Handel Hellofresh: Herr über die Letzte Meile

Im vergangenen Jahr hat der Kochboxen- Lieferant einen wahren Boom erlebt. Als ein Liefer-Dienstleister wegbrach, startete Hellofresh kurzfristig die eigene Logistik.

Montag, 10. Mai 2021 - E-Food
Martin Heiermann
Artikelbild Hellofresh: Herr über die Letzte Meile
Bildquelle: Ryan Dinham

Flexiblere Lieferzeiten und auch mehr Nachhaltigkeit: das versprechen sich der Kochboxen-Versender Hellofresh und sein Co-Gründer Thomas Griesel vom Aufbau einer eigenen Kühlwarenflotte. Ganz freiwillig und aus eigenen Antrieb ist der Lieferdienst aber nicht in dieses Projekt eingestiegen. Vielmehr ist der Entschluss, eine eigene Lieferlogistik zu etablieren, auf eine Entscheidung der Otto-Gruppe zurückzuführen. Das verriet Griesel in einem Gespräch mit dem Handelsblatt. Denn Ende vergangenen Jahres verkündete das Hamburger Handelsunternehmen Otto das überraschende Aus für seine Tochter Liefery. Dieser Logistiker war bisher ein wichtiger Dienstleister für Hellofresh – neben DPD oder UPS.

Nun will der Kochboxen-Lieferant die Organisation der so genannten Letzen Meile selbst in die Hand nehmen und verspricht dadurch seinen Kunden weitere Vorteile. Mit der Investition in ein eigenes Liefernetzwerk rücke Hellofresh die Kunden erneut in den Mittelpunkt, verkünden die Berliner. Der eigene Service erlaube eine zuverlässigere Zustellung zum angegebenen Zeitpunkt und biete langfristig mehr Flexibilität, indem zusätzliche Lieferzeitfenster und -tage angeboten werden könnten. Ein weiterer Vorteil sei, dass durch die neu etablierte Infrastruktur dem Lieferdienst eine schnelle Reaktion auf Nachfrageschwankungen, bei gleichzeitiger Verringerung der Abhängigkeit von Dienstleistern, möglich geworden sei. Und so ist der Ablauf: Seit einigen Wochen werden die Kochboxen von einem Dienstleister aus der zentralen Produktionsstätte in Verden abgeholt und in die neu eingerichteten Depots geliefert, die in Zusammenarbeit mit Partnern innerhalb relativ kurzer Zeit aufgebaut wurden, berichtet das Unternehmen. Von dort aus werden die Boxen mit Kleintransportern an ihr Ziel gebracht. Kunden in Berlin, Hamburg, Köln, Düsseldorf, München und Wien werden jetzt schon von der hauseigenen Kühlwagenflotte angefahren.

Die Kundenzahl stieg um 78 Prozent
Finanzieren kann Hellofresh den Aufbau der eigenen Logistik auch, weil es im vergangenen Jahr international, aber auch in Deutschland einen großen Nachfrageschub zu verzeichnen hatte. Die Zahl der Kunden sei weltweit um 78 Prozent auf 5,29 Millionen gestiegen. Der Konzernumsatz für das vergangene Geschäftsjahr 2020 belaufe sich auf 3,75 Milliarden Euro. Das sei ein währungsbereinigter Anstieg von 111 Prozent im Vorjahresvergleich. So sei es möglich, für den Logistikausbau rund 150 Millionen Euro im laufenden Jahr einzuplanen. Zudem erwägt der Kochboxen-Lieferdienst für die Zukunft den Aufbau einer eigenen Flotte, in der dann auch verstärkt elektrisch angetriebene Lieferfahrzeuge mit eigener Kühlung verwendet werden könnten. Auf der Letzten Meile würden sich mit dieser Maßnahme sowohl Verpackung als auch CO2-Emissionen einsparen lassen, rechnen die Berliner vor. Dies seien zwei wichtige Ziele in der Nachhaltigkeitsstrategie des Unternehmens. In den Niederlanden, wo Hellofresh bereits eine eigene Lieferflotte betreibt, erfolgen die Lieferungen wohl schon jetzt teilweise emissionsfrei. „Dadurch konnten 2020 bereits 60 Tonnen CO2-Emissionen eingespart werden, 255 Prozent mehr als noch in 2019“, sagt das Unternehmen.