MCS Interview Effektiv und flexibel

Vor etwas mehr als 20 Jahren verbanden sich Convenience-Großhändler aus ganz Deutschland in der MCS, um auch national handeln zu können. Wir sprachen mit MCS-Geschäftsführer Torsten Eichinger über die Herausforderungen.

Dienstag, 03. April 2018 - Industrie
Hans-Jürgen Krone
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Zuverlässigkeit und Flexibilität bei der Warenlieferung sind entscheidend

Im vergangenen Jahr feierte die MCS ihr 20jähriges Jubiläum. 1997 war es ein mutiger Schritt, diese kleinen Großhändler zusammenzupacken. Sagen Sie in der Rückschau, dass das die richtige Entscheidung war?

Torsten Eichinger: Auf jeden Fall. Meine Vorgänger, die das damals bewältigen mussten, wurden schon etwas belächelt. Als Bernhard Delakowitz mit dem damaligen Einkäufer zum erstmals für die MCS über die ISM ging, da wurden sie noch nicht so richtig ernstgenommen, weil sie mit einem vermeintlich bunten Haufen angetreten waren, den Convenience-Markt zu bearbeiten. Viele erwarteten nicht, dass diese Gruppe von Mittelständler es schafft, gemeinsam etwas zu erreichen. Aber gerade die vorgebliche Schwäche, dass sich sehr unterschiedliche Unternehmen zusammengetan haben, hat sich im Nachhinein als Erfolgsrezept für die MCS erwiesen. Die Partner konnten durch die Heterogenität anfänglich viel voneinander lernen. Wir hatten viele Außendienstler dabei, die von der Sügro kamen, die damals in der Auflösung war, und auch den einzigen Gesellschafter der Sügro, der damals nicht verkauft hat, die Naschwelt, mit dem entsprechenden Know how in der Gruppe. Daraus resultierte ein genereller Wissens-Transfer, der vieles bewegt hat. Es gab bei uns schon früh die Verbindung zwischen Convenience- und LEH-Know-how. Das kommt uns heute zugute, denn diese zwei Welten sind in den vergangenen Jahren immer mehr zusammengewachsen. Der vermutete Nachteil hat sich also für uns in einen echten Vorteil verwandelt.

Bei solchen Zusammenschlüssen gibt es meist die Befürchtung, dass auf die Unternehmen ein „Wasserkopf“ draufgesetzt wird, der dann oftmals eher eine Belastung ist. Wie haben Sie eine solche Entwicklung vermieden?

Eichinger: Den mittelständischen Unternehmern war natürlich wichtig, dass der „Wasserkopf“ nicht größer wird als die Basisorganisation, die die Arbeit macht. Es wurde von Anfang an sehr stark darauf hin gearbeitet, dass wir effektiv und flexibel handeln. Unser Erfolgsrezept in den 20 Jahren beruhte oftmals gerade darauf, dass wir nicht konzerngesteuert, sondern flexibel sind. Es war immer ein Miteinander in der Gruppe, und wir haben uns darauf konzentriert, den Markt zu erobern. So konnten wir uns auch gegen potenzielle Wettbewerber durchsetzen, die in den vergangenen Jahren gekommen und wieder gegangen sind. Unser Erfolgsrezept ist eben, dass wir die Zusammenarbeit auf Augenhöhe praktizieren.

Was ist in diesem Verbund die wichtigste Aufgaben der Zentrale?

Eichinger: Letztendlich sind wir in diesem Verbund für alles zuständig, was über die Grenzen einer normalen Großhandlung hinausgeht. Wenn wir über Marketing, Vertrieb und Einkauf reden, dann schauen wir immer, dass wir flexibel agieren. Wir wollen beim Einkauf beispielsweise so schnell wie möglich und im Vertrieb so nah wie möglich am Kunden sein. Auf der anderen Seite ist es natürlich unsere Aufgabe, bestimmte Aktivitäten von nationalen Kunden und Markenartiklern bundesweit zu steuern. All diese Dinge übernehmen wir für unsere Partner und koordinieren das dann in der Gruppe.

Bei meinen ersten MCS-Gespräch, damals mit Bernhard Delakowitz, stand immer das Thema im Vordergrund, dass die zusammengeschlossenen Großhändler nicht nur in ihren Regionen arbeiten können, sondern auch für die nationalen Unternehmen ein wichtiger seriöser Ansprechpartner sind. Mussten Sie das unter Beweis stellen?

