Fernverkehr Elektrische Kraftakte bei Nutzfahrzeugen

Der „Green Deal“ der EU stellt die Regeln auf Europas Straßen neu auf – auch im Güterverkehr. Dafür treiben die Hersteller jetzt die Serienfertigung von schweren Fernverkehr-Lkw voran.

Montag, 11. September 2023 - Technik
Bernd Liening
Artikelbild Elektrische Kraftakte bei Nutzfahrzeugen
Bildquelle: MAN

Ziel der EU ist es, die Treibhausgasemissionen im Transportsektor bis 2050 um 90 Prozent gegenüber 1990 zu senken. Der Güterkraftverkehr hat aktuell einen Anteil von 28 Prozent der Co2-Emissionen im Straßenverkehr. Diese in der geplanten Größenordnung zu senken, geht nur über den gewaltigen Ausbau der alternativen Antriebe. Während einige Nutzfahrzeughersteller verschiedene Lösungen wie E-Antriebe, Wasserstoff, E-Fuels oder auch Bio-Gas (weiter-)entwickeln, konzentrieren sich andere ganz auf den Akku. So betont die Traton Group, dass sie bei ihren Marken Volkswagen Truck&Bus, MAN, Scania und Navistar „klar auf batterieelektrische Fahrzeuge“ setzt. Jährlich könnten zehn Millionen Tonnen Co2 eingespart werden, wenn 100.000 Lkw mit grünem Strom statt mit Diesel fahren, rechnet Traton vor. Bis dahin ist es allerdings ein weiter Weg, wie die Zahlen des Verbands der europäischen Automobilhersteller, Acea, zeigen: 2022 wurden in der EU 274.058 Diesel-Lkw neu zugelassen – und 1.656 Elektro-Lkw (ohne Transporter).

Markteinführung geht vorane-mo
Nachdem elektrische Transporter und leichte Lkw in der City-Logistik und im Verteilerverkehr seit vielen Jahren im Einsatz sind, treiben die Hersteller jetzt die Markteinführung von schweren E-Lkw mit großen Reichweiten voran. Im Juni 2023 hat Volvo Trucks damit begonnen, neue und rund 40 Prozent leistungsstärkere Batterien für seine mittelschweren Elektro-Lkw FL und FE einzuführen, die jetzt eine Reichweite von bis zu 450 Kilometern ermöglichen. Ohnehin fährt Volvo Trucks beim Praxiseinsatz von elektrischen Lkw ziemlich weit vorne. Seit 2019 werden der FE und FL und seit September 2022 auch die schweren Modelle FH, FM und FMX jeweils mit E-Antrieb in Serie produziert. Bei den im ersten Quartal 2023 europaweit 600 neu zugelassenen Elektro-Lkw (16 Tonnen und schwerer) hatte Volvo Trucks mit 50 Prozent den größten Marktanteil. Bis 2030 will das Unternehmen rund 50 Prozent seiner weltweit verkauften neuen Lkw elektrisch betreiben.

Im Oktober 2023 wird Mercedes-Benz Trucks seinen neuen eActros 600 offiziell vorstellen und ihn nächstes Jahr in Serie bauen. Die Typbezeichnung 600 leitet sich – wie beim eActros 300/400 für den Verteilerverkehr – von der Batteriekapazität in Kilowattstunden ab. Die hohe Kapazität sowie eine neue, besonders effiziente elektrische Antriebsachse aus eigener Entwicklung ermöglichen eine Reichweite von etwa 500 Kilometern ohne Zwischenladen. Obwohl der Listenpreis – wie bei allen E-Lkw – erheblich über dem eines Diesel-Actros liegen wird, soll dieser E-Truck durch seinen niedrigen Energieverbrauch der für den Kunden wirtschaftlichste Fernverkehrs-Lkw von Mercedes-Benz Trucks sein. „Der eActros 600 kann die Mehrheit der Diesel-Lkw im wichtigen Fernverkehrs-Segment ablösen, denn er setzt für unsere Kunden in Sachen Wirtschaftlichkeit neue Maßstäbe,“ sagt Karin Rådström, CEO Mercedes-Benz Trucks. Sie sei überzeugt, „dass dieser Lkw den neuen Standard im Straßengüterverkehr definieren wird.“

DAF Trucks hat im Jahr 2018 den CF Electric vorgestellt und fährt seitdem mit verschiedenen Modellen elektrifiziert im Verteilerverkehr und auf Shuttle-Routen. Basierend auf dieser E-Mobility-Lernkurve wurden die vollelektrischen Lkw stets weiterentwickelt. Mit der Baureihe CF Electric steht auch eine 4x2 Sattelzugmaschine für einen 40-Tonner mit einer Reichweite von rund 200 Kilometern bereit. Auch MAN entwickelt einen neuen elektrischen Langstrecken-Lkw zur Serienreife und kündigt den Marktstart für 2024 an. Mehr als 500 Vorbestellungen lägen vor. Scania wird nach der Einführung des E-Lkw für den Regionalverkehr im Jahr 2022 ebenfalls einen Langstrecken-Lkw folgen lassen.