Was essen wir? Höhere Ansprüche auch 
an die Ernährung

Was wollen die Deutschen in C-Shops essen? Wer das grundsätzlicher hinterfragen will, dem ermöglicht die Nestlé Studie „So is(s)t Deutschland 2024“ viele spannende Einblicke.

Donnerstag, 04. Juli 2024 - Foodservice
Hans Jürgen Krone
Artikelbild Höhere Ansprüche auch 
an die Ernährung
Bildquelle: Dr. Schär

Für die aktuelle Studie zur Ernährungs-Thematik hatte das Marktforschungsinstitut Rheingold psychologische Gruppen- und Tiefeninterviews geführt sowie eine repräsentative Auswahl bei 2.040 Bundesbürgerinnen und Bundesbürgern zwischen 16 und 84 Jahren online durchgeführt. Dabei kam offenbar ganz grundsätzlich heraus, dass die Deutschen kein unbeschwertes Verhältnis mehr zur Ernährung haben.

Das Verhältnis zum Thema Ernährung ist offenbar deutlich angespannter geworden, die Ansprüche an sich selbst sind gestiegen und gleichzeitig ist die Zufriedenheit gesunken. Eine Rolle dabei spielen wohl auch die Krisen unserer Zeit, von Kriegen über Klimawandel bis Inflation, die die Essgewohnheiten der Menschen in Deutschland beeinflussen. Aber das ist es laut Studie längst nicht alleine. Ernährung diene darüber hinaus nicht mehr nur der Nahrungsaufnahme, sondern ist zum Gegenstand vieler Erwartungen, Glaubenssätze und Überzeugungen geworden, fand der Marktforscher heraus. Laut Studie wollen die Menschen den Idealen von Gesundheitsoptimierung und Mäßigung gerecht werden und moralischen Anforderungen hinsichtlich Tierwohl oder Klimaschutz genügen. So geben 53 Prozent aller Befragten an, sich viel mit der eigenen Ernährung zu beschäftigen, verglichen mit 37 Prozent im Jahr 2018.

Fokus auf eigener Ernährung
Der verstärkte Fokus auf der eigenen Ernährung, der vor allem aus dem krisenbedingten Rückzug ins Private resultierte, geht offensichtlich mit einem steigenden Level an Frust einher: Mit mindestens einem Aspekt der eigenen Ernährung sind 89 Prozent der Befragten unzufrieden, in der jüngeren Altersgruppe der 16-bis 27-jährigen – so genannte Generation Z – sogar 96 Prozent. 72 Prozent aller Befragten geben an, dass sie sich gesünder ernähren sollten, verglichen mit 54 Prozent im Jahr 2018. Und nur noch die Hälfte der Befragten ist zufrieden oder sehr zufrieden mit dem eigenen Gewicht, 2018 waren es noch 63 Prozent. Damit verbunden ist bei fast jedem Dritten der Generation Z das Gefühl, sich für die eigene Ernährung schämen zu müssen.

Unbeschwertheit verloren
„Durch die gesteigerte Selbstbezüglichkeit vieler Menschen hat sich in den vergangenen Jahren auch der individuelle Druck erhöht, selbstgesteckten Ernährungsidealen gerecht zu werden“, lässt sich Stephan Grünewald zitierten, Mitbegründer des Rheingold Instituts. „Die Unbeschwertheit geht verloren. Viele Menschen fühlen sich aus dem Paradies einer selbstverständlichen Ernährung vertrieben.“ Unter den befürchteten negativen Folgen ungesunder Ernährung rangieren Figurprobleme mit 65 Prozent ganz oben, gefolgt von Erkrankungen wie Demenz, Diabetes und Herz-Kreislauf-Problemen bei 53 Prozent. Trägheit oder Leistungsschwäche befürchten mit 47 Prozent der Befragten knapp die Hälfte. Fast ein Drittel der Befragten – 31 Prozent –sieht gar das
Risiko eines frühen Todes. Nur jeder zehnte Befragte sieht für sich keine Negativfolgen ungesunder Ernährung.

Vier Wege zur Verbesserung
Um wieder mehr Unbeschwertheit in die tägliche Ernährung zu bringen, setzen die Menschen in Deutschland laut Studie vor allem auf vier Wege:

  1. „Die neue Mäßigung“ , um sich an die gestiegenen Erfordernisse unserer Zeit anzupassen. So planen etwa 70 Prozent der Befragten den Lebensmittel-Einkauf im Voraus. 2018 waren es 53 Prozent. 44 Prozent achten beim Einkauf auf Produkte mit möglichst wenig Verpackungen – Zero-Waste – und der Verzicht auf Fleisch wird relevanter.
  2. „Der neue Pragmatismus“: Die Menschen fühlen sich dazu berechtigt, ihre Ernährung pragmatisch anzugehen und vom ideellen Ballast zu befreien. So kochen 47 Prozent der Menschen in Deutschland lieber einfache Gerichte. 2018 waren es 31 Prozent. Insbesondere die jüngere Gen Z nutzt verstärkt Lieferdienste. Fast jeder Fünfte tut das zwei bis drei Mal pro Monat. Essen in der Gemeinschaft ist vielen wichtiger als globale Nachhaltigkeitsansprüche und Ideale.
  3. „Der verdeckte Genuss im Nebenbei“: beiläufiges Dauer-Snacking dient der „seelischen Stoßdämpfung“. Bei der Gen Z ist die Sehnsucht erkennbar, bei gleichzeitigem Medienkonsum auch mal im Bett zu essen. So snacken
50 Prozent regelmäßig vor dem Bildschirm.
  4. „Der Retro-Trend“, bei dem sich die Menschen zurück nach einer heilen und auch deftigeren Genusswelt sehnen und eine Widerstandshaltung gegenüber neuen Ernährungstrends einnehmen. So stimmten immerhin noch 28 Prozent der Befragten der Aussage zu, dass sie nach wie vor auch gerne Fleisch essen und den Konsum auch in Zukunft nicht reduzieren werden.