespräch, dass man grundsätzlich zufrieden mit der aktuellen partnerschaftlichen Situation sei. Oft seien die Tankstellengesellschaften jedoch mit dem Thema Energiegesetz oder mit der Mobilitätswende beschäftigt. Diese erforderten viel Aufmerksamkeit.

Dennoch gelte es über Kategorie-Lösungen nachzudenken. Reemtsma bietet dazu seine Beratungsleistungen an, inklusive Category Management. „Es hilft, das gesamte Business zukunftsfähig aufzustellen,“ so Lutter weiter. Das Management der Kategorien betreffe nicht nur das Tabakwaren-Sortiment, sondern die gesamte Verkaufsfläche. Es gehe um Flächenproduktivität und Flächenauslastung. Das Sortiment müsse auf der zur Verfügung stehenden Fläche optimiert werden. Ein gesundes Verhältnis von Nonfood, Food sowie von Tabak- und Nikotinprodukten sei nicht zu unterschätzen. Das schließe eine Umfeld-, Standort- und Kundenanalyse mit ein. Deshalb blicke Reemtsma auch von Konsumentenseite auf die Shops und könne den Handelspartnern Beratung und Konzepte anbieten. Denn Tabakwaren seien im Convenience-Markt „Flächenproduktivitätsgiganten“.

Grundsätzlich ist Reemtsma mit jedem großen Mineralölkonzern, der hier Lande im Tabakwaren-Einzelhandel unterwegs ist, vertraglich gut aufgestellt. Das macht Bernd Lutter deutlich. In diesem Zusammenhang betont er die Kooperation mit Esso. Seit Juli des vergangenen Jahres gebe es eine exklusive Partnerschaft mit der Tankstellengesellschaft. Dies betreffe sowohl die Kommunikation und das Category Management als auch die Aktivierung auf der Handelsfläche. Gemeinschaftlich werde das Convenience-Geschäft gesteuert. „Absatz und Umsatz sowie die Flächenproduktivität konnten gesteigert werden.“ Die strategische Allianz mache „eine Menge Spaß und bringt wirtschaftlichen Nutzen “. Ähnliches, so Lutter, gebe es im Tabakfachhandelsbereich bereits seit Jahren.

Trainings und Schulungen rund um die E-Zigarette
Eine weitere aktuelle Herausforderung für die Tabakwaren-Industrie und den Convenience-Handel sind die Sortiments-Verschiebungen hin zu risikoreduzierten Alternativen, also zu E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Tabak-Pouches. Reemtsma reagiert darauf mit vielfältigen Schulungsangeboten: „Zunächst trainieren, schulen und unterstützen wir das Personal des Händlers konsequent. Diverse Programme sind in der aktiven Nutzung durch die Partner“, macht Lutter deutlich. Es gebe Online-Trainings für Handelspartner und deren Angestellte. Bei jede Schulungseinheit erhalte der Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin eine Belohnung. Für große Key Account-Systeme spreche Reemtsma Einladungen zu Schulungsabenden aus. Für die neuen Kategorien gebe es Folder und Erklärungen zu den Produkten sowie Aufsteller für die Tresen in den Convenience-Stores. Am Point of Sale erfolge diese Unterstützung durch den Außendienst des Unternehmens. Reemtsma habe diesen in den vergangenen Jahren noch mal neu aufgestellt. „Wir haben 230 Mitarbeiter im Außendienst, also Personal aufgebaut. Vor Jahren waren es noch 160 Mitarbeitende“, berichte der Market Manager gegenüber Convenience Shop.

Lutter verdeutlich aber auch seine Einschätzung zur Entwicklung der einzelnen Kategorien innerhalb des Sortiments: „Zunächst werden Zigaretten ihre Marktposition noch über einen längeren Zeitraum behalten.“ Der Konsument entscheide, man richte sich deshalb an seinen Bedürfnissen aus. Es gebe zwar eine Tendenz zu den Risikoreduzierten und deren Anteil werde sich künftig erhöhen, doch das heutige Geschäft werde schließlich immer noch zu 96 Prozent mit klassischen Tabakprodukten gemacht. Das werde auch in Zukunft noch einige Zeit so bleiben.

„Wenn die E-Zigaretten-Nachfrage allerdings weiter steigen sollte, können wir auch diese bedienen“, sagt Lutter. Das Unternehmen habe bereits mit der Blue 2.0 ein nachhaltiges E-Zigaretten-Produkt mit Pod-System im Angebot. Reemtsma stütze sich bei seinen Marktaktivitäten vor allem auf die Datenlage, die zusammen mit den Handelspartnern analysiert werde. Daten seien heute der Schlüssel dazu, immer das richtige Angebot zu machen, betont Lutter. Allerdings werde es durch die werblichen und kommunikativen Einschränkungen immer schwerer, Ziele vorzugeben und das Einkaufsverhalten zu beeinflussen. Eine strategische Ausrichtung auf gewisse Kategorien sei kaum mehr möglich. Die Konsumenten steuerten die Entwicklung. Die Konsumentenbedarfe seien die Herausforderung in diesem dynamischen Markt, den man lesen können müsse. „Heute ist es nicht möglich zu sagen, wo wir 2025 mit E-Zigaretten liegen werden,“ meint der Market-Manager dazu.

Ein Nein zum Verbot der Einweg-E-Zigaretten
Zur stark ansteigenden Nachfrage nach Disposables, den Einweg-E-Zigaretten, verweist Lutter darauf, dass die Industrie diesen Trend nicht getrieben habe. Er sei vielmehr vor allem durch neue Medien gefördert und befeuert worden. „Unsere Antwort darauf als einer der Marktführer bei E-Zigarette ist die Blu bar“, sagt er. Die Innovationspipeline des Herstellers habe schnell reagiert. Seit April sei das Angebot mit Varianten im Markt. Die Blu bar sei von den Partnern im Convenience-Markt gut angenommen worden. Es gebe ein positives Feedback. Der Newcomer basiere auf dem Pod-System Blu. Man wolle den Konsumenten mit einer garantiert sauberen Qualität bedienen.

Der Problematik dieses Trends ist sich Reemtsma jedoch durchaus bewusst: „Wir stellen uns unserer Verantwortung als Markenartikler“, so Lutter. Die Nachhaltigkeit sei nicht zufriedenstellend. Mit einem Verbot der Einweg-E-Zigaretten zeigt sich Bernd Lutter jedoch nicht einverstanden. Er finde Verbote nicht richtig. Vielmehr sollte es seiner Meinung nach Regulierungen geben, um unseriöse Wettbewerber auszuschließen und deren Vertrieb zu unterbinden.