Ende 2020 hat Wöllhaf angekündigt sich von Ebene 4 des Terminal 1 des Stuttgarter Flughafens zurückzuziehen. War die Corona-Krise in diesem Fall Ursache für den Rückzug?
Jörg Rösemeier: Die Entwicklung unserer vier Einheiten dort verschlechterte sich schon seit mehreren Jahren. Die Schließung des großen Buch-und Presseshops, welcher unseren Restaurants vorgelagert ist, führte dazu, dass die Besucherfrequenz auf der Ebene insgesamt stark gesunken ist. Damit ging uns Laufkundschaft verloren. Darüber hinaus eröffnete im Terminal 3 ein weiteres Fastfood-Restaurant. Im näheren Umfeld des Flughafens sind neue Hotels mit Tagungskapazitäten entstanden, die sich auf unser Geschäft auswirkten. Die Kosten, die für uns auf Ebene 4 angefallen sind, können mittel- und langfristig nicht anderweitig erwirtschaftet werden. Die negative Entwicklung, die ich geschildert habe, spitzte sich durch die Corona-Krise dramatisch zu. Wir mussten für die Sicherung des Unternehmens eine Entscheidung treffen, die uns nicht leichtgefallen ist.
Gibt es Pläne, Überlegungen oder schon Beschlüsse, an weiteren Flughäfen zu reduzieren?
Nein, ganz im Gegenteil. Wöllhaf möchte Präsenz zeigen und weiter wachsen. Am neuen Berliner Flughafen werden wir im Terminal T2 drei weitere Gastronomieeinheiten eröffnen, ein W-Café, ein Burger King Restaurant sowie eine Bäckerei. Wir haben in den vergangenen Jahren auch unsere Handelssparte ausgebaut und möchten hier ebenfalls wachsen. Darüber bemühen wir uns aktiv, Standorte außerhalb von Airports zu betreiben.
In welchem Umfang konnten Sie an den verschiedenen Flughäfen bisher wieder öffnen?
2020 sind die Passagierzahlen an allen Airports komplett eingebrochen, wir mussten deshalb den Großteil unserer Gastro- und Retail-Betriebe auf Sicht fahren. Das heißt, dass wir, wo es sich kostendeckend machen ließ, geöffnet hatten und haben. Andere Einheiten sind allerdings seit März 2020 geschlossen. Aktuell sind, bedingt durch die Corona-Krise, bis auf unser „Take Away“ und den Außer-Haus-Verkauf der Berliner Kaffeerösterei am BER alle unsere Betriebe geschlossen. Wir werden aber an einzelnen Standorten zu Ostern wieder öffnen und sobald die Passagierzahlen insgesamt steigen, werden sukzessive weitere Einheiten öffnen und unseren gewohnten Service anbieten.
Haben Sie an manchen Standorten ein Lieferservice oder auch Click & Collect etabliert?
Nein, da wo es machbar ist, betreiben wir Außer-Haus-Verkauf. Aber wenn keine Passagiere am Flughafen sind, macht dies auch nur bedingt Sinn.
Wie lange kann die Wöllhaf Gruppe die derzeitige Pandemie-Situation noch auffangen?
Wir haben das vergangene Jahr genutzt und unsere Kosten aktiv optimiert. Deshalb hoffen wir, dass wir die Krise einigermaßen gut überstehen werden. Wir hoffen nicht, dass weitere Maßnahmen notwendig sind. Durch eine Bürgschaft der Familie Wöllhaf haben wir Zugriff auf eine Kreditlinie. Weiter hoffen wir auf Auszahlungen von Coronahilfen, die wir natürlich beantragt haben. Hier haben sich die Rahmendaten deutlich verbessert – nach deutlichen Protesten vieler mittelständischer Unternehmen wie unserem. In der aktuellen Krise haben wir auf Kündigungen verzichtet und den Mitarbeitern, die sich in Kurzarbeit befanden oder noch befinden, zehn Prozent zusätzlich zu den Transferleistungen bezahlt.
Wie hat sich Ihr Umsatz im vergangenen Jahr entwickelt?
Der Gesamtumsatz der Wöllhaf-Gruppe ist um rund drei Viertel zum Vorjahr gesunken.
Welche mittel- und langfristigen Veränderungen erwarten Sie für den Bereich Travel-Retail und die gastronomischen Angebote an den Flughäfen?
Da nicht absehbar ist, wann die Passagierzahlen wieder signifikant steigen, gehe ich davon aus, dass sich die Reihen der Wettbewerber lichten werden und nicht alle diese Krise überstehen. Sie wird sich sicher auch bei der Vielfalt an Konzepten und Angeboten an den Airports bemerkbar machen. Der Trend, hin zu regionalen Konzepten mit individuellen Produkten, so wie wir Ihn forcieren, wird meiner Ansicht nach nicht leiden.
„Wir bemühen uns aktiv, Standorte außerhalb von Airports zu betreiben.“