Online bleibt Wachstumsmotor für den gesamten Einzelhandel. Dennoch stößt er mit seinem Umsatzwachstum derzeit an Grenzen. International rütteln Milliardeninvestments, aggressive Neueinsteiger und ein offensichtliches Dilemma in Sachen Rentabilität die Branche ordentlich durch. Das sind Erkenntnisse einerseits aus dem HDE-Online-Monitor 2022 und andererseits der Studie „Online Grocery Strategy: A Reality Check for Disruptors and Incumbents“ der internationalen Unternehmensberatung Bain & Company.
Laut HDE stößt das Umsatzwachstum im Online-Handel in diesem Jahr, mit Blick auf die schlechte Konsumstimmung wegen des russischen Krieges in der Ukraine, an seine Grenzen. Die Umsätze wüchsen zwar weiter, der Handelsverband Deutschland, HDE, hat seine Prognose für das laufende Jahr jedoch um eine Milliarde gesenkt, so dass der Online-Handel in Deutschland in diesem Jahr auf ein Plus von 12,4 Prozent im Vergleich zu 2021, und dann auf einen Umsatz von 97,4 Milliarden Euro kommen dürfte. Ursprünglich hatte der Handelsverband ein Plus von 13,4 Prozent prognostiziert. In den Jahren 2020 und 2021 konnte der Online-Handel noch um 23 beziehungsweise 19 Prozent zulegen. Als Ursachen für die sinkende Konsumlaune benennt der Verband die noch nicht überwundene Corona-Pandemie und, wie erwähnt, vor allem den russischen Krieg gegen die Ukraine.
Die Bain-Studie stellt fest, dass sich „nach zwei absoluten Rekordjahren“ die Lage im Online-Handel wieder etwas normalisiert. Der Online-Anteil wuchs am schnellsten in den Bereichen Wohnen und Einrichten (um knapp 30 Prozent) sowie bei Lebensmitteln und Kosmetik (um 30 Prozent). „Der Online-Lebensmittelhandel hat sich rund um den Globus zu einem milliardenschweren Wachstumsmarkt entwickelt, denn immer mehr Menschen nutzen die Lieferservices auch nach den coronabedingten Lockdowns“, weiß Miltiadis Athanassiou, Bain-Partner und Co-Autor der aktuellen Online-Studie des Unternehmens. „Die jüngsten Investitionen in die Sofortlieferdienste bedeuten aber keineswegs, dass die neuen Anbieter die Oberhand gewinnen“, so Athanassiou weiter. Vielmehr stünden alle Marktteilnehmer vor der gleichen Herausforderung: sich im Wettbewerb zu behaupten und langfristig profitabel zu sein.
Drei Kernthemen der Entwicklung
Die Bain-Studie skizziert drei Themen, vor denen nach Überzeugung der Fachleute weder etablierte Omnichannel-Händler noch Quick-Commerce-Anbieter die Augen verschließen dürften. Der Grund dafür sei: Sie würden das Geschäftsmodell aller im Online-Lebensmittelhandel engagierten Unternehmen künftig signifikant beeinflussen.
- Omnichannel-Anbieter profitieren weiter: Trotz der Bequemlichkeiten des Internets kauften die meisten Onlineshopper weiterhin parallel im klassischen Lebensmittel-Einzelhandel. Die etablierten Handelskonzerne, die über ein Omnichannel-Profil verfügen, profitierten daher von ihren Größenvorteilen und einer engen Kundenbindung. Sie kennen die Bedürfnisse und Einkaufsgewohnheiten der Verbraucherinnen und Verbraucher, da sie ihnen ein breiteres Angebot offerieren.
- Profitabilität verbessern ist Pflicht: Beim Thema E-Food können die traditionellen Marktführer von den Herausforderern lernen, denn diese fordern inzwischen etwa ein Mindesteinkaufsvolumen oder verlangen für ihre Onlineservices Gebühren. Doch auch die Quick-Commerce-Anbieter benötigten ein strikteres Kostenmanagement. Ihre Darkstore-Modelle, also der Direktverkauf aus dem Warenlager, seien nach wie vor nicht flächendeckend profitabel.
- Auftragsabwicklung und Lieferung effizienter machen: In den nächsten Jahren müssten alle Marktteilnehmer, angesichts der schnell steigenden Nachfrage, ihre Lieferkapazitäten erheblich ausbauen, sind die Macher der Bain-Studie überzeugt: Zusätzlich zu den bisherigen Click-&-Collect-Lösungen im stationären Geschäft, müssten diese sich stärker auf eine automatisierte Auftragsabwicklung bei Zusammenstellung und Verpackung der Produkte konzentrieren. Omnichannel-Anbieter könnten mit Liefer-Apps kooperieren, um Kapazitäten zu schaffen und die hohen Kosten des Transports in den Griff zu bekommen.