Nutzfahrzeuge Stromer fallen durch

Wie hält man es bei Nutzfahrzeugen mit alternativen Antrieben? Wie ist es um die viel beschworenen Elektrofahrzeuge bestellt? Fragen, die bei der Anschaffung unbedingt überlegt werden sollten. Convenience Shop hat ernüchternde Antworten.

Donnerstag, 15. Oktober 2015 - Industrie
Thomas Klaus
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Im Trend liegen unter anderem eine größere Vielfalt bei den Aufbauten. Dr. Kay Lindemann, Verband der Automobilindustrie

Dr. Kay Lindemann macht so schnell niemand etwas vor, wenn es um Trends im Nutzfahrzeuge-Markt geht. Beim Verband der Automobilindustrie (VDA) ist er als Geschäftsführer für diese Fahrzeuge verantwortlich – und er benennt wesentliche Trends. Zu denen gehören ein Mehr an Telematik für eine effektivere, effizientere Routenplanung und für eine gezielte Steuerung ganzer Flotten sowie eine größere Vielfalt bei den Aufbauten: Fahrzeugprogramme, die mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Aufbauten und zugleich mit einem wendigen Fahrverhalten dienen können, sind populär.

Aber wie steht es um alternative Antriebe und hier speziell um die Elektromobilität, über die so viel geredet und geschrieben wird? Sind Convenience-Shop-Betreiber wirklich gut beraten, wenn sie auf dieses Pferd setzen?

Bei der Vorstellung des „Regierungsprogramms Elektromobilität“ im Mai 2011 war die Bundeskanzlerin möglicherweise etwas zu voreilig. „Im Jahr 2020 sollen eine Million elektrisch betriebener Fahrzeuge auf den deutschen Straßen unterwegs sein“, hatte Angela Merkel als Ziel ausgegeben. Ferner wolle Deutschland der weltweite Leitmarkt für die Elektromobilität werden. Doch Ende 2014 waren es nach Angaben des Kraftfahrt-Bundesamtes erst knapp 19.000 reiner Elektrofahrzeuge. Und andere Länder wie zum Beispiel die Vereinigten Staaten und Norwegen haben die Bundesrepublik bei der Elektromobilität längst überholt.

Elektrisches Fahrzeug für die Stadt

Eine große Überraschung ist das nicht – angesichts der arg begrenzten Laufzeiten, stundenlangen Ladezeiten, eines erheblichen Bedarfs an Ladestationen und weiteren technischen Hemmschuhen. Am meisten schreckt der hohe Anschaffungspreis ab.

Und ob der Einsatz von Elektrofahrzeugen tatsächlich eine durchschlagende Maßnahme zum Klimaschutz darstellt, ist durchaus umstritten. So führt die Umweltschutzorganisation Greenpeace an, dass bei dem derzeitigen Strom-Mix von einem emissionsfreien Fahren auf keinen Fall die Rede sein dürfe und die Klimabilanz nur bei einem schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien eines Tages besser ausfallen werde als bei einem sparsamen Verbrennungsmotor. Denn: Ein Elektrofahrzeug stößt zwar beim Fahren keine Abgase in die Luft, aber die entstehen, wenn der Strom erzeugt wird.

Trotz aller Probleme haben inzwischen die großen Automobilhersteller dieses Segment für sich entdeckt und diverse Modelle platziert.

Elektrofahrzeuge scheinen zumindest auf einem Gebiet konkurrenzfähig zu sein: „Keine Abgase, wenig Lärm – das rein elektrische Fahrzeug ist ein Stadtfahrzeug. Und in der Stadt stört auch seine begrenzte Reichweite nicht.“ Das meint Professor Dr. Werner Tillmetz. Der Geschäftsbereichsleiter für elektrochemische Energietechnologien am Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) gibt zu bedenken, dass deutlich mehr Elektrofahrzeuge in den Städten handfeste Beiträge für mehr Wohnraum- und Lebensqualität wären. Wenn Unternehmen zum Beispiel aus dem Convenience-Shop-Bereich mit diesen Argumenten Stromer in ihren Fuhrpark aufnähmen, müsste sich das gut und wirkungsvoll vermarkten lassen.


Hybrid-Fahrzeuge haben Zukunft

Weil sich Elektrofahrzeuge ohne staatliche Zuschüsse kaum verkaufen lassen, wurden mittlerweile eine Reihe Förderprogramme aufgelegt, die sich schwerpunktmäßig an Unternehmer richten. Und: Wer sein Elektrofahrzeug bis Ende 2015 zulässt, wird ein Jahrzehnt lang von der Kfz-Steuer befreit. Sich detailliert über die Förderprogramme zu informieren, kann sich lohnen.

Selbst wenn das Ziel von einer Million elektrisch betriebener Fahrzeuge innerhalb von fünf Jahren erreicht werden würde, was wohl kaum jemand noch ernsthaft erwartet: Es wären nur relativ wenige Vehikel unter den 50 Millionen anno 2020 voraussichtlich zugelassenen Fahrzeugen; diese Zahl prognostiziert das Kraftfahrt-Bundesamt.

Wahrscheinlicher als der Siegeszug reiner Elektroautos scheint da schon ein größerer Erfolg von Hybrid-Fahrzeugen zu sein, in denen sich neben einer aufladbaren Batterie ein kleiner Benziner, Diesel oder eine Brennstoffzelle befinden. Das meint zum Beispiel auch Professor Tillmetz. Er glaubt: „Die Zukunft der Autos, wie wir sie heute kennen, gehört Hybrid-Fahrzeugen.“ Doch der Weg dahin ist ebenfalls lang: Ende 2014 waren laut Kraftfahrt-Bundesamt 108.000 Hybrid-Fahrzeuge zugelassen. Überwältigend hoch ist diese Zahl nicht. Das waren immerhin jedoch mehr als Erdgas-Fahrzeuge, von denen ungefähr 82.000 erfasst sind.

Flüssiggas hat große Fangemeinde

Eine herausragendere Rolle unter dem Vorzeichen alternativer Antriebe spielen Flüssiggas-Fahrzeuge: Von ihnen gibt es rund 492.000 auf deutschen Straßen.

Der Unterschied zwischen Flüssiggas und Erdgas: Autogas – auch LPG (Liquified Petroleum Gas) genannt – wird bei einem Druck von ein bis zehn bar flüssig gespeichert. Demgegenüber besteht Erdgas beziehungsweise CNG (Compressed Natural Gas) überwiegend aus Methan. Bei rund 200 bar wird es gasförmig im Fahrzeug gelagert. Merke: Ein Gasauto verbraucht aufgrund des geringeren Energiegehaltes mehr als ein Benziner. Bei Autogas handelt es sich um 20 bis 30 Prozent, bei Erdgas um zwölf bis 15 Prozent mehr.

Fazit: Im Nutzfahrzeuge-Markt steckt Leben drin. Doch bei Elektrofahrzeugen fallen die Tritte auf das Gaspedal nur zögerlich aus – leider.

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