Eichinger: Ja genau und das gilt auch weiterhin. Wir haben einen konzernierten Wettbewerb und da fällt es manchen unserer Kunden im ersten Moment noch schwer, zu verstehen, warum eine Gruppe wie unsere bestimmte Dinge genauso gut oder manche auch besser kann als der Wettbewerb. Aber das alles stellen wir jeden Tag unter Beweis, sonst hätte es diese positive Entwicklung nicht gegeben.

Kürzlich ist ein neuer Partner dazugekommen?

Eichinger: Wir haben im vergangenen Jahr Brülle & Schmeltzer aus Lippstadt gewinnen können und verdichteten damit unser Netz weiter. Für uns ist es wichtig, die Nähe zum Kunden nicht nur im Sinne der Zusammenarbeit symbolisch zu pflegen. Wir wollen wirklich logistisch näher an ihn heranzurücken, ihm im wahrsten Sinnen des Wortes entgegenkommen. Das sorgt für noch mehr Flexibilität. Wir merken, dass dieser Aspekt unseren Kunden immer wichtiger wird.


Worauf kommt es bei Flexibilität vor allem an?

Eichinger: Es geht um Häufigkeit der Belieferung und Flexibilität in den Tourenplänen. Je mehr Standorte man hat und damit auch bestimmte Regionen besser bedienen kann, umso mehr kann man den Anforderungen der Kunden gerecht werden. Auch die haben ihre Zeitfenster für bestimmte Aktivitäten. Die können wir noch besser nutzen. Unsere Kunden haben einen sehr hohen Personalkostenanteil. Deshalb ist es wichtig, der Personaldisposition zu entsprechen. Die Ware sollte kommen, wenn genug Mitarbeiter da sind, um sie entgegenzunehmen. Diese Dinge können wir mit einer Optimierung der Logistik noch besser gestalten.

Der alte Spruch ‚Retail ist Detail‘, trifft für Ihr Geschäft mit Convenience-Shops in ganz besonderem Maße zu. Ist die Beachtung dieser Regel auch ein Stück Erfolgsgeheimnis der MCS?

Eichinger: Ja, denn Sie müssen die ganze Bandbreite der Kunden sehen, die von uns beliefert werden. Viele denken nur an Rastanlagen, wenn es um die Belieferung von Tankstellen geht. Die liegen natürlich sehr praktisch und machen gute Umsätze. Aber das Hauptgeschäft der Tankstellen findet woanders statt. Die sind verteilt im Bayrischen Wald, irdendwo in Niedersachsen oder in der Innenstadt von Köln. Die Anlieferbedingungen variieren hier sehr stark. Wenn man dann noch planen muß, wie man beispielsweise einen Convenience-Store am Bahnhof in der Rush-Hour beliefern kann, wo man die Ware auch noch über Aufzüge transportieren und dabei aufpassen muss, dass währenddessen niemand den LKW leerräumt, dann ist das eine ganz andere Situation. An Flughäfen sind darüber hinaus die ganzen Sicherheitsanforderungen deutlich gewachsen. Das logistische Convenience-Geschäft ist extrem komplex, und wir haben noch gar nicht über die unterschiedlichen Temperaturzonen gesprochen, die wir beachten müssen.

Wie regional unterschiedlich ist das Convenience-Geschäft in Deutschland?

Eichinger: Ich glaube, dass die Convenience-Kultur, um sie mal so zu nennen, weniger von den Regionen abhängig ist, sondern eher von dem unterschiedlichen Urbanitätsgrad. Was die Sortimente und die Anforderungen der Shop-Kunden angeht, da sind sich große Stationen in München, Berlin oder Düsseldorf sehr, sehr ähnlich. Vergleichbare Anforderungen gibt es auch bei Tankstellen-Shops im bayrischen Wald, in der Eifel oder auf dem Dorf in Schleswig-Holstein. Dasselbe gilt für Shops in Bahnhöfen vergleichbarer Lage und Größe.

Welche Rolle spielen regionale Produkte?

Eichinger: Wir beobachten durchaus, dass das Thema Regionalität an Gewicht gewinnt. Früher gab es die Tendenz, die Dinge zu vereinheitlichen. Inzwischen sagen aber auch immer mehr überregional tätige Kunden, dass sie sich mit regionalen Produkten profilieren wollen.

