Handel und Wandel Wenn alles anders wird

Als Online-Meeting präsentierte sich die Handelsblatt-Tagung Handel und Wandel in diesem Jahr.„Aufbruch mit Tatkraft und neuen Perspektiven“, lautete das Motto, moderiert von Hans Jürgen Krone, Chefredakteur von Convenience Shop.

Mittwoch, 21. Juli 2021 - Awards & Events
Martin Heiermann
Artikelbild Wenn alles anders wird
Bildquelle: Euroforum

Wenige Veranstaltungen konnten im vergangenen Jahr noch klassisch analog über die Bühne gehen. Handel und Wandel in Tankstellen und Convenience Shops gehörte dazu. Denn der traditionelle Termin der Handelsblatt-Jahrestagung für die Convenience-Branche lag im Februar. Und so fand Anfang 2020 das Meeting in gewohnter Form statt. In diesem Jahr war das wegen der Pandemie nicht möglich. Die Covid-Krise verdrängte die Veranstaltung nicht nur ins Internet, sondern auch in den Juni und verwandelte das Netzwerker-Treffen in ein Online-Event. Trotzdem fanden viele Teilnehmer und Verantwortliche aus der Branche virtuell zusammen und sprachen nicht nur über anstehende Veränderungen, sondern erlebten sie live.

Veränderung und Transformation seien momentan prägend für Tankstellen- und Convenience-Shops, stellte dann auch Patrick Steppe, CEO der Rewe-Tochter Lekkerland, generell für die Branche fest. Die Covid-Krise sei dafür nur der Katalysator. Die veränderte Mobilität, die sich wandelnde Arbeitswelt und nicht zuletzt die sich abzeichnende Energiewende machte er für den Wandel verantwortlich. Der Shop werde dadurch zum „wirtschaftlichen Herz“ der Tankstelle, des neuen Mobility Hubs. Dennoch gebe es keine einheitliche Lösung für die Anforderungen der Zukunft. Die Antwort müsse modular sein. Vor allem das Sortiment habe dem Standort zu entsprechen. Als unverzichtbar für die gesamte Branche bezeichnete Steppe die Vernetzung mit den Kunden, die Personalisierung des Angebots und umfassende Loyalitätsprogramme.

Hedonismus und auch Verzicht
Einen Blick auf den Wandel, allerdings in erster Linie den des Kunden, warf Stephan Telschow, Geschäftsführer der Gesellschaft für Innovative Marktforschung, GIM. Auch seine Analyse sieht die Stores vor großer Herausforderungen. Denn das gegenwärtige und auch künftige Verhalten der Verbraucher, so sein Befund, ist keineswegs eindeutig. Auf der einen Seite stehe der Hedonismus, also der Wunsch nach Genuss und Vergnügen, bei vielen ausgelöst durch den Dauerstress der Pandemie. Auf der anderen Seite sei eine wachsende Gruppe unter den Verbrauchern entschlossen, stärker zu verzichten und mehr Erfahrungen in der Natur zu machen. Zwischen diesen beiden Polen gebe es viele unterschiedliche Motivationen und Verhaltensweisen. Neben den bekannten Aspekten einer zunehmenden Nutzung digitaler Tools und einer veränderten Arbeitswelt mit weniger Pendlern seien dies, ein erodierendes Vertrauen in den Staat, oft kombiniert mit dem Wunsch nach mehr Eigenverantwortung oder auch gesünderer Ernährung. Das bedeute für die Shop mehr Nachhaltigkeit, den Schutz durch starke Markenprodukte, mehr Lieferservices und gleichzeitig einen Bedeutungsverlust für Standorte in den Innenstädten.

Viele folgende Beiträge zeigten, wie sich die Betreiber von Tankstellen- und Convenience-Stores auf diesen Paradigmenwechsel einstellen. Katja Bayrak, Leiterin Business Development bei Valora Food Service Deutschland, betonte die Stärke der eigenen Marken, also von Back-Werk und Ditsch. Diese Stärke werde seit 2019 durch ein Shop-in-Shop-Modell an den Esso Stationen der EG-Group ausgespielt. Mit Erfolg, wie sie betonte. Nach der gelungenen Startphase soll das Projekt jetzt weitergeführt werden. Valora suche nach neuen Standorten an Tankstellen und auch nach neuen Partnern für einen Rollout.

