Lieferdienste Getir wird durch Gorillas groß

Die Marktbedingungen für E-Food-Lieferdienste in Deutschland werden schwieriger. Das zeigt die Übernahme von Gorillas durch Getir. Doch der Deal eröffnet auch Chancen für Getir.

Dienstag, 14. Februar 2023 - Foodservice
Martin Heiermann
Artikelbild Getir wird durch Gorillas groß
Bildquelle: Getir

Steigende Lebensmittelpreise und Logistikkosten sowie sparende Verbraucher: Alles das betrifft jetzt auch die Lieferdienste in Deutschland, die während der Covid-Pandemie einen Boom erlebt haben. Die betroffenen Startups reagieren beispielsweise mit Partnerschaften und Kooperationen. So arbeitet der Quick-Commerce-Anbieter Flink nun mit dem Lieferdienst Wolt zusammen und stellt Produkte aus dem Wolt-Sortiment mit Flink-Fahrern zu. Wolt seinerseits arbeitet mit Lieferando zusammen, ebenso wie Flink. Doch solche Kooperation können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es für die E-Food-Anbieter immer öfter ums wirtschaftliche Überleben geht. Das zeigt deutlich die Übernahme des Berliner Quick-Commerce-Anbieters Gorillas durch den türkischen Wettbewerber Getir, Ende des vergangenen Jahres.

Niederlassungen in vielen deutschen Städten
Der Käufer Getir gab den Investoren des ehemaligen Konkurrenten laut Medienberichten im Zuge der Übernahme Anteile am eigenen Unternehmen ab: Dies waren laut Manager Magazin vierzehn Prozent, laut Handelsblatt zwölf Prozent. Die Übernahme von Gorillas war wohl unumgänglich. Denn es gelang nicht, neue finanzielle Mittel einzuwerben. Investition wurden in Frage gestellt. So war beispielsweise vor kurzem erste eine neue Version der Gorillas-Bestell-App an den Start gegangenen und der Launch von Eigenmarken war geplant. Nun wird Getir den Wettbewerber ins eigene Unternehmen integrieren. Dadurch erhält der Lieferdienst mit türkischen Wurzeln Zugriff auf 180 meist zentral gelegene Gorillas-Warenlager in etwa 45 europäischen Städten. In Deutschland, wo Getir seinen Rollout lange hinausgezögert hat, verfügt der E-Food-Anbieter damit über Niederlassungen in über 20 Städten. Im Markt vertreten ist man nun nicht nur in Berlin, sondern beispielsweise auch in Köln, Düsseldorf, Essen, Frankfurt am Main, Dresden, Leipzig, München oder Stuttgart. Hinzu kommen mittlere Großstädte wie Bonn, Augsburg, Fürth, Heidelberg oder Offenbach. Denkbar wäre, dass Mitarbeitende an Stellen, wo es nun Überschneidungen gibt, Getir verlassen müssen. Beide Lieferdienste haben allerdings 2022 Personal abgebaut.

Im Franchise-System und mit Zentrallagern
Um die Unternehmensteile von Gorillas zügig zu integrieren, wäre es möglich, dass Getir einen Großteil davon an Franchise-Partner und Partnerinnen weiterreicht. Diese würden dann die Darkstores mit offizieller Lizenzierung weiterbetreiben. Ein solches Modell wird in der Türkei offenbar schon praktiziert. Bereits im Sommer hatte Getir für Deutschland eine entsprechende Verfahrensweise angekündigt. Darüber hinaus könnte Getir seinen Ansatz verwirklichen, Darkstores nicht direkt von Herstellern und Großhändlern beliefern zu lassen, sondern aus selbst kontrollierten Zentrallagern, von denen es hier zu Lande bereits zwei bei Berlin und Hamburg gibt. Vorteile könnte die Übernahme für Getir auch in den Niederlanden und Frankreich bringen, wo die Ansiedlung neuer Darkstores in Innenstädten erschwert oder verboten wird. Dazu kommen die von Gorillas forcierten Kooperationen mit großen europäischen Handelsketten.