Als Sie die Geschäftsführung der MCS übernommen haben, haben Sie von Anfang an deutlich gemacht, dass neben der Belieferung auch die konzeptionelle Beratung der Kunden im Mittelpunkt steht. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Eichinger: Das ist unser Job und damit unterscheiden wir uns auch von anderen. Die Hygienefaktoren müssen natürlich passen: Die Ware muss zum richtigen Preis zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein. Das setzen unsere Kunden voraus. Und auch, dass wir die richtigen Sortimente führen, ist ganz klar. Differenzieren können wir uns nur damit, dass wir die Schippe oben drauflegen, indem beispielsweise unser Außendienst die notwendige Beratungsleistung bringt, regelmäßig vor Ort ist und den Kunden unterstützt. Er muss ihm mit Shop-Optimierungen beistehen und dafür sorgen, dass der Kunde mehr Umsatz macht.


Ist der Wunsch nach stärkerer Beratung von den Kunden an Sie herangetragen worden?

Eichinger: Es kommt viel Feedback, und es werden auch Anforderungen gestellt. Darüber hinaus haben wir sehr früh angefangen, Marktstudien durchzuführen, um herauszufinden, was die Kunden unserer Kunden eigentlich wirklich wollen und wo es vielleicht hapert.

Was hat sich daraus ergeben?

Eichinger: Wir haben schon vor über zehn Jahren die Initiative POSitiv ins Leben gerufen, die sich konkrete positive Veränderungen am PoS vorgenommen hat. Beispielsweise durch die POSitiv-Box, mit deren Hilfe erstmals systematisch Riegel nach dem Motto „Zwei zum Preis von...“ verkauft wurden. Das ist heute gar nicht mehr wegzudenken. Als Nachfolgeprodukt kam die Cash-Box. Hier haben wir es erstmals geschafft, eine Getränkeaktion erfolgreich im Bereich der Kasse unterzubringen. Als wir damit gestartet sind, haben uns einige für verrückt erklärt, dass wir jetzt Getränke in die Kassenzone bringen. Mittlerweile hat sich das Angebot etabliert und bewiesen, dass es geht.

Die Handelsunternehmen intensivieren ihre Aktivitäten in Richtung Convenience. Kann das der Convenience-Branche als Ganzes helfen?

Eichinger: Ich sehe das positiv. Zum einen schadet die konzeptionelle Veränderung von Convenience-Konzepten, wie wir sie im Moment merken, dem Markt sicherlich nicht. Zurzeit möchte ich gerne Ladenbauer sein. Aber auch wir als Lieferant sind natürlich stark gefordert. Dem sehe ich positiv entgegen, denn wir sind die Einzigen im Markt, die die LEH-Sortiments-Kompetenz und gleichzeitig auch die der Feinstdistribution haben. Wir beliefern Kunden vom kleinen Schwimmbadkiosk bis zum Lebensmittelgeschäft, die ganze Bandbreite. Nahversorger-Sortimente gehören zu unserem Kern-Geschäft.

Haben Sie sich im vergangenen Jubiläumsjahr auch darüber Gedanken gemacht, wohin sich die MCS in den kommenden 20 Jahren entwickeln soll?

Eichinger: Natürlich ist das für uns ein Them. Das erwarten auch unsere Gesellschafter. Der Covenience-Markt ist extrem dynamisch. Die Entwicklung, die wir in den vergangenen drei Jahren erlebt haben, hätte vor fünf Jahren niemand vorhergesagt. Keiner hat auch in dieser Art und Weise mit einer Zusammenarbeit von Aral und Rewe gerechnet. Solche Dinge machen Planungen extrem schwierig. Nichtsdestotrotz haben wir natürlich eine klare Ausrichtungen, was unsere Arbeit der kommenden Jahren angeht. Für uns steht der mittelständische Markt im Fokus, der weiterhin am wachstumsträchtigsten ist. Dort können wir mit unseren Partnern auf Augenhöhe arbeiten und gemeinsam glaubwürdig Projekte anschieben. Wir wollen uns weiterhin in diesem Segment bewegen und es partnerschaftlich bedienen. Punkten wollen wir mit Produkten und Dienstleistungen. Wir haben aktuell einen Award für Foodstartups ins Leben gerufen, den Young Taste of Convenience Award. Ziel ist es, convenience-geeignete Produktinnovationen jenseits der großen Markenartikler besser zu identifizieren. Den Gewinnern ebnen wir ganz praktisch den Weg in die Shops. Einige unserer Kunden haben ganz konkret zugesagt, sie mit Shop-Präsenz zu unterstützen. Dazu kommt der neue „Social Convenience Award“. Prämiert werden Unternehmen, die mit ihrer Facebook-Seite erfolgreich auf ihren Shop und ihre Angebote aufmerksam machen.

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Bild öffnen Mittelständische Tankstellen gehören zu den wichtigsten Kunden des Convenience-Großhandelsverbundes
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