Andre Stracke, Mitglied der Geschäftsleitung der Westfalen AG, betonte die Chancen seiner Tankstellen-Standorte als Mobility Hub. An einer Station in Gelsenkirchen habe man positive Erfahrungen im Bereich Foodservice gesammelt. Das dort erprobte Café werde nun als Stand-alone getestet und ein Rollout in weiteren Shops sei angedacht. Auf dem Feld der Digitalisierung treibt die Westfalen AG den Ausbau ihre Tankstellen-App Fillibri voran. Als zweiter mittelständischer Partner ist die Avia hinzugekommen. Mittlerweile seien rund 1.000 Stationen für die App erschlossen. Und weitere sollen hinzukommen, verspricht Stracke. Auch durch einen neuen, dritten Gesellschafter, dessen Namen er noch nicht verraten wollte. Mittelfristig soll Fillibri es möglich machen, nicht nur das Tanken an der Säule zu bezahlen, sondern auch die Autowäsche, Coupons oder Push-Nachrichten zu erhalten und schließlich auch digital im Shop einzukaufen. Für einen Energie-Mix und Technologie-Offenheit warb Volker Behn, Geschäftsführer des Tankstellen-Betreibers Team Energie. Seiner Einschätzung nach müsse es künftig neben einem E-Ladenetz auch ein Angebot an E-Fuels an den Stationen geben. Seine Standorte unterstützt er mit derzeit mit 17 Amazon Locker Terminals. Pro Tag begrüßen die Shell-Tankstellen hier zu Lande 1,5 Millionen Kunden. Das weise auch in der Corona-Zeit auf eine gute Geschäftsentwicklung seines Unternehmens hin, erläuterte Jan Toschka, General Manager Retail DACH der Shell Deutschland Oil. Aus seiner Sicht geht es künftig um drei Ziele an den Stationen: das Vermeiden, Reduzieren und Kompensieren.

Ins Detail des Geschäftsmodells Tankstelle und C-Store stieg dann Scott Annan, Food & Convenience Retail Guru aus Großbritannien, im Gespräch mit Christian Warning, Geschäftsführer von The Retail Marketeers, ein. Annan verwies ein weiteres Mal auf Benchmarks in Japan, Südkorea und auch Ireland. Die Bedürfnisse der Kunden aber seien das Wichtigste. „Und die zeigen deutlich in Richtung Fresh Food“, so seine Meinung.

Zu einem zweiten inhaltlichen Komplex leitete schließlich das Gespräch mit Carlo Caldi über. Der ehemalige Tank & Rast-Manager ist heute Betreiber des Smart-Store-Formats Typy und Managing Director der Campo Group. Als Vertreter des Smart Retail betonte er die Fokussierung seines automatisierten Shops auf ein regionales Sortiment und eine ebensolche Community. Innovative Smart-Store-Formate präsentierten auch Lebensmittelhändler Tegut und Enso E-Commerce. Thomas Stäb, Leiter Vertrieb der Convenience-Märkte bei Tegut, stellte erneut die neuen Konzepte Teo und Quartier vor: Teo ist ein hybrides Angebot auf 50 Quadratmetern Fläche, das sowohl mit als auch ohne Personal funktioniert und an sieben Tagen rund um die Uhr zum Einkauf mit App einlädt. Quartier bietet viel Frische, eine Heiße Theke sowie eine Kaffeebar und verfügt über 100 bis 300 Quadratmeter Verkaufsfläche. Das kleinste Modul sei auch als Tankstellen-Format einsetzbar, so Stäb. Ähnliches wusste Thorsten Bausch, Geschäftsführer bei Enso E-Commerce, zu berichten. Enso verbinde den Onlinehandel mit einem Dorfladen-Konzept plus Vollversorgung. Die Expansion werde regional eingebunden erfolgen, in den Gemeinden, in denen Tante Enso Läden entstehen